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Familie Liefmann wird enteignet, und in das Haus in der Goethestraße 33 zieht die Gestapo ein. 1941 erreichen Schweizer Freunde und Verwandte, dass die erkrankten Geschwister in eine Klinik nach Morlaas verlegt werden. Robert Liefmann stirbt kurz darauf an den Folgen der Lagerhaft. Martha Liefmann gelingt die Ausreise, Else Liefman flieht mit Hilfe von Freunden über die Berge in die Schweiz. Nach dem Krieg erhält sie das von den Nazis beschlagnahmte Haus in der Goethestraße wieder zurück, bleibt aber in Zürich, wo sie 1970 stirbt.
Seit 2002 dient das Liefmann-Haus der Freiburger Universität als Gästeunterkunft. Am 22. Oktober 2002, dem 62. Jahrestag der Deportationszüge nach Gurs, wird vor dem Haus der Liefmanns zum Gedenken der erste »Stolperstein« in Freiburg verlegt.
Süddeutscher Pionier: Walther Bensemann
Gäbe es vor der Jahrhundertwende bereits den FC Bayern, so wäre er sicherlich Mitglied im Verband Süddeutscher Fußball-Vereine (VSFV), der sich am 17. Oktober 1897 im Karlsruher Restaurant Landsknecht konstituiert hat. Sein Geltungsbereich erstreckt sich bis zum Ende des Ersten Weltkriegs auf das südliche Hessen, Elsass-Lothringen, die heutigen Bundesländer Saarland und Rheinland-Pfalz (bis auf den Raum Koblenz, der zum Westdeutschen Spiel-Verband gehört), Baden, Württemberg und Bayern.
Im »Landsknecht« sind zwar Vereine aus Karlsruhe (FV, Fidelitas, FC Phönix 1894), Pforzheim (1. FC 1896), Heilbronn (FC 1896), Mannheim (Fußballgesellschaft 1896), Hanau (1. FC 1893) und Frankfurt (FC Germania 1894) vertreten, aber keiner aus Bayern und der Metropole München. Dabei wird auch an der Isar längst Fußball gespielt, so u.a. im Männer-Turn-Verein von 1879 (MTV 1879) München, wo sich 1897 auch eine eigene Fußballabteilung (FA) formiert.
Mit dabei ist auch Walther Bensemann, Deutschlands wichtigster Fußballpionier. 1889 war Bensemann, Sohn einer jüdischen Berliner Bankiersfamilie, als Gymnasiast aus der Schweiz nach Deutschland zurückgekehrt, wo er nun als Spiritus Rector der jungen süddeutschen Fußballbewegung wirkt und an einer Reihe von Klubgründungen beteiligt ist: so in Karlsruhe (KFV, Meister von 1910), Freiburg, Baden-Baden, Frankfurt (Kickers, Vorläufer der Eintracht), Straßburg, Würzburg, Gießen, Mannheim und auch in München. Dort lebt Bensemann, wie er selber schreibt, im Jahr 1897 »in jenem Viertel, wo die Schelling- und die Türkenstraße liegen«, also in der Maxvorstadt bzw. im Universitätsviertel, wo auch einige der späteren Bayern-Gründer residieren. Wie aus späteren Zeitungsberichten hervorgeht, mischt Bensemann bei den ersten Emanzipationsversuchen der Fußballenthusiasten im MTV 1879 mit. 1897 konstituiert sich im Turnverein eine eigene Fußballabteilung (FA).
Anlässlich seines 60. Geburtstags im Januar 1933 schreibt die »Münchner Zeitung«: »Wenn man von Pionieren im deutschen Fußballsport spricht, dann darf Walther Bensemann, der Herausgeber des in Nürnberg erscheinenden ›Kicker‹, nicht vergessen werden. (…) Unter den vielen Vereinen, die er mit gründen half, befand sich auch die Fußballmannschaft des MTV v. 1879, die während seiner Studienzeit entstand und die im heutigen DSV weiterlebt. So darf Bensemann auch als Pionier des Münchner Fußballs gelten.«
Der DFB ohne München
Bereits 1898 wird in Süddeutschland eine erste Landesmeisterschaft ausgespielt. Im Finale besiegt der FC Freiburg den Karlsruher FV mit 2:0. Rechtsaußen der Meisterelf ist Gus Manning, links neben ihm, in der Sturmmitte, agiert der 18-jährige Josef Pollack, Sohn des Freiburger jüdischen Kaufmanns Elias »Eduard« Pollack.
Den Vorsitz beim FC Freiburg hatte Manning schon ein halbes Jahr nach der Gründung und dem Abschluss seines Studiums an den aus Berlin stammenden Max George abgegeben. Manning will sich stärker dem Aufbau des süddeutschen Verbandes widmen. Berufliche Gründe verschlagen ihn vorübergehend in das damals noch zum Deutschen Reich gehörende elsässische Straßburg, wo er als Assistenzarzt an der Medizinischen Universitäts-Poliklinik arbeitet und sich dem Straßburger Fußballverein anschließt.
Süddeutschlands erste Fußballmeisterschaft ist nur eine halbe Sache: Bayern und die Stadt München kicken nicht mit, da hier noch immer kein Team dem Verband angehört. Auch als am 28. Januar 1900 im Leipziger Volksgarten der 1. Allgemeine Deutsche Fußballtag zusammenkommt, glänzen Bayern und München durch Abwesenheit. Unter den Delegierten finden sich aber die Gebrüder Manning. Gus als Vertreter des Verbandes der Süddeutschen Fußballvereine, Fred als Vertreter des VfB Pankow. Der FC Freiburg hat Ernst Schottelius nach Leipzig geschickt. Und natürlich ist auch Walther Bensemann nach Leipzig gekommen, als Beauftragter des Mannheimer Fußballbundes sowie der Karlsruher Vereine Phönix und Südstadt.
Der Fußballtag debattiert über die Gründung eines nationalen Dachverbands und die Vereinheitlichung der Spielregeln. Die Teilnehmer sind sich uneins darüber, ob man vor einer Verbandsgründung einheitliche Regeln schaffen soll (wozu die Einrichtung einer Kommission genügt hätte) oder ob man sofort einen Verband gründet, der sich dann mit dem Regelwerk befasst. Gus Manning und seine Süddeutschen plädieren für den Verband, Walther Bensemann, die Leipziger und Berliner für die Kommission.
Schließlich stellen Fred Manning und drei weitere Delegierte einen Antrag zur Abstimmung, der »die Gründung eines allgemeinen deutschen Fußballverbands durch die heutige Versammlung« fordert. Dies ist der Durchbruch, denn der Antrag wird mit 64 zu 22 Stimmen angenommen, und 60 Vereine erklären ihren sofortigen Beitritt zum neuen Verband. Dessen Name übrigens geht auf einen Vorschlag Bensemanns zurück, über den gleichfalls abgestimmt wird: Deutscher Fußball-Bund.
Die Leipziger Versammlung wählt zudem einen elfköpfigen Ausschuss, dessen Vorsitz der Senior unter den Anwesenden übernimmt, der 48-jährige Prager Hygiene-Professor Dr. Ferdinand Hueppe. Auch Fred Manning gehört dem Gremium – trotz seines britischen Passes – als Schriftführer an und wird mit der Ausarbeitung eines Verbandsstatuts nach dem Vorbild der bereits 1863 gegründeten englischen Football Association (FA) betraut. Allerdings legt Manning sein Amt bereits im Oktober 1900 nieder. Sein Bruder Gustav Randolph sitzt in einem Komitee, das einheitliche Regeln für Fußball und Rugby ausarbeitet.
Zwei Juden und ein Preuße
Dass mit München die größte süddeutsche Stadt nicht in den Fußballverbänden vertreten ist, mag Pionier Gus Manning nicht hinnehmen. Noch vor der Gründung des DFB bahnt sich allerdings eine Lösung an. Mit Franz John ist Mannings Mitstreiter aus Pankower Tagen in die bayerische Metropole gezogen. Dort lebt er in der Amalienstraße 62 in der Maxvorstadt; zuvor hatte er sich in Jena zum Fotografen ausbilden lassen. Außerdem residiert seit Anfang 1899 Mannings ehemaliger Freiburger Sturmkamerad Josef Pollack in München. Der jüdische Kaufmannssohn kickt für die Fußballer des MTV von 1879.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die beiden Manning-Vertrauten zusammenfinden. Ein Vierteljahrhundert später, zum 25-jährigen Bestehen des FC Bayern, erinnert sich John daran, wie er in die Münchner Fußballszene eingestiegen ist: »Als ich vor mehr als 25 Jahren nach München kam, war es für mich als alten Fußballer und Rasensportler natürlich eine selbstverständliche Sache, sofort Umschau zu halten, wo kannst du für deinen geliebten Sport tätig sein. Da fand wenige Tage nach meiner Ankunft in München anlässlich einer Sportausstellung auf der Kohleninsel ein Fußballwettspiel zwischen einer kombinierten Mannschaft des bekannten Bensemann gegen den MTV statt.« Die Kohleninsel, auf der sich heute das Deutsche Museum befindet, war damals ein Ausstellungsgelände mit Ausflugslokal.
Das Spiel bietet John »die Gelegenheit, um mit Münchner Fußballern in Fühlung zu treten. Ich machte mich dort bekannt und lernte verschiedene Herren vom MTV kennen. Vor allem war es Josef Pollack (…), der sich meiner in kameradschaftlicher Weise annahm und beim MTV einführte.«
Als Gus Manning von Johns Ankunft erfährt, sieht er seine Chance gekommen. John: »In jener Zeit war mein Freund und Vereinskamerad Dr. Manning bereits Schriftführer des Verbandes Süddeutscher Fußballvereine. Diesem schrieb ich nun, dass ich in München gelandet sei und Mitglied des MTV geworden sei. Fast postwendend bekam ich von Manning einen Brief mit dem ungefähren Inhalt: ›Gott sei Dank, dass du in München bist; denn Bayern, der größte Bundesstaat Süddeutschlands, fehlt uns noch immer in unserem Verbande. Alle unsere Bemühungen, Bayern in den Verband zu bekommen, sind stets fehlgeschlagen. Du musst nun auf jeden Fall alles dransetzen, um den MTV zu veranlassen, dem Verbande beizutreten, dann kommen die anderen von selbst nach und der Süddeutsche