No such Future. Friederike Müller-Friemauth

No such Future - Friederike Müller-Friemauth


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und Sammler«. Sie orten dabei aber immer wieder illustre Vorbilder in unternehmerischem Querdenken und haben sich den Titel »Paradoxie-Künstler« inzwischen redlich verdient.

      Auch bei den Management-Vordenkern tut sich was in puncto Zukunft. »Der Blaue Ozean als Strategie« von W. Chan Kim und Renée Mauborgne etwa hat für Aufsehen gesorgt. Beide stammen von der privaten Business School INSEAD (Institut Européen d’Administration des Affaires). Sie bieten eine Methode für unternehmerisches Wachstum, die mit dem klassischen Strategieverständnis gründlich aufräumt. Die Autoren suchen nach Spielregeln jenseits des Horizonts der Betriebswirtschaftler mit ihrem Fokus auf Kunde, Wettbewerb, Marktanteil und so weiter.

      »Was Sie hier sehen, ist möglicherweise die Antizipierung für das, was später kommt.«

      WILFRIED MOHREN

      Und last, but not least ist es die Gründer- und Entrepreneurship-Szene, die innovative und ungewöhnliche Pfade für die Zukunftsvorsorge ausspäht. Günter Faltin gehört dazu, wie auch Ansätze in der Tradition von Saras Saravathy, etwa von Michael Faschingbauer, Stuart Read und anderen. Diese »rebellische« Zukunftsforschung prägt allerdings genauso wenig wie die »seriös«-wissenschaftsnahe Abteilung das Image der Zunft. Dafür sorgt der sichtbare Teil des »Eisbergs«.

      … oder: So (exzentrisch) …

      Der medial tonangebende Teil der Zukunftsforschung ist jedoch ihr populärwissenschaftlicher Ableger: die Trendforschung. Repräsentiert durch immer und überall öffentlich posierende Vertreter mit Star-Appeal.

      Diese Disziplin gibt Fan-Kreisen eine Heimat, die nicht nur dem Morgen auf der Spur sind, sondern darüber hinaus auch nach Orientierung suchen. Denn sie vermittelt einiges, das über rein Zeitlich-Zukünftiges deutlich hinausgeht.

      Und warum ex-zentrisch – also vom Zentrum weg? Mit der Attitüde dieser Trendspezi(e)s verbunden ist immer der Anspruch, der Mittelmäßigkeit zu entkommen und mit eigentümlichen Positionen ungläubiges Staunen zu erzeugen. Ihre Vorbilder sind die Hofnarren. Mit den Schellen Alarm schlagen; dem ganz alltäglichen Wahnsinn den Spiegel vorhalten; durch Brechung des Blickwinkels alles einmal ganz anders erscheinen lassen – das gehört zum Habitus.

      Von ihren hofnärrischen Urahnen haben die Hauptdarsteller der Zunft aber nicht nur den Willen zur Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit übernommen, sondern auch den Spaßfaktor. Weite Teile der Trendforschung widmen sich einer modern unterhaltenden Prophetie: der Trendverkündung. Die Szene gilt als cool. Sie »zieht« und »bedeutet« etwas, und zwar weit über den engen Bereich der Trendkäufer hinaus.

      Propheten der zeitgenössischen Trendforschung

      Protagonisten im deutschsprachigen Raum sind zum Beispiel David Bosshart vom schweizerischen Gottlieb Duttweiler-Institut, »Zukunftstrainer« und Redner wie Sven Gábor Jánszky oder Pero Mićić von der FutureManagementGroup AG oder auch Peter Wippermann vom Hamburger Trendbüro. Während es um Gerd Gerken aus Worpswede, den in den 1980er-Jahren berühmt-berüchtigten Ausrufer von fraktaler Marke und Management by Love, still geworden ist, gibt es jedoch einige Nachrücker: etwa Simonetta Carbonaro, Designmanagement-Professorin-Beraterin für Konsum-Psychologie. Oder Peter Kruse, der kollektive Intelligenz sowie die Errungenschaften der Hirnforschung in Richtung Zukunft extrapoliert.

      »Die Breite an der Spitze ist dichter geworden.«

      BERTI VOGTS

      Gehandelt werden sie wie Stars: Horst Opaschowski, ehemaliger Leiter des BAT Freizeitforschungs-Instituts, wird als Zukunftspapst oder Mr. Zukunft verehrt. Norbert Bolz, Dauergast von Trendkongressen und Talkshows, gilt als Dandy der Medientheorie. Und Matthias Horx, der wohl bekannteste deutsche Trendforscher, hat sich den Ehren-Titel Trend-Guru redlich verdient. Alles Experten für Selbstvermarktung: Die eigene Person zur Marke zu stilisieren ist Pflichtprogramm, Kritik unerwünscht.4

      Nun gehört Klappern bekanntlich zum Handwerk und Marketing zum Berater. So weit kein Grund zur Beanstandung. Was allerdings definitiv nicht dazugehört, sind mitverkaufte Weltsichten und eine teilweise sektenartige Rhetorik. Das öffentlich präsente Bild der Trendforschung entwächst nämlich einer Mischung aus »postmoderner«, im Duktus bedeutungsschwangerer Orakelei vorgetragener neoliberaler Gesellschafts-Phantastereien. Und nicht zu vergessen: einem gehörigen Maß an religiöser Emphase. Die Szene macht vor allem Selbstoptimierungs-Angebote und bedient sich verschiedener Coaching- und Psycho-Techniken, die sich manchmal arg nach »Post-Theologie« anhören, oft aber auch nur simple marktradikale Glaubenssätze nachbeten.5

      Heimlicher Nutzen exzentrischer Trendforschung

      Mit der exzentrischen Trendforschung bekommt man also ein spezielles Weltbild vermittelt. Zugestanden: eines der gehobenen Klasse – stupend lässig, philosophisch angehaucht, mit akademischen Weihen und elaboriertem Sprach-Code. Bloß: Wer will das eigentlich?

      … oder: So (Besser nicht)?

      Ursprünglich war – vernünftig praktizierte – Trendforschung ein integraler Bestandteil von Zukunftsforschung.

      Während zukunftsforscherische Methoden das bearbeiteten, was vor uns liegt, ab einer zeitlichen Reichweite von etwa fünf Jahren, beschäftigte sich Trendforschung als der kleine, gegenwartsnähere Zweig mit Kommendem bis zu einer zeitlichen Reichweite von höchstens zwei bis drei Jahren. Sie registrierte und deutete also in Ansätzen bereits erkennbare Entwicklungen. Daher blieb sie prognostisch bescheiden und stellte den Blick scharf auf interessante neue Fluchtpunkte: Phänomene, die sich aus »frühen Anzeichen« für neue Entwicklungen sehr wahrscheinlich ergeben könnten.

      So verstandene Trendforschung war und ist daher von ihrem Grundgedanken her immer »gerichtet« oder »gerahmt«. Sie steht in Bezug zu einem denkbaren Endpunkt, etwa einer Fragestellung. Einem Interesse. Einem Fokus. Einem Ziel. Auf jeden Fall steht sie: »In Hinblick auf«. Denn Trends sind nicht offen. Das als wahrscheinlich prognostizierte Ziel einer neuen Entwicklung ist zumeist im Trend-Label abgebildet. Modell: Zielscheibe. Trendbeschreibungen – im seriösen Sinn – sind immer gedacht als Darlegungen über neue Entwicklungen »mit Perspektive auf etwas«.

      Methodisch betrachtet sind Trends

      Hilfsmittel der Zukunftsforschung.

      Sie eröffnen neue Blickwinkel und Handlungsmöglichkeiten, indem sie erste »schwache Signale« auf den Punkt bringen, diese Weak Signals innovativ bündeln. Ja gut, und leise Töne der »Nachrichten aus der Zukunft« auch mal überbetonen, überzeichnen. Damit wir auch mitbekommen, welche Spielräume sich auftun – und welche möglichen Abseits-Stellungen …

      Aber: Ohne klare Zielgerade und Fragestellung (Warum? Wozu? Und: Wer zum Teufel will das überhaupt wissen?) flottieren Trends frei im Raum und auf dem prognostischen Spielfeld pausenlos ins Abseits. Sie stehen dann in keinem Passweg, zu nichts und niemandem. Degenerieren zu Kuriositätensammlungen, Marke: »Gut, dass wir darüber gesprochen haben.« Und sind zu allermeist prognostisch völlig nutzlos.

      State oft the Art: Neues aus der Anstalt

      Leider ist bei den medial gehypten, für die Branche charakteristischen Trendreportagen der letzten Jahre genau das der Fall. Präziser: seit den sogenannten »postmodernen« 1990er-Jahren. Ab da mussten wir Zeugen und Leser sein von Trendbüchern, -magazinen und -reports, die ohne jedes perspektivische »Framing« in bunter Folge Auffälliges, Kurioses, Seltsames oder was auch immer aus New York, Witten-Herdecke, Rio, Hamm-Pelkum, Tokio oder Friedrichshafen aufpickten und aneinanderreihten. Motto: Alles so schön bunt hier! Ich kann mich gar nicht entscheiden! Ständig gabs Neues aus den angesagten Szene-Metropolen dieser Welt – locker-fluffig präsentiert und immer mit einem lustigen Label versehen. Mit einem Nutzwert, der oft so unterirdisch war wie viele dieser Trends selbst. Und das alles in monatlichem Turnus gut honoriert auf die Konzern-Tische informationshungriger Entscheider.

      Für den überwiegenden Teil der KMU waren derartige Trendreportagen allerdings immer schon bestenfalls unterhaltsam. Und in der gegenwärtigen Zeit multipler Dauerkrisen ist die Toleranzschwelle für solch talmiartiges Trendgeplänkel im Klein- und Mittelstand noch


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