Wyatt Earp Staffel 12 – Western. William Mark D.
Nacht seines Lebens gewesen und hatte seine ohnehin verkapselte Seele völlig verhärtet.
Es war vier Uhr geworden, fünf, und dann wurde die Zellentür geöffnet. Er hörte den harten dröhnenden Schritt Joe Calhouns im Zellengang.
Der Deputy trat vor die Gittertür.
»He, es geht los.«
Ohne ein Wort der Erwiderung hatte sich der Todeskandidat von seiner Pritsche erhoben.
Calhoun schloß die Gittertür jedoch nicht auf, sondern blieb stehen und riß ein Zündholz an, mit dem er sich seinen Zigarrenstummel anzündete.
»Ja, Lead, so ist das nun mal. Wer sich in unserer Welt nicht einfügen kann, der muß sie verlassen. Jetzt baumelst du eben. Es ist nicht schade um dich. Du warst ein Strolch. Na ja, es gibt viele Strolche. Du aber hast einen Mann erschossen. Du hattest kein Recht, den fremden Cowboy niederzuknallen. Wenn du mir jetzt erzählen willst, daß es ein Gunfight war, dann sage ich dir, daß du lügst. Jedem anderen hätte ich es geglaubt. Dir aber nicht: Du bist ein Mörder!«
Alles, was Joe Calhoun sagte, meinte er ehrlich. Er war mehrmals mit Lead zusammengeraten und dabei bisher immer im Recht gewesen. Daß er jetzt nicht im Recht war, wußte er nicht. Jedenfalls war es völlig überflüssig, dem zum Tode Verurteilten auch noch einen Vortrag zu halten. Dabei hatte es Joe Calhoun nicht übel gemeint. Er sagte es, weil er so dachte.
Wie mit Stahlmeißeln hatte sich jedes seiner Worte im Gehirn des Verurteilten eingegraben.
Endlich holte Joe den Verurteilten aus der Zelle heraus, packte ihn mit seiner Riesenpranke am Arm und schob ihn vorwärts. Vorn im Office fesselte er ihm die Hände auf dem Rücken zusammen.
»So, auf geht’s zum Galgenhügel, Junge. Der Sheriff wird gleich kommen, und der Richter muß auch bald da sein.«
Es war ein kühler, unfreundlicher Morgen gewesen, und die Oktobersonne ließ auf sich warten.
Die Sonne – und der Richter.
Sheriff Douglas hockte bereits hinter seinem Schreibtisch, und Calhoun stand an der Tür und starrte auf die Straße. Der Mann, der zum Galgen geführt werden sollte, stand vor der Tür zum Zellengang, an den Händen gefesselt und am Fuß eine Eisenkugel.
Der Richter kam erst gegen sieben Uhr.
Die drei Männer blickten ihn an.
»Bringen Sie ihn zurück«, sagte Salomon Gipps und deutete mit dem Kopf auf den Gefangenen.
Calhoun warf seinem Boß einen kurzen Blick zu und fragte den Richter: »Weshalb, Mr. Gipps?«
»Fragen Sie nicht«, herrschte ihn der Sheriff an. »Wenn der Richter sagt, Sie sollen ihn zurückbringen, dann bringen Sie ihn zurück.«
Calhoun zog die Schultern hoch, nahm dem Gefangenen die Stricke von der Hand und die Eisenkette vom Fußgelenk und führte ihn zurück in die Zelle.
Wie im Traum schritt Jake Lead den kurzen Weg durch den Zellengang zurück, wurde wieder eingesperrt und behielt das Dröhnen der schweren zugeworfenen Gittertür noch lange in den Ohren.
Es war acht Uhr, ehe die drei vor seiner Zelle erschienen.
Inzwischen war es längst Tag geworden, und eine dünne weiße Sonne warf ein fahles Licht auf die Stadt. Nur wenig davon fiel durch die schmale Fensterluke im Zellengang.
Wie drei Bäume standen die Gestalten vor der Zellentür.
»Aufschließen!« gebot der Richter.
Calhoun schloß auf.
Der Sheriff trat auf den Gefangenen zu. »Jake Lead, ich habe Ihnen etwas mitzuteilen. Ihr Todesurteil ist von Richter Gipps in lebenslängliche Strafhaft im Lager Fort Worth drüben in Texas umgewandelt worden.«
Es war drei Herzschläge lang still in dem düsteren Zellengang. Dann fiel nur ein Wort in die Stille hinein; es kam von den Lippen des Verurteilten:
»Weshalb?«
Richter Gipps krächzte: »Wir sind Ihnen darauf keine Antwort schuldig. Aber ich will es Ihnen dennoch sagen. Es haben drei Menschen bei mir für Ihr Leben gebeten. Ein altes Gesetz von Arizona besagt, daß ein Richter verpflichtet ist, nach dem dritten Bittgesuch Gnade walten zu lassen.«
Es gab drei Menschen in dieser Stadt, deren Mitleid er erregt hatte!
Aber in dieser grauen Morgenstunde fand diese Tatsache keinen Weg zum Herzen des Begnadigten. Er sah nur die drei Männer, den Richter, den Sheriff und den Deputy vor sich stehen und schwor ihnen blutige Rache.
Der Tod durch irischen Hanf war ihm für diesmal erspart geblieben.
Calhoun selbst brachte ihn mit schweren eisernen Handschellen gefesselt nach Fort Worth.
Die Zeit in dem Straflager hätte manchen Menschen zur Besinnung kommen lassen. Nicht aber den haßerfüllten Mann aus Fairbanks. Tag und Nacht schmiedete er seine Rachepläne. Erst als er sie völlig klar vor sich stehen hatte, begann er seine Flucht vorzubereiten.
Und nun stand er hier in Fairbanks im Zimmer von Joe Calhoun.
Die Angst, die ihn seit dem Abrutschen von der Fenz erfaßt hatte, wich jetzt wieder dem Haß. Mit brennenden Augen starrte er auf den Körper unter den dunklen Decken.
Dann stürzte er vorwärts und hieb mit der Stichwaffe in wildem Zorn auf den Schlafenden ein.
Nur ein röchelnder Laut war zu hören. Dann war es still.
Als der zweifache Mörder den Gang erreicht hatte, sah er an dessen Ende die Gestalt eines Mannes stehen, deren Konturen sich deutlich vor dem Fenster abzeichneten.
Eisige Angst würgte dem Verbrecher in der Kehle.
Er riß seinen Revolver aus dem Halfter und stieß ihn nach vorn.
Da sah er, daß der Mann das Fenster öffnete. Er hatte ihm also den Rücken zugekehrt.
Lead huschte sofort in das Zimmer zurück und wartete, bis der Mann verschwunden war. Er mußte der Onkel des Deputy gewesen sein.
Die Schritte auf dem Gang waren verklungen, und die Tür war wieder geschlossen worden.
Da verließ der Mörder das Haus.
Er kehrte in den Hof Huntings zurück, packte den Galgen und nahm einen Spaten mit, den er hier aus dem Gerätehaus weggenommen hatte.
In der Mainstreet war es völlig still geworden. Zwar fiel aus den Fenstern von Websters Saloon noch ein schwacher Lichtstreif auf die Vorbauten hinaus, aber das kümmerte den Mörder nicht.
Dicht vor dem Vorbau des Sheriffs Office hob er eine yardtiefe Grube aus. Da hinein stellte er den Galgen und band ihn an dem Geländer des Vorbaus fest.
Von der anderen Straßenseite aus betrachtete er sein Werk mit Befriedigung. Es war ein scheußlicher Anblick. Der Galgen ragte über das niedrige Vorbaudach hinaus und warf seine scharfe Silhouette in den hellen Nachthimmel. Der Mörder hatte nicht versäumt, an den Galgen einen kurzen Strick mit einer Schlinge zu hängen.
Dann stahl er sich davon.
Sein nächster Weg galt einem etwas abseits liegenden Haus am Westende der Stadt. Es war ein zweigeschossiger Bau, der von einem kleinen Garten umgeben wurde: das Haus des Richters Salomon Gipps.
Der entsprungene Sträfling ging um das Haus herum und blickte in den Hof.
Der Hund, der früher hier gewacht hatte, schien nicht mehr da zu sein; er hätte sonst längst angeschlagen. Man konnte früher nicht einmal am hellichten Tag näher als zwanzig Schritt an das Anwesen herankommen, ohne daß das Tier laut gebellt hätte. Und jetzt, in der Nacht, blieb alles still.
Lead stieg über die niedrige Mauer in den Hof und ging auf die hintere Tür des Hauses zu.
Sie war verschlossen.
Auch die beiden Fenster waren verschlossen.
Der