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von den beiden ersten Sektoren angetrieben wird, werden diese bei marktwirtschaftlichen Bewertungen und Regelungen nicht berücksichtigt. Zurzeit ist die Marktwirtschaft oft so aufgebaut, dass sie Fürsorge und Care-Arbeit eher verhindert als fördert – obwohl Studien gezeigt haben, dass Beschäftigte kreativer und produktiver sind, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden.
Zum vierten Sektor, der illegalen Schattenwirtschaft, gehören Drogen-, Sex- und Waffenhandel ebenso wie wirtschaftliche Aktivitäten, die von kriminellen Syndikaten oder Banden kontrolliert werden. In diesem Sektor mangelt es typischerweise an Fürsorge (ganz zu schweigen von den Morden und anderen Gräueltaten, die für ihn charakteristisch sind).
Die Staatswirtschaft bildet den fünften Sektor. Der Staat regelt die Marktwirtschaft durch politische Entscheidungen, Maßnahmen und Gesetze. Außerdem bietet er – entweder direkt oder indirekt über private Unternehmen – Dienstleistungen an, die Care-Tätigkeiten beinhalten, wie zum Beispiel das öffentliche Gesundheitswesen. Doch für unbezahlte Care-Arbeit in Privathaushalten und im Non-Profit-Bereich gibt es in den meisten Staaten nur wenig Unterstützung, obwohl alle anderen Wirtschaftssektoren doch von dieser Arbeit abhängig sind. Außerdem geht Regierungspolitik oft rücksichtslos an den Belangen der Mehrheit vorbei, um die Interessen der Wohlhabenden zu befriedigen, und den meisten Staaten gelingt es nicht, mit ihrer Politik die rücksichtslose Ausbeutung und Verschmutzung unserer Ressourcen zu verhindern.
Dabei ist die Ressourcenwirtschaft, die den sechsten Sektor darstellt, ebenso wie die Haushaltswirtschaft der Privathaushalte von grundlegender Bedeutung, denn unser natürliches Umfeld generiert Rohstoffe, von denen die Marktwirtschaft abhängig ist. Trotzdem findet auch die Natur in herkömmlichen Wirtschaftsmodellen nur wenig Berücksichtigung und dies hat eine Ausbeutung natürlicher Ressourcen zur Folge, deren Auswirkungen durch die Entwicklung immer wirkmächtigerer Technologien zunehmend katastrophaler werden. Lange Zeit wurde Umweltschutz in Wirtschaftstheorien gar nicht berücksichtigt, mittlerweile steht er in Kosten-Nutzen-Analysen üblicherweise auf der Kostenseite.
Die hier beschriebenen sechs Wirtschaftssektoren interagieren beständig miteinander. Wenn wir die Veränderungen herbeiführen möchten, die in unserer Welt heute nötig sind, müssen wir alle diese Sektoren in die Betrachtung miteinbeziehen. Die Herausforderung besteht darin, Wirtschaftsmodelle sowie Maßnahmen und Regeln zu entwickeln, die den ersten, zweiten und sechsten Sektor berücksichtigen und ihnen den gebührenden Wert beimessen – denn das ist die Grundlage für eine Caring Economy, eine Ökonomie, die auf Fürsorge basiert. Wir brauchen ein System, das unseren Bedürfnissen und Fähigkeiten gerecht wird, statt sie auszunutzen, das unsere Mitwelt bewahrt, statt sie zu zerstören, und das unser großartiges Potenzial an Fürsorge und Kreativität zur Entfaltung bringt, statt es einzuschränken.
1.3 Kultur, Wirtschaft und Werte
Wirtschaftssysteme werden von Menschen geschaffen. Sie ändern sich und können geändert werden. Im Lauf der vergangenen 500 Jahre und der technologischen Entwicklung entstanden im Westen unterschiedliche Wirtschaftssysteme. Während des Wandels von einer fast reinen Agrarwirtschaft zur Industriewirtschaft wurde der Feudalismus Schritt für Schritt durch den Kapitalismus und in manchen Ländern durch den Sozialismus ersetzt. Heute befinden wir uns mitten in einer weiteren großen Umwälzungsphase, doch der Übergang von der industriellen in eine postindustrielle Gesellschaft unterscheidet sich von früheren Transformationen.
Dieser Übergang in eine von technologischen Entwicklungen in den Bereichen Elektronik, Biochemie und Nuklearforschung geprägte postindustrielle Gesellschaft vollzieht sich nicht wie frühere Übergänge im Lauf mehrerer Jahrhunderte, sondern innerhalb weniger Jahrzehnte. Und anders als frühere Übergänge wird er bereits intensiv erforscht, noch während er sich vollzieht. Außerdem handelt es sich dabei um eine globale Entwicklung, in deren Rahmen uns immer bewusster wird, dass es so nicht weitergehen kann, weil unsere Zukunft auf dem Spiel steht, wenn wir keine grundlegenden Veränderungen in die Wege leiten.
Historisch gesehen hat die Einführung neuer Technologien auch immer einen gewissen Wertewandel zur Folge gehabt. Zum Beispiel galt in einer Agrargesellschaft Landbesitz als höchstes Gut, was sich mit dem Übergang zur Industriegesellschaft änderte, bei dem Maschinen und andere Anlagegegenstände zunehmend an Wert gewannen.
Doch Werte, die – wie im Beispiel oben – von technischen Faktoren bestimmt werden, sind nur eine (vergleichsweise unbedeutende) Variable in der Gesamtwirtschaftsrechnung. Viel bedeutender und änderungsresistenter sind die zugrunde liegenden kulturellen Werte und die sozialen Strukturen, zu denen die jeweiligen Wirtschaftssysteme gehören. Unsere Vorstellungen davon, was wertvoll ist und was nicht, sind meist unbewusst. Wie wir sehen werden, hängen sie stark von Annahmen ab, die wir aus früheren Zeiten übernommen haben. Damals galt alles, was mit der weiblichen Hälfte der Menschheit assoziiert wurde – wie zum Beispiel Fürsorge und Care-Arbeit – als weniger wertvoll. Heute ist die Gleichwertigkeit von Mann und Frau zu einem westlichen Ideal geworden, und immer mehr Männer lassen sich auf »weibliche« Tätigkeiten ein: So kümmern sich heute zum Beispiel viele Väter in einer Weise um ihre Säuglinge und Kleinkinder, die früher als »unmännlich« gegolten hätte. Dennoch lassen die meisten aktuellen Wirtschaftssysteme immer noch Fürsorge und Care-Arbeit in Familie und Gesellschaft unberücksichtigt, was zu massiver Ungleichheit und zu dysfunktionalen wirtschaftlichen Verhältnissen führt.
Tatsächlich beruht die Absurdität, die unsere Wirtschaft prägt, auf dieser systematischen Entwertung der Tätigkeiten, die am meisten zum menschlichen Wohlergehen und der menschlichen Entwicklung beitragen. So wird der Großteil der Care-Arbeit bei der Messung der Wirtschaftsproduktivität, zum Beispiel bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) oder des Bruttonationaleinkommens (BNE), überhaupt nicht berücksichtigt.15
Und das ist noch nicht alles: Die Wirtschaftspolitik versagt nicht nur darin, Care-Arbeit zu unterstützen, die unbezahlt in Privathaushalten geleistet wird – auch in der Marktwirtschaft erhalten Erwerbstätige in Care-Berufen unterdurchschnittliche Löhne. In den USA sind die Menschen mit Selbstverständlichkeit bereit, einem Installateur, der sich um ihre Abwasserrohre kümmert, 50 bis 100 Dollar pro Stunde zu zahlen, während die Erzieher, die sich um ihre Kinder kümmern, nach Angaben des US-Arbeitsministeriums im Schnitt nur einen Stundenlohn von unter 12 Dollar erhalten.16 Auch setzt man in den USA bei Installateuren eine Ausbildung voraus, während es akzeptiert wird, dass auch Menschen ohne entsprechende Ausbildung in der Kinderbetreuung arbeiten. Das ist nicht logisch, sondern pathologisch, und wenn wir etwas daran ändern wollen, müssen wir über die üblicherweise in Wirtschaftsanalysen betrachteten Bereiche hinausschauen.
1.4 Der Care-Wert
Derzeit wird in der Wirtschaftstheorie davon ausgegangen, dass sich der Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung aus Angebot und Nachfrage ergibt, also knappe Güter oder Dienstleistungen wertvoller sind als solche, die reichlich zur Verfügung stehen. Dabei werden jedoch zwei wichtige Punkte übersehen: Zum einen schaffen die aktuelle Wirtschaftspolitik und -praxis, wie in den folgenden Kapiteln gezeigt wird, häufig künstliche Knappheit. Zum anderen – und auch hierauf wird noch ausführlicher eingegangen – wird die Nachfrage zum großen Teil davon bestimmt, was nach den kulturellen Überzeugungen wertvoll bzw. nicht wertvoll ist.
Sehr viel vernünftiger und realistischer wäre es, Standards für den wirtschaftlichen Wert von Produkten oder Dienstleistungen danach zu bestimmen, ob diese dem Überleben und der Weiterentwicklung der Menschen dienen oder nicht. Nach einem solchen Standard würde einer Care-Kultur – also einer Kultur, die unser Wohlergehen und unsere Entwicklung sowie das Wohlergehen und die Entwicklung unserer Mitmenschen und unserer Mitwelt berücksichtigt – ein hoher Wert beigemessen. Und das gälte auch für Care-Arbeit und die Schaffung menschen- und mitweltfreundlicher Umfelder 17 in Haushalten, Unternehmen, Kommunen und Staaten.
Das bedeutet keineswegs, dass jegliche Fürsorge oder Care-Arbeit finanziell entlohnt werden müsste. Es gibt sehr viele andere Möglichkeiten, wie diese Arbeit anerkannt und belohnt werden kann (und muss) — angefangen von