Das Prinzip Uli Hoeneß. Christoph Bausenwein

Das Prinzip Uli Hoeneß - Christoph Bausenwein


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vermarkten, meinte der Bräutigam, und bot über eine Werbeagentur die Exklusivrechte für Interviews und Fotos an. 25.000 DM sollte der Spaß kosten, doch diesmal hatte der nimmersatte Geldscheffler Pech: Niemand griff zu, stattdessen gab es allenthalben spöttische Reaktionen. Die »Sport-Illustrierte« druckte eine Fotomontage, die Uli Hoeneß mit seiner Braut zeigt, wie er ihr einen Ehering überstreift. Bildunterschrift: »Dieses Bild kostete genau 177,30 Mark, 150 Mark Honorar für den Fotografen und 27,30 Mark für die Fotomontage.« Würde dieses Foto zum tatsächlichen Hochzeitstermin gemacht, so der Artikel weiter, dann wäre »es allerdings 24.822,70 Mark teurer«. Zum Trauungstermin am 18. November waren schließlich etliche Fotografen und Journalisten da, doch keiner hatte ein Honorar entrichtet. Die Braut, der die Sache hernach etwas peinlich war, versuchte sich zu rechtfertigen: »Wir sind mit einem Werbeagentur-Besitzer aus Winnenden befreundet, und einer seiner Angestellten hat aus lauter Übereifer heraus derartige Angebote an verschiedene Illustrierten gerichtet – ohne unser Wissen! Der Mann wurde dann kurz darauf entlassen.« Der Bräutigam bereute die Sache ebenfalls. Als er im Jahr 2009 zum x-ten Mal auf die Angelegenheit angesprochen wurde, sprach er von einem »Riesenfehler« und davon, dass er damals, in den siebziger Jahren, zu sehr hinter dem Geld her gewesen sei. Angenehm war ihm das Image des Raffkes offensichtlich schon damals nicht, denn er war stets bemüht, sich als ehrlicher Makler der von ihm beworbenen Produkte zu präsentieren. »Die Produkte, die er anpreist, verwendet Uli Hoeneß auch zu Hause«, schrieb etwa die »Abendzeitung« in einem Personality-Artikel. »Er schmiert Rau-Margarine aufs Brot, isst Langnese-Eis zum Nachtisch und hat sein Geld auf einer Raiffeisenbank.«

      Die Fotos von der Trauungszeremonie in Rottach-Egern zeigen den Bräutigam im schwarzen Anzug mit Fliege, die Braut im langen, weißen Kleid, ein Myrtenkränzchen im blonden Haar. Eigentlicher Star des Ereignisses war aber nicht das Brautpaar oder der extra engagierte Tölzer Knabenchor, sondern ein spezieller Gast. Die Trauungszeremonie lief bereits, da öffnete sich plötzlich mit lautem Knarren die Tür zur Sakristei, so der Reporter der »Bild am Sonntag«, und die massige Gestalt von Franz-Josef Strauß erschien. »Als der letzte Ton der Orgel verstummt, hat sich der CSU-Vorsitzende Strauß mit einem Gewürzblumenstrauß in der Hand bis zur Höhe des Brautpaares vorgerobbt. Jetzt gratuliert er dem blonden Fußballstar und seiner Frau unter dem Blitzlichtgewitter zahlreicher Fotografen als Erster.«

      Uli Hoeneß war glücklich wie selten. Beflügelt von einer Art Hochzeitseuphorie hatte er gegen Dynamo Dresden im Achtelfinale des Europapokals sein bisher bestes Spiel im Bayern-Trikot absolviert, und dann hielt auch noch der von ihm bewunderte Franz-Josef Strauß spontan eine Rede zum Lob der Dame, die er ausgewählt hatte. »Das war nicht so vorgesehen, es war aus dem Stegreif«, kommentierte er das Ereignis. »Alle waren begeistert, auch die, die politisch nicht seiner Meinung sind.« Er selbst, daran ließ er keinen Zweifel, bekannte sich klar zur damaligen Opposition und ihrem bayerischen Aushängeschild. Er sei zwar kein CSU-Mitglied, wähle diese Partei aber, weil sich in Deutschland einiges ändern müsse und dies nur durch einen Regierungswechsel geschehen könne. Aber sein Faible für Strauß, mit dem er sich ab und an zu einem gemeinsamen Essen traf, hatte auch noch andere Hintergründe. »Ich war eigentlich ein unpolitischer Mensch«, bekannte er einmal. »Aber mein Ziel war klar: Ich wollte nach oben, und da lagen in München Strauß und die CSU natürlich nahe.« Und so wie der CSUAnhänger Hoeneß ein Fan des bayerischen Ministerpräsidenten war, so war das Bayern-Mitglied Strauß ein Fan des aufstrebenen Fußballstars.

      Die vertrauliche Nähe zu einem Mann wie Strauß war genau das, was Hoeneß mit seiner Umtriebigkeit hatte erreichen wollen. Das Dasein als Fußball- und Werbestar befriedigte den Anerkennungshunger des ehrgeizigen Aufsteigers nicht wirklich. Er wollte auch den direkten Kontakt zu hochrangigen und mächtigen Leuten. Die wiederum sperrten sich nicht, sondern begrüßten den jungen Mann freudig als Gleichgesinnten. Nicht nur ein Franz-Josef Strauß erkannte in Hoeneß jenen unerbittlichen Ehrgeiz wieder, der ihn selbst groß gemacht hatte. Hoeneß fand auch Aufnahme in einen erlauchten Kreis von Geldleuten, darunter Rudolf Houdek, der Fleischmagnat, Rudolf-August Oetker, der Chef des riesigen Multikonzerns, die Discounter-Könige Albrecht und die schwerreiche Unternehmerfamilie Snoek. »Ich habe eben die richtigen Partner fürs Leben gefunden, und darauf kommt es an«, frohlockte er mit dem Stolz des Metzgersohns, der einen märchenhaften Aufstieg geschafft hatte. Hier, unter diesen Erfolgsmenschen, fühlte er sich zu Hause und am richtigen Platz. Die gewaltigen unternehmerischen Leistungen, die solche Leute vollbracht hatten, inspirierten ihn. Was er noch brauchte, war eine eigene Position, mit der er sich im Kreis dieser Mächtigen würde profilieren können. Nur Fußballspieler zu sein, und sei es mit noch so vielen Werbeverträgen, genügte jedenfalls nicht. Seine Bescheidenheit, die er geradezu demonstrativ zur Schau stellte, war für ihn kein Widerspruch zu seinen Ambitionen. Mit seiner Ehefrau bewohnte er zunächst noch eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in München, den größten Teil seines Verdienstes, etwa vier Fünftel, sparte er an.

       Geld allein macht nicht glücklich

      Geld verdienen sei nicht das Wichtigste beim Fußball, betonte Hoeneß regelmäßig, wenn er gerade einen großen Erfolg zu feiern hatte. Seine überragende Leistung beim triumphalen 4:0 gegen Atlético Madrid im Europapokal-Finale von 1974, verriet er nach dem Spiel der Münchner »Abendzeitung«, habe rein gar nichts mit den ausgelobten Prämien zu tun. Er sei sich »ganz sicher«, sagte er, »dass die 12.000 Mark, die nach Abzug aller Steuern für jeden von den 30.000 Mark Prämie übrig bleiben, nicht ausschlaggebend waren. Bei allen angenehmen materiellen Begleitumständen meines Berufes waren die Tage von Brüssel ein unvergessliches Erlebnis. Ein Abschnitt in meiner Karriere, den ich nie vergessen werde. Ich hätte weder für mehr noch für weniger Geld in Brüssel besser spielen können.« Das Umrechnen von Brutto auf Netto hatte er über seinem Idealismus freilich doch nicht vergessen.

      Ähnlich ambivalent äußerte er sich wenige Wochen später, als es um die Prämien bei der anstehenden WM-Endrunde ging. Nachdem Franz Beckenbauer mit dem DFB in Malente eine Staffelprämie ausgehandelt hatte, von 15.000 DM (für die Teilnahme) bis 60.000 DM (für den WM-Titel), wurde den Nationalspielern umgehend in bissigen Kommentaren unersättliche Profitgier angelastet. Diese erstmalige Auslobung einer Erfolgsprämie sei eine »zukunftsweisende Sache«, meinte Uli Hoeneß, stellte aber zugleich auch fest: »Wir Profis leben zwar vom Fußball, aber wir denken nicht unablässig ans Geld.« Als dann jedoch die Zuschauer in Hamburg beim mäßigen Vorrundenspiel gegen Australien die »geldgierigen Profis« mit einem gellenden Pfeifkonzert bedacht hatten, kam er ins Grübeln. »Stunden später erinnerte mich ein Zeitungsmann, dass ich so ›nebenbei‹ für das Erreichen der zweiten Finalrunde 25.000 DM (brutto) verdient hatte. Geld beruhigt auch Fußballer. Aber – es macht uns allein auch nicht glücklich.«

      Hoeneß’ Verhalten vor, während und nach der Weltmeisterschaft war tatsächlich wenig geeignet, den Vorwurf der Geldgier zu entkräften. »Wenn wir Weltmeister werden, haben wir zeitlebens ausgesorgt«, äußerte der Jungprofi, der zu diesem Zeitpunkt bereits einen BMW, einen Porsche Carrera und drei Eigentumswohnungen in Ulm besaß, vor dem Turnierbeginn und sorgte damit für große Aufregung. Und die legte sich natürlich nicht, als er in den ersten Spielen nur bescheidene Leistungen brachte, in seiner Freizeit aber fleißig herumtelefonierte, um irgendwelche Geschäfte am Laufen zu halten. Hoeneß hatte sich nachhaltig unbeliebt gemacht, und daran änderte nicht mehr viel, dass er seine Aktivitäten dann stoppte und nach der WM am Lesertelefon der »Bild« bekannte: »Ich hätte auch ohne Geld gespielt.«

      Laut »Stern« verdiente Hoeneß, dessen Jahreseinkommen damals bei rund einer halben Million DM lag, mit seinen Werbeaktivitäten im Umfeld der WM noch einmal so viel. In der »Bild« schrieb er eine kleine Serie, in der er sich selbst ins rechte Licht setzte. Der letzte Absatz der letzten Folge lautete: »Uli Hoeneß, 22, Student und Weltmeister. So begann mein erster Bericht. Dem letzten möchte ich noch ein Detail hinzufügen: Hausbesitzer. Ja, in zwei Wochen ziehe ich in ein eigenes Haus mit Swimmingpool. Ich habe es mir vor der Weltmeisterschaft gekauft – mit 22! Und da sind wir wieder beim Thema: Der Fußball hat es möglich gemacht. Das hört sich großartig an – und auch irgendwie ungerecht (vor allem für einen, der in der Fabrik oder im Büro arbeitet).«

      Nun, Hoeneß arbeitete ja ebenfalls unentwegt, wenn auch nicht in der Fabrik und ohne Büro. Beim Vertrieb eines WM-Buches, das er zusammen mit Paul Breitner


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