Verkaufen in digitalen Zeiten. Lars Schäfer

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      Aber ich möchte auch nicht zu sehr schwarzmalen und nun einige ermutigende Beispiele vorstellen, ohne die Augen vor den Risiken der Digitalisierung zu verschließen.

       Google, Facebook, Red Bull und Co. als digitale Trendsetter

      Es sind nicht nur Unternehmen wie Google (mittlerweile umfirmiert in »Alphabet«) und Facebook, die regelrechte Arbeitslandschaften für ihre Mitarbeiter und demnach auch für ihren eigenen Erfolg geschaffen haben. Auch die Red Bull GmbH hat sich im österreichischen Fuschl am See ein Denkmal erbaut, das aus der Vogelperspektive aussieht wie ein überdimensionierter Robinson-Club. Der Erfolg gibt dem Firmengründer Dietrich Mateschitz bislang recht: Ende 2015 betrug der Umsatz 5,9 Milliarden Euro bei weltweit circa 11 000 Mitarbeitern. Bei der Mitteilung des Gewinns hält man sich dort immer sehr bedeckt; allerdings sei der Betriebsgewinn in diesem Jahr wohl so hoch gewesen wie nie zuvor (Quelle: statista.com). Aber warum überhaupt betreibt ein Getränkehersteller solch einen Aufwand? Nun, ganz einfach: weil Red Bull streng genommen gar kein Getränkehersteller im klassischen Sinne ist, sondern nur ein Marketing- und Verkaufsunternehmen. Das Thema »Getränkeabfüllung« wird von externen Dienstleistern erledigt, im Unternehmen selbst braucht es jede Menge Kreativität, um die Marketing-Maschinerie am Laufen zu halten. Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass solch verrückte Aktionen wie zum Beispiel das Red Bull Air Race an einem alten Schreibtisch unter Neonröhrenbeleuchtung entstehen könnten? Die Marken-Macht, die durch solche und weitere Veranstaltungen gefestigt wird, erlaubt dem Unternehmen, seine Getränkedosen zu einem hohen Preis zu verkaufen: Angeblich bleiben nach Abzug der Herstellungskosten satte 70 Prozent vom Verkaufspreis übrig, wovon ein großer Anteil wieder in das Marketing fließt.

      Auch wenn das Beispiel Red Bull nicht wirklich repräsentativ für den mitteleuropäischen Raum sein mag, da die meisten Produkte und Dienstleistungen weniger publikums- und lifestylewirksam sind (30 Tonnen Flachstahl sind eben nicht wirklich sexy), so können wir doch festhalten:

       Die Arbeitswelt und vor allem das Verkaufen werden sich in Zukunft grundlegend verändern. Der klassische Außendienstler, den Sie kennen, wird zukünftig anders arbeiten müssen.

      Konkret: Zehn Kundenbesuche pro Tag an fünf Tagen in der Woche werden der Vergangenheit angehören. Stattdessen werden potenzielle Kunden noch viel gezielter angefahren werden, weil ein Großteil der Vertriebs- und Marketingaktivitäten und die Analyse von Marktteilnehmern, etwa bezüglich des Kaufverhaltens, es erforderlich macht, dass auch im Unternehmen selbst kreative und strukturierte Köpfe tätig sind, etwa im Innendienst. Der Kunde wird sich nicht mehr wirklich um viel kümmern müssen, da die Bestellvorgänge noch weiter automatisiert werden: Der Verkäufer vor Ort entwickelt sich zum hinweisgebenden Prozessbegleiter. In ihrem Buch Touch.Point.Sieg. bemerkt die Marketing-Expertin Anne M. Schüller sinngemäß, dass das Marketing und der Vertrieb aus ihrem jeweiligen Silo-Denken herauskommen müssen, wenn Unternehmen in der neuen Business-Welt dauerhaft erfolgreich sein wollen. Und das unterschreibe ich sofort! Der Kunde von heute ist der alten Werbemethoden überdrüssig und durchschaut mehr und mehr, was falsche Versprechungen sind und welchen Herstellern er Vertrauen schenken kann. Die Zeiten des »Wir kreieren eine Marketing-Maßnahme und Ihr Verkäufer setzt das jetzt mal um« sind definitiv vorbei.

       Digitales Lernen

      Wenn wir noch einmal gemeinsam im Geiste nach Kalifornien ins Silicon Valley reisen, fangen wir an zu verstehen, dass sich gerade viele Dinge grundlegend verändern. Einer der Forschungspioniere dort ist – wie kann es anders sein – Google: Mit Milliarden von Dollar im Rücken, die ja irgendwo investiert werden müssen, arbeitet man an der Pole Position im digitalen Universum. Alle Daten, die unsere Lieblings-Suchmaschine gespeichert hat, werden nun nach und nach zusammengeführt, um den Menschen, um Sie und Ihr Gehirn und Ihr Verhalten, besser zu verstehen. Dass daraus dann weitere Maßnahmen zur Umsatz- und Gewinnsteigerung abgeleitet werden, versteht sich von selbst.

      Ein kleines, aber sinnbildliches Beispiel ist die Wissenschafts-App Science Journal: Diese Anwendung macht sich zunutze, dass in den marktüblichen Smartphones zahlreiche Messgeräte integriert sind. Bislang kann sie die Beschleunigung in alle drei Richtungen des Raumes, den Schalldruck und die Lichtmenge messen. Die Zielgruppen dieser App sind wissenschaftlich und physikalisch interessierte Kinder und auch Schüler und Lehrer. Diese können nun einen eigenen Versuchsaufbau erstellen, zum Beispiel die Beschleunigung eines Körpers auf einer Rutsche, die sich nebenan auf dem Spielpatz befindet. Dass das Smartphone währenddessen natürlich unaufhörlich Daten auf die Google-Server weiterleitet, ist (leider) auch wahr.

       Die schnellste Evolution aller Zeiten

      Paul Otellini, bis 2013 einer der Intel-CEOs, sagte einmal sehr plastisch: »Wenn die Automobilindustrie sich so schnell entwickelt hätte, wie wir bei Intel Prozessoren in den letzten 30 Jahren, dann würde ein Auto etwa 750 000 km/h schnell fahren, man käme mit einem Liter 600 000 km weit und das Auto würde 2,5 Cent kosten.« Während deutsche und europäische Autohersteller noch immer so tun, als wenn das 3-Liter-Auto ein Ding der Unmöglichkeit wäre, und man überdies das Feld der Elektroautos bis auf wenige Ausnahmen dem US-amerikanischen Mischkonzern Tesla Motors überlässt, werden wir technologisch rechts und links überholt wie ein Kleinwagen mit Wohnwagen im Schlepptau, der mit 80 km/h auf der mittleren Spur fährt. Ob Otellinis Aussage verifizierbar ist, kann ich nicht beurteilen, aber eines steht fest: Die Geschwindigkeit, mit der sich die digitalen Evolutionen die Klinke in die Hand geben, ist uns allen in den bisher bekannten Wirtschaftszweigen noch nicht untergekommen.

       Kommt unser Hirn da noch mit?

      Facebook, der Laden mit dem 40 000 qm großen Großraumbüro, der von 1,5 Milliarden Menschen täglich mit Informationen gefüttert wird, arbeitet aktuell (2016) an der Entwicklung künstlicher Intelligenzen: So werden zum Beispiel circa zwei Mrd. Dollar in die Entwicklung einer Virtual-Reality-Brille investiert. Eine Brille, die uns eine eigene Welt vorgaukeln soll; eine Brille, die mittels Sensoren, die an bestimmten Stellen unseres Kopfes angebracht werden, Gefühlsregungen wahrnehmen und in die virtuelle Welt übertragen und mittels elektro-magnetischer Impulse Gefühlsregungen bei uns erzeugen soll. Wie auch immer das dann einmal aussehen mag, wenn es fertig ist: Ich finde es unerhört spannend und gleichzeitig auch ein wenig beängstigend. Denn: Wie reagiert unser Gehirn, und wie werden wir als Menschen auf diese Eindrücke und – ja, nennen wir das Kind ruhig einmal beim Namen – auf diese virtuelle Manipulation reagieren?

      Wer zum Beispiel in den 1980er-Jahren ferngesehen hat, der weiß, was nach heutigen Gesichtspunkten Langsamkeit bedeutet: Da gingen in einem Film zwei Menschen minutenlang eine Straße hinunter. Ohne zu sprechen. Ohne dass irgendetwas explodierte oder implodierte. Einfach so. Wenn Sie eine solche Filmszene einem jungen Menschen präsentieren, der im Jahr 2000 geboren wurde, werden Sie als aktivste Reaktion einen verwunderten Gesichtsausdruck kassieren. Ich glaube, dass dieser junge Mensch, der an sehr viel schnellere Bildwechsel aus den aktuellen Action-Filmen und Games gewöhnt ist, einschlafen wird. Das Beispiel zeigt uns, dass unser Gehirn durchaus in der Lage ist, mehr aus sich herauszuholen und zu leisten, als es bislang leisten musste. Und das ist ja auch wissenschaftlich auch längst belegt. Unser 2000er-Baujahr-Mensch geht viel souveräner mit Multi-Tasking auf relativ hohem Niveau um als etwa die 1970er-Generation. Allerdings ist das, was wir bisher kennen, erst der Anfang der Möglichkeiten, der Anfang der Evolution unserer Gehirne.

       Ziel: das digitale Gehirn

      Wir werden in den kommenden Jahren unser Gehirn neu trainieren und justieren müssen. Die Art des Lernens, des Erfahrens und des Erlebens wird sich fundamental


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