Philosophieren mit Dilemmata. Группа авторов
Effektstärken liegt.6
Trotz dieses Erfolgs riet Kohlberg davon ab, sie zu benutzen: „Unsere Forschungsbefunde zeigten an, dass die Operation erfolgreich war […] Der Patient jedoch starb: das heißt, wir kamen ein Jahr später zurück und fanden, dass kein einziger Lehrer weiter Dilemmadiskussionen machte, nachdem ihre Teilnahme an der Forschung zu Ende war.“7 Kohlberg deutet auch den Grund für die Ablehnung durch die Lehrer an. Die Lehrkräfte waren „kaum in der Methode ausgebildet.“8 Den Erfolg verdankten sie also mehr den Leitern der Forschungsprojekte, an denen sie beteiligt waren. Ohne deren Hilfe sahen sie sich offenbar nicht in der Lage, selbst die Dilemmadiskussion durchzuführen. Dafür war die Blatt-Kohlberg-Methode wohl auch zu komplex, worauf Oser und Althof hinwiesen: „Erstens ist die Konstruktion von Dilemmata mit zwei sich wirklich widersprechenden Grundwerten eine äußerst zeitaufwendige Sache […] Zweitens ist es für Lehrpersonen äußerst schwer, das Basismodell der Dilemma-Diskussion durchzuführen: [...] (a) Dilemma-Erfahrung, (b) Kontroverse, (c) +1-Konvention (Konfrontation mit Argumenten, die eine Stufe höher anzusiedeln sind als die Stufe des eigenen Denkens), (d) Prozessreflexion, die notwendig ist, um wirksam in Richtung der nächst höheren Stufe des sozio-moralischen Urteils zu entwickeln. […] Drittens besteht die Gefahr, dass das Argumentationsmaterial einer höheren Stufe, das Lehrpersonen unter Umständen vorbringen, in eine moralisierende Bewertung der Schülerargumente abrutscht.“9 Trotz Kohlbergs Abkehr von der Dilemmamethode gab es für mich zwei wichtige Gründe, an ihr festzuhalten – und sie zu verbessern:
1. Die Blatt-Kohlberg-Methode war bis dahin die einzige Methode, mit der sich die Moralkompetenz effektiv fördern ließ, und zwar viel effektiver, als dies sonst in Interventionsstudien der Fall ist. Mir schien, dass man sie noch effektiver und vor allem besser lehrbar machen konnte, so dass Lehrer sie besser lernen können.
2. Sie nimmt die Teilnehmer als moralische und denkende Wesen ernst. Auch hier, schien mir, konnte noch einiges verbessert werden. Vor allem schien es mir wichtig, den Teilnehmern viel mehr Zeit für die eigene Auseinandersetzung mit Dilemmasituationen zu geben, als dies dort der Fall war.
Die Ziele der Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion®
Die KMDD wurde entwickelt, um die Fähigkeit von (jungen und alten) Menschen zu fördern, Probleme und Konflikte auf der Basis von universellen moralischen Prinzipien durch Denken und Diskussion zu lösen, also das zu fördern, was wir als Moralkompetenz bezeichnen. Diese Fähigkeit stellt eine Schlüsselkompetenz für das Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft dar.10 Fehlt diese Fähigkeit, dann bleibt den Menschen zur Lösung von Problemen und Konflikt nur Gewalt, Betrug und die Unterwerfung unter andere. Die KMDD zielt primär nicht darauf ab, die Teilnehmer mit Ethik vertraut zu machen und zum moralphilosophischen Diskurs zu befähigen. Aber in Dilemma-Diskussionen entsteht meist ein starkes Interesse an moralphilosophischen Fragestellungen und, je nach Thema der Dilemmageschichte, auch an akademischen Fachgebieten, auf das Ethik- und Fachunterricht aufbauen können.
Moralkompetenz setzt sich aus einer Vielzahl von Teilfähigkeiten zusammen, die in Dilemmadiskussionen gebraucht und geübt werden:
¬ | sich der eigenen Moralprinzipien bewusst werden; sie in Worte fassen. |
¬ | Umstände und Fakten einer Situation genau beachten. |
¬ | Die eigenen Prinzipien nach ihrer Wichtigkeit und Angemessenheit unterscheiden. |
¬ | Bei Konflikten zwischen gleichrangigen Prinzipien ein übergeordnetes Prinzip finden, das helfen kann, moralische Konflikte aufzulösen. |
¬ | Den eigenen Standpunkt auch dann vertreten, wenn Gegner anwesend sind und ei- ne andere Meinung vertreten als man selbst. |
¬ | Sich Zeit und Gelegenheit zum Denken und Diskutieren zu nehmen, auch wenn man zeitlich, emotional oder sozial unter Druck steht. |
¬ | andere Meinungen nicht nur zu tolerieren, sondern sie zu schätzen, weil sie einen zur Überprüfung der eigenen Argumente zwingen und dadurch vor Fehlern bewahren können. |
Didaktische Leitideen der KMDD
Bei der Entwicklung der Konstanzer Methode der Dilemma-Diskussion standen fünf lernpsychologische Erkenntnisse über optimale Lernbedingungen Pate11:
I. Maximale Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft
Optimale Aufmerksamkeit wird bei der KMDD durch verschiedene Mittel erreicht. Die wichtigsten sind
a) | das Abwechseln von Phasen der Unterstützung und Herausforderung im Laufe einer KMDD-Sitzung, |
b) | die Selbststeuerung der Diskussion durch die so genannte Pingpong-Regel, |
c) | die Auswahl einer geeigneten Dilemmageschichte, und |
d) | die Grundregel, dass in der Diskussion über die Sache diskutiert wird und nicht über Personen. |
Für die Wirkung der KMDD ist es wichtig, dass die Übungsaufgaben für die Teilnehmer nicht zu einfach und nicht zu schwer sind, also eine mittlere Schwierigkeit besitzen. Wenn man die Lernenden mit zu einfachen Aufgaben unterfordert, lösen sie kaum Lernaktivitäten aus, ebenso wenn man sie mit zu schweren Aufgaben überfordert, was passieren kann, wenn man sie mit Geschichten konfrontiert, in denen eine reale Person vor einer schwierigen Entscheidungen steht. Wir lassen daher nur Geschichten diskutieren, in denen es um eine fiktive Person geht.
II. Wechselnde Phasen der Unterstützung und Herausforderung
Das Abwechseln zwischen Phasen der Unterstützung und der Hausforderung hat sich als der beste Weg herausgestellt, sich an das optimale Lernvermögen der Teilnehmer heranzutasten. Zudem hilft dies, das Aufmerksamkeitsniveau bei allen Schülerinnen und Schülern hoch zu halten. Es hat sich als günstig erwiesen, eine Dilemma-Stunde mit stützenden, helfenden Phasen zu beginnen, dann herausfordernde Phasen einzubauen und diese beiden Phasen während einer KMDD-Sitzung mehrmals zu wechseln. Wie das konkret aussieht, ist im Ablaufschema dargestellt.12
III. Selbststeuerung der Diskussion
Autonomie kann nur gelernt werden, wenn sie praktiziert wird. Daher erfolgt die Moderation bei der KMDD nicht durch den Lehrer oder die Lehrerin, sondern durch die Teilnehmer selbst. Nur auf diese Weise können die Teilnehmer lernen (und Vertrauen darin entwickeln), solche Diskussionen auch dann vernünftig und gewaltfrei zu gestalten, wenn keine Autorität eingreift. Die Selbstmoderation wird durch die Pingpong-Regel gesteuert, bei der derjenige, der gerade gesprochen hat, aus der anderen Gruppen jemanden aufruft, der sich durch Handzeichen meldet, um ihm zu antworten. Die Lehrperson ruft nur den ersten Redner auf, sonst beschränkt sie sich darauf, die Einhaltung der beiden Regeln zu überwachen.
Diese Selbstmoderation