Feigling oder Führungskraft?. Nicole Pathé
href="#u2a15e6e1-e006-5905-ac0b-a7ef9304be5c">ANHANG
Ein Dankeschön an meine Interviewpartner
Vorwort: Mehr CHARAKTER wagen
Ich beglückwünsche Sie zum Erwerb dieses Buches. Sicher haben Sie es nicht nur aus Neugier gekauft, sondern verbinden einen tieferen Gedanken damit. Vielleicht haben Sie eine Weile gezögert, bis Sie zugegriffen haben. Schließlich ist das Spannungsfeld zwischen Feigling und Führungskraft eine klare Ansage und damit eine Aussage – denn wer möchte schon gerne ein Feigling sein? Für mich bezeichnet es die beiden Enden einer Skala, auf der sich alle Menschen in der Führungsrolle irgendwo befinden.
Wer durch dieses Buch eine kritische Standortbestimmung wagt, um seine nächste Entwicklungsstufe zu erklimmen, ist im Herzen mutig. Er bringt einige wesentliche Qualitäten mit, die eine wirkungsvolle Führungspersönlichkeit ausmachen: den Mut, sich selbst zu erkennen und zu dieser Erkenntnis zu stehen, den Willen, immer besser zu werden, bis man der Beste ist, der man sein kann, und die Fähigkeit aktiven Vorlebens. Dieser Mut und meine Erfahrungen mit Hunderten von Menschen, die unsere Führungsakademie durchlaufen haben, bestätigen: Wer den Mut zur Selbsterkenntnis hat, ist weit davon entfernt, ein Feigling zu sein.
Was jedoch unterscheidet Feiglinge von Führungskräften? Für mich ist es eine Frage des Charakters und damit der Charakterschule, die man nicht nur durchlaufen, sondern wirklich gemeistert haben muss. Denn dies bedeutet den Unterschied zwischen mittlerer Reife und einem Masterdiplom. Die aus meiner Sicht praktisch anschaulichste Didaktik der Charakterschule findet sich in einem Sprichwort:
»Säe einen Gedanken, ernte eine Handlung;
säe eine Handlung, ernte eine Gewohnheit;
säe eine Gewohnheit, ernte einen Charakter;
säe einen Charakter, ernte ein Schicksal.«
Geht man der Charakterfrage gedanklich auf den Grund, entdeckt man unweigerlich zwei extreme Pole: Starrsinn und Wankelmut. Der Starrsinnige verbeißt sich wie ein Terrier in seinen Standpunkt, ganz egal, wie die Umstände und Folgen sind. Wer bei ihm argumentativ den Wind kluger Veränderung sät, wird Sturm ernten. Das Gegenbeispiel liefert manch charakterschwacher Darsteller der Politik: Er wechselt seine Meinungen schneller als ein Chamäleon die Farbe. Der Wankelmütige schließt Bündnisse je nach Stimmung und Windrichtung, manchmal aus Feigheit, manchmal aus Berechnung – zwei Typen, die anders ticken, aber das Gleiche tun. Doch egal ob Bulldozer oder Everybody’s Darling: Beide Extreme lassen Menschen ausbluten.
Die wankelmütigen Strippenzieher gibt es auch in Unternehmen. Früher sollten Führungskräfte forsch vorwärts gehen, Chancen erkennen, Fehler machen, lernen und schließlich gewinnen. Heute sichern sie sich lieber gegen Fallstricke ab und verlieren die Kraft. Denn der Druck, keine Fehler zu machen, hat extrem zugenommen. Konkurrenzkampf und Veränderungsgeschwindigkeit sind enorm. Gesetze und eine strenge Compliance-Kultur sorgen dafür, dass man bei Fehlern noch viele Jahre belangt werden kann. Das ist auch gut so. Charakterschwache Führungskräfte allerdings versuchen jetzt schon im Vorfeld möglichen Versagens, durch »die Fahne im Wind« aus der Schusslinie zu kommen. Ihr Absicherungsstreben schlägt das Chancenstreben. Genau hier fordert Frau Pathé einen dringend notwendigen Kurswechsel ein.
Doch wie kann ich an meinem Charakter arbeiten? Auf jeden Fall wird er durch tiefe innere Überzeugungen geprägt und zeigt sich durch konsequentes Handeln in Form von Gewohnheiten. Darüber, welche Anteile von uns nicht veränderbar sind und welche durch uns selbst bestimmt werden können, herrscht wissenschaftlich Uneinigkeit. In meinen Augen bringt hier das 50:50-Modell die besten Ergebnisse in der Praxis. Natürlich liegt die Kunst darin, zu erfahren, auf welche Hälfte wir zugreifen können.
Gelingt dieser Zugriff, bezieht eine gefestigte Persönlichkeit immer eine klare Position. Sie lässt sich in ihren Haltungen nicht unnötig beirren und vertritt diese klar und offen. Dabei stets reflektiert und selbstkritisch. Denn der Grat zwischen kluger Beharrlichkeit und dummem Starrsinn ist schmal. Genauso konsequent, wie ich zu meinen jetzigen Erkenntnissen stehen kann, sollte ich meine Sichtweise ändern, wenn ich eine neue, starke Erkenntnis habe. Deswegen ist es klug, sich mit den Sichtweisen anderer zu beschäftigen. Wechselt man begründet seinen Blickwinkel, hat das nichts mit Schwäche zu tun, sondern mit Einsicht. Der Sicht des einen. Das verstehen manche nicht. Vor allem, wenn sie primär mit der Bestätigung ihres Selbst und ihrer Daseinsberechtigung beschäftigt sind. So kann es zu dummer Engstirnigkeit kommen.
Natürlich ist Charakter nicht nur eine Sache für Führungskräfte. Er ist die Lebensaufgabe eines jeden Menschen. Doch der Auftrag in der Führung lautet, für ein Klima zu sorgen, in dem eine Charakterschulung ermöglicht wird. Und das ist nicht nur Aufgabe einer Führungskraft, sondern ebenso die der obersten Unternehmensführung. Hier geht es um eine Kultur der Charakterbildung, die Spitzenleistung ermöglicht, einfordert und umsetzt.
Eine solche Kultur wird zuerst durch das Verhalten der Führung sichtbar und dann bei den Mitarbeitern. In charakterarmen Organisationen dominiert eine passive Verantwortung. Charakterstarke Organisationen leben aktive Verantwortung. Passive Verantwortung wartet auf Aufforderung. Darin regiert eine informelle Dynamik von Cliquen, die weniger an Unternehmenszweck und Kundenwerte denken, sondern primär den eigenen, begrenzten Vorteil sehen. Das Verhalten ist rechtfertigend und jedem Eigenrisiko vorbauend. Aktive Verantwortung wird umgekehrt gelebt: Sie wird von sich aus gesucht, gefunden, besprochen, definiert und sinnvoll aufgeteilt. Unternehmen mit charakterfesten Persönlichkeiten sind kundenorientierte Ergebnisfabriken mit vorwiegend aktiver Verantwortung. Doch je größer die Organisation, desto leichter dominiert das Passive. Darin liegt die Gefahr der Charakterschwäche.
Nicole Pathé unterstützt Sie mit diesem Buch auf hervorragende Art und Weise in Ihrer Charakterschule. Ihr Buch zeigt selbst klare Kante und motiviert seine Leser dazu, ebenso zu handeln, auch wenn die derzeit gelebte Praxis mancherorts eine andere zu sein scheint. Denn für alles, was Führen zu einem erlernbaren Beruf macht, benötigen Sie auch eine starke Persönlichkeit. Ich wünsche Ihnen lehrreiche, augenöffnende und unterhaltsame Stunden mit Feigling oder Führungskraft. Viel Freude auf Ihrem Weg zu Ihrer nächsten Entwicklungsstufe!
Boris Grundl (Keynote-Speaker, Managementtrainer und CEO der Grundl Leadership Akademie)
Einleitung: Von der KRAFT zu führen
Kennen Sie die Geschichte von Pinocchio? Der kleinen Holzfigur, die jedes Mal eine lange Nase bekommt, wenn sie lügt? Wäre es nicht praktisch, wenn sich dieses Merkmal auch bei Feiglingen zeigen würde? Sicherlich wäre so manches Unternehmen über die Anzahl langer Nasen erstaunt, vielleicht sogar entsetzt. Aber die Feiglinge in Unternehmen erkennt man nicht an langen Nasen – sie verraten sich vielmehr durch typische Formulierungen, Denk- und Verhaltensweisen. In meiner mittlerweile mehr als 25-jährigen Tätigkeit als Managementtrainerin und Coach sind mir einige Feiglinge über den Weg gelaufen und ich gebe zu, dass auch ich mich schon mehr als einmal feige verhalten habe. Daher kann ich mit Fug und Recht behaupten, mich mit dieser Spezies auszukennen und hier aus dem Nähkästchen plaudern zu dürfen.
Woran erkennt man Feiglinge?
Auf den folgenden Seiten werden Sie einige Erfahrungsberichte aus meiner Zeit als Trainerin, Coach und Führungskraft lesen. Anekdoten über die Jasager, Lügenbarone und Angsthasen in Unternehmen, deren Strategie lautet: »Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.« Jene, die zwar »Ja« sagen, aber »Nein« meinen, die sich nicht trauen, Dinge infrage zu stellen, Schlechtes zu benennen oder Kritik am System zu üben. Jene Führungsverantwortliche, die hinter