simplicity.. Michael Hartschen
2.6.3Strategie «Konzept übertragen»: Abgucken erlaubt
2.6.3.1 Impulsfragen für die Strategie «Konzept übertragen»
2.6.3.2 Beispiele: Was andere können, können wir auch!
2.7 Wahrnehmen: einfach ein gutes Gefühl
2.7.1Strategie «Zeit gefühlt verkürzen»: Auf die (scheinbar) schnelle Tour
2.7.1.1 Impulsfragen für die Strategie «Zeit gefühlt verkürzen»
2.7.1.2 Beispiele: Let me entertain you
2.7.2Strategie «Bekanntes übernehmen»: Déjà-vu!
2.7.2.1 Impulsfragen für die Strategie «Bekanntes übernehmen»
2.7.2.2 Beispiele: Alles schon mal gesehen
Interview Reza Moussavian, Deutsche telekom
Einfach, damit es nochmals gesagt ist
Es sind immer die einfachsten Ideen, die außergewöhnliche Erfolge haben.
Leo N. Tolstoi
Machen wir die Welt wieder einfacher
Die Welt wird immer komplizierter! Wer sich kürzlich ein neues Paar Jeans besorgen musste, kann ein Lied davon singen. Früher war der Kauf einer Jeans eine denkbar einfache Angelegenheit. Man ging in den Laden rein und entschied sich für eines der fünf zur Wahl stehenden Modelle. Nach zehn Minuten verließ man mit einer passabel sitzenden neuen Hose den Laden wieder – und war zufrieden.
Heutzutage geht dem Kauf einer neuen Jeans ein hoch komplizierter nachmittagsfüllender Entscheidungsprozess voraus, in dessen mehrstufigem Verlauf man gezwungen wird, sich mit Begriffen wie Bootcut, Acid-Wash, Pocket-Stitching, Shotgun-Denim, Hang-Tag, Button-Fly und Tapered Fit auseinanderzusetzen.
Die riesige Auswahl an verschiedenen Schnittformen, Waschungen, Farben und Looks eröffnet potenziellen Jeanskäufern schier unzählige Kaufoptionen. Sie sorgt aber auch dafür, dass die Erwartungshaltung ans neue Produkt ins Unermessliche steigt. «Passabel sitzen» liegt für eine neue Jeans schon lange nicht mehr drin. Perfekt muss sie sitzen – alles andere wäre angesichts des immensen Angebots eine bittere Enttäuschung. Der Jeanskäufer steht bei seiner Entscheidungsfindung plötzlich unter Druck, auch ja die richtige Wahl zu treffen. Das Einkaufen wird anstrengend – Überforderung und Lähmung stellen sich ein.
Dass die Welt immer komplizierter wird, hat auch der Trendradar des Gottlieb Duttweiler Instituts erkannt. So ist gemäß einer Studie des Marktforschungsinstituts A.T. Kearny das Artikelangebot in deutschen Warenhäusern in den letzten zehn Jahren um 20 % und mehr gewachsen: 500 statt 400 verschiedene Kaffee-, Tee- und Kakaopackungen, 750 statt 580 Hygiene- und Säuglingspflegeartikel, 3.400 statt 2.600 Produkte für die Haar-, Haut-, Mund- und Körperpflege.
Diese Entwicklung scheint uns auf den ersten Blick positiv und wirtschaftlich erwünscht zu sein. Die Vielfalt fasziniert uns, wir lassen uns gern von einer möglichst breiten Angebotspalette verführen.
Die beiden US-amerikanischen Forscher Sheena Lyengar und Mark Lepper kamen zu einem anderen Schluss: In einer kleinen Feldstudie bauten sie in einem Delikatessengeschäft in Kalifornien Probiertische auf, wo Kunden verschiedene Marmeladensorten testen konnten. In einer Versuchsanordnung standen 6 Sorten zur Auswahl, in einer anderen 24. Das Ergebnis war überraschend: Beim Tisch mit der großen Auswahl probierten zwar 60 % der Passanten mindestens eine Marmeladensorte, aber noch nicht mal 2 % kauften letztlich ein Glas. Ganz anders das Resultat beim kleinen Tisch: Hier vermochte das überschaubare Angebot zwar nur 40 % der Vorbeigehenden zum Probieren zu verführen, dafür entschlossen sich 12 % zum Kauf – mehr als sechsmal so viel wie bei der größeren Auswahl.
Eine große Auswahl hat also auch seine Nachteile. Wer – um beim obigen Beispiel zu bleiben – aus 24 Marmeladensorten eine auswählt, entscheidet sich zwangsläufig gegen 23 andere. Da ist die Gefahr groß, dass eine der anderen Optionen besser gewesen wäre.
Nun ist es zugegebenermaßen noch lange keine Katastrophe, wenn uns die Quitten-Ingwer-Marmelade tatsächlich etwas besser geschmeckt hätte als die Erdbeer-Holunderblüten-Konfitüre, für die wir uns beim Einkaufen entschieden haben. Aber wie sieht es bei essenzielleren Entscheidungen aus? Bei der Altersvorsorge beispielsweise? Hier können anfallende Opportunitätskosten – also entgangene Erlöse, die dadurch entstehen, dass vorhandene Möglichkeiten zur Nutzung von Ressourcen nicht wahrgenommen werden – durchaus schmerzvoll sein.
Die US-amerikanische Vanguard Group ist einer der weltgrößten Finanzdienstleister. Das Unternehmen beschäftigt ungefähr 15.000 Mitarbeiter, denen als besondere Sozialleistung Investmentfonds zur freiwilligen Altersvorsorge angeboten werden. Nun hat man herausgefunden, dass pro zehn zusätzlicher Investmentfonds, die der Arbeitgeber anbietet, die Teilnahme an der freiwilligen Altersvorsorge um 2 % sinkt. Gegenwärtig sind es rund 50 Investmentfonds, die zur Auswahl stehen. Wären es nur fünf, würden 10 % mehr Mitarbeiter dieses im Prinzip durchaus attraktive Vorsorgeangebot in Anspruch nehmen. Die finanziellen Folgen für die Nichtteilnehmer sind dabei nicht zu unterschätzen: Die Lähmung, sprich die Entscheidungsunfähigkeit aufgrund des zu großen Angebots, führt bei den betroffenen Mitarbeitern gemäß Studie zu Opportunitätskosten von etwa 5.000 Dollar pro Jahr.
Eine lähmend große Produkteauswahl ist das eine – komplizierte Produkte, Dienstleistungen und Verfahren das andere. Wie schädlich zu komplizierte Produkte sein können, wissen wir spätestens seit Mitte der Nullerjahre, als Finanzprodukte, die derart vielschichtig, verflochten und undurchschaubar waren, dass sie selbst von spezialisierten Profis nicht mehr vollständig verstanden wurden, die gesamte Weltwirtschaft in eine tiefe Krise stürzten. «Schließe nur Produkte ab, die du selber verstehst» – dieser von Vernunft und Ratio geprägte Investment-Leitsatz