Philosophieren mit Dilemmata. Группа авторов
Die Reihe Methoden im Philosophie- und Ethikunterricht ist auf neun Themenbände angelegt, die bis 2023 erscheinen werden:
1 Philosophieren mit Filmen im Unterricht
2 Philosophieren mit Gedankenexperimenten
3 Philosophieren mit Dilemmata
4 Philosophieren mit Bildern und Comics
5 Vom Umgang mit philosophischen Texten
6 Der Einsatz von Spielen im Philosophie- und Ethikunterricht
7 Literatur und Jugendliteratur im Philosophie- und Ethikunterricht
8 Das Sokratische Gespräch im Philosophie- und Ethikunterricht
9 Theatrales Philosophieren, Musik und Videoclips im Philosophie- und Ethikunterricht
▶ Ausführliche Informationen unter: www.philosophie-didaktik.de
Martina und Jörg Peters
Philosophieren mit Dilemmata
Methoden im Philosophie- und Ethikunterricht
Meiner
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische
Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar.
ISBN 978-3-7873-3745-3 · ISBN EPUB: 978 3 7873 3860 3
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Über die Rolle von ethisch-moralischen Dilemmata für den Philosophie- und Ethikunterricht
Martina Peters und Jörg Peters
Dieser Band zum Philosophieren mit Dilemmata richtet sich hauptsächlich an drei unterschiedliche Zielgruppen: Die erste Zielgruppe stellen die Studierenden der Fächer Philosophie, Praktische Philosophie, Ethik, Werte und Normen sowie Lebenskunde – Ethik – Religion (L-E-R) dar, die sich möglicherweise aus didaktischen Gründen erstmals mit Dilemmata auseinandersetzen und sich in diesem Bereich orientieren wollen. Die zweite Zielgruppe, die diese Anthologie erreichen will, sind Referendarinnen und Referendare bzw. Junglehrerinnen und Junglehrer, die gerade ihre ersten praktischen Erfahrungen mit Dilemmata sammeln und daher auf der Suche nach Praxisbeispielen und motivierendem Material für ihre Unterrichtsstunden sind. Zielgruppe drei umfasst all diejenigen, die den Einsatz von Dilemmageschichten im Philosophie- bzw. Ethikunterricht längst als sinnvolle Vorgehensweise in ihr Methodenrepertoire aufgenommen haben und nun ihr Beispielspektrum durch neue Impulse erweitern bzw. sich mit den derzeit diskutierten theoretischen Ansätzen befassen möchten. Darüber hinaus wenden sich natürlich auch Menschen, die philosophisch interessiert sind oder aus beruflichen Gründen mit ihnen konfrontiert werden – man denke beispielsweise an Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal oder Juristinnen und Juristen –, moralischen Dilemmata zu. Auch sie mögen in diesem Band reizvolle Anregungen finden. Allerdings konzentrieren sich die zusammengestellten Beiträge auf den Einsatz im Philosophie- und Ethikunterricht, da die Bücher dieser Reihe auf einen didaktischen Schwerpunkt hin ausgerichtet sind.
Aber was sind überhaupt Dilemmata, und warum besteht in derart vielen Gruppen eine so hohe Motivation, sich damit auseinanderzusetzen? Wenn man im Bereich der Philosophie über Dilemmata spricht, mag man entweder „an mehr oder weniger eng verwandte Schlüsse“1 denken, wie sie in der Logik vorkommen, oder an ethisch-moralische Zwickmühlen, wie sie insbesondere in der Ethik anzutreffen sind. Dass im vorliegenden Buch ausschließlich dem ethisch-moralischen Dilemma Aufmerksamkeit geschenkt wird, liegt daran, dass die Logik im Kanon der zu unterrichtenden philosophischen Teildisziplinen nur eine – wenn überhaupt – untergeordnete Rolle spielt. Dementsprechend besteht derzeit auch kein ausdrücklicher Bedarf, logische Dilemmata für den schulischen Kontext aufzuarbeiten, so dass eine didaktische Auseinandersetzung mit ihr momentan kaum stattfindet. Für das ethisch-moralische Dilemma gilt genau das Gegenteil. Der Einsatz von Dilemmageschichten hat sich als eine wichtige Methode des modernen Philosophie- und Ethikunterrichts etabliert und lässt sich aus ihm ebenso wenig wegdenken wie der Einsatz von philosophischen Texten und Gedankenexperimenten.2
Bevor der Einsatz von ethisch-moralischen Dilemmata im Philosophie- bzw. Ethikunterricht in den Blick genommen wird, soll zunächst ein kurzer Überblick über die verschiedenen Dilemmatypen erfolgen.
Dilemmatypen
Zu unterscheiden sind drei Dilemmatypen, nämlich positive, falsche und negative Dilemmata:
1. Positive Dilemmata sind eigentlich keine richtigen Dilemmata. Bei ihnen stellt sich lediglich die Frage nach dem einzuschlagenden Weg, weil das Ergebnis – egal welches Mittel man wählt – immer das gewünschte sein wird. Man kann sich beispielsweise zwei unterschiedliche medizinisch-therapeutische Maßnahmen vorstellen, deren Anwendungen gleichermaßen zur Genesung einer Patientin oder eines Patienten führen. In diesem Fall ist es daher unerheblich, für welche der beiden Maßnahmen sich die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt entscheidet, da die Patientin bzw. der Patient durch das gewählte Verfahren auf alle Fälle gesunden wird.
2. Wie der Name schon andeutet, handelt es sich bei einem falschen Dilemma ebenfalls um kein wirkliches Dilemma. Es trägt seinen Namen deshalb, weil man die Vorstellung gewinnt, dass es zu einer Streitfrage nur genau zwei sich widersprechende Standpunkte gibt, selbst dann, wenn beide Positionen gar nicht im Widerspruch zueinander stehen oder zumindest eine weitere Handlungsoption angedacht werden kann. Das von Frank Zenker angeführte Beispiel für ein falsches Dilemma, „Wir machen das entweder richtig, oder wir machen das gar nicht“3, zeigt klar, dass die Sprecherin oder der Sprecher erstens überhaupt nur zwei Handlungsmöglichkeiten vor Augen hat, nämlich „es richtig zu machen“4 oder „gar nicht“, und zweitens sie bzw. er keine weitere Handlungsoptionen ins Kalkül zieht, obwohl die Aussage, „es richtig zu machen“, diese durchaus impliziert.
3. Ein negatives Dilemma meint eine Situation, in der eine Person zwischen zwei unerwünschten Alternativen5 eine Entscheidung herbeiführen muss. Die Person weiß also vom ersten Moment an, dass sie sich mit der Wahl von Möglichkeit A nicht nur gegen Möglichkeit B entscheidet bzw. umgekehrt, sondern zugleich die jeweils andere unmöglich werden lässt. Darüber hinaus weiß sie auch, dass es in einer solchen Zwickmühle6 keine – weder für sie selbst noch für andere Beteiligte – irgendwie zufriedenstellende Lösung geben kann bzw. wird. Da sie mit ihrer Wahl in jedem Fall gegen eine von zwei gebotenen moralischen Pflichten verstößt, zieht jede der von ihr in Augenschein genommenen Alternativen unweigerlich negative Konsequenzen nach sich.7 Das Beispiel „Sophies Wahl“ aus dem gleichnamigen Roman von William Styron verdeutlicht das Gesagte: Sophie wird mit ihren beiden Kindern während des Zweiten Weltkrieges nach Auschwitz deportiert. Von einem NS-Offizier wird sie dort vor die Wahl gestellt, entweder beide Kinder in den sicheren Tod zu schicken oder eines von ihnen zu retten. Sie habe – so sagt ihr der sadistische Offizier – die Wahl, zu entscheiden,