Projekt Phoenix. Kevin Behr

Projekt Phoenix - Kevin Behr


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      »War Johns Verschlüsselungsänderung im Change-Plan enthalten?«, frage ich.

      Sie lacht humorlos. »Das habe ich doch versucht, dir zu erklären. John folgt nur sehr selten unserem Change-Prozess. Das machen die wenigsten. Es geht hier zu wie im Wilden Westen. Wir schießen meist aus der Hüfte.«

      Verteidigend fährt sie fort: »Wir brauchen mehr Prozesse und mehr Unterstützung von ganz oben, dazu Tools und Training rund um die Prozesse. Jeder hier denkt, dass man seine Dinge nur dadurch erledigen kann, dass man sie einfach macht. So ist mein Job fast unmöglich.«

      In meiner alten Gruppe sind wir bei Änderungen immer sehr diszipliniert vorgegangen. Keiner hat etwas geändert, ohne es nicht vorher allen zu sagen, und wir haben uns ein Bein ausgerissen, um dafür zu sorgen, dass unsere Änderungen nichts kaputt machten.

      Ich bin es nicht gewohnt, so blind zu fliegen.

      »Wir haben keine Zeit, jedes Mal solche Nachforschungen anzustellen, wenn etwas schiefgeht«, sage ich genervt. »Besorge mir bitte eine Liste mit den gemachten Änderungen – sagen wir, der letzten drei Tage. Ohne einen genauen Zeitablauf werden wir Ursache und Wirkung nicht zusammenbekommen und vermutlich gleich wieder solch einen Ausfall verursachen.«

      »Gute Idee.« Sie nickt. »Falls nötig, werde ich jeden in der IT anmailen, um herauszufinden, was sie tun. So bekomme ich auch die Dinge mit, die nicht auf unserem Plan zu finden sind.«

      »Was meinst du mit ›jeden anmailen‹? Gibt es kein System, in das die Leute ihre Änderungen eintragen? Was ist mit unserem Ticket-System oder dem Change-Authoriziation-System?«, frage ich erstaunt. Das ist ja so, als würde Scotland Yard jeden in London anmailen, um herauszufinden, wer in der Nähe eines Tatorts war.

      »Träum weiter«, sagt Patty und schaut mich an, als hätte ich keine Ahnung – was offensichtlich der Fall ist. »Seit Jahren versuche ich, die Leute dazu zu bewegen, unseren Change-Management-Prozess und die Tools zu nutzen. Aber wie John verwendet es keiner. Genauso mit unserem Ticket-System. Alle sind total sorglos.«

      Die Dinge sind ja viel schlimmer, als ich gedacht hatte.

      »Okay, tu, was zu tun ist«, sage ich schließlich und kann meinen Frust kaum verbergen. »Achte darauf, dass du alle Entwickler der Zeiterfassung erwischst, aber auch die Systemadministratoren und die Netzwerkleute. Rufe ihre Vorgesetzten an und erzähle ihnen, wie wichtig es ist, über alle Änderungen Bescheid zu wissen, egal wie unwichtig sie zu sein scheinen. Vergiss nicht Johns Leute.«

      Als Patty nickt, sage ich: »Sieh mal, du bist der Change-Manager. Wir müssen hier besser werden. Wir müssen wissen, was vor sich geht, und dafür brauchen wir irgendeinen funktionierenden Change-Management-Prozess. Sorge dafür, dass jeder seine Änderungen dort durchlaufen lässt, sodass wir ein besseres Verständnis dafür haben, was hier passiert.«

      Zu meiner Überraschung sieht Patty niedergeschlagen aus. »Bill, das habe ich schon versucht. Ich werde dir sagen, was passieren wird. Das Change Advisory Board – das CAB also – wird ein oder zwei Mal zusammenkommen. Und in ein paar Wochen werden die Leute nicht mehr teilnehmen, weil sie ›zu beschäftigt sind‹. Oder sie ziehen ihre Änderungen einfach durch, ohne auf die Genehmigung zu warten, weil ihnen eine Deadline im Nacken sitzt. Wie auch immer, es wird innerhalb eines Monats im Sande verlaufen.«

      »Nicht dieses Mal«, sage ich unnachgiebig. »Verschicke eine Meeting-Aktualisierung an alle Technologiemanager, in der steht, dass die Teilnahme verpflichtend ist. Und wenn sie nicht können, müssen sie eine Vertretung schicken. Wann ist das nächste Treffen?«

      »Morgen.«

      »Ausgezeichnet«, sage ich ehrlich begeistert. »Da freue ich mich drauf.«

      Als ich schließlich nach Hause komme, ist es nach Mitternacht. Ein langer Tag mit vielen Fehlschlägen hat mich ausgelaugt. Im Flur liegen Luftballons herum, und auf dem Küchentisch steht eine halb leere Flasche Wein. An der Wand pinnt ein Bild, auf dem mit Wachsmalstiften steht: »Herzlichen Glückwunsch, Daddy!«

      Als ich nachmittags meine Frau Paige angerufen hatte, um ihr von meiner Beförderung zu erzählen, war sie viel glücklicher als ich. Sie bestand darauf, die Nachbarn einzuladen, um das Ganze zu feiern. Doch weil ich jetzt erst zu Hause bin, habe ich meine eigene Party verpasst.

      Um 14 Uhr konnte Patty erfolgreich zeigen, dass von den 27 Änderungen der letzten drei Tage nur Johns Verschlüsselungsänderung und das SAN-Upgrade mit dem Payroll-Problem in Verbindung stehen konnten. Aber Wes und sein Team waren immer noch nicht so weit, das SAN wieder ans Laufen zu bringen.

      Um 15 Uhr musste ich Ann und Dick die schlechte Nachricht überbringen, dass wir keine andere Wahl hätten, als auf Plan B zurückzugreifen. Ihre Frustration und ihre Enttäuschung waren nicht zu verbergen.

      Die Zeiterfassungsanwendung war um 19 Uhr wieder lauffähig und das SAN erst um 23 Uhr wieder im Netz.

      Kein sehr erfolgreicher erster Tag für einen VP of IT Operations.

      Bevor ich nach Hause fuhr, schrieb ich noch eine E-Mail mit dem Status an Steve, Dick und Ann und versprach, alles Nötige zu veranlassen, damit solch ein Fehler nicht wieder geschieht.

      Ich gehe nach oben, putze mir die Zähne und schaue noch einmal kurz auf mein Telefon, bevor ich ins Bett gehe. Ich fluche, als ich eine E-Mail von unserem PR-Manager sehe mit dem Betreff: »Schlechte Neuigkeiten. Wir sind wohl morgen auf der Titelseite ...«

      Ich sitze auf der Bettkante und lese mit zusammengekniffenen Augen den Text.

       Elkhart Grove Herald Times

       Parts Unlimited verpfuscht Gehaltsschecks, Gewerkschaftsvorsitzender nennt Fehler »unverschämt«

      Der Automobilzulieferer Parts Unlimited kann seine Arbeiter nicht korrekt bezahlen, manche Mitarbeiter bekommen sogar gar kein Gehalt. Das geht aus einem internen Memo hervor. Die in Elkhart Grove beheimatete Firma hat zugegeben, dass es Probleme mit dem korrekten Erstellen der Gehaltsschecks für manche ihrer auf Stundenbasis bezahlten Arbeiter gab, während andere gar kein Gehalt bekommen. Parts Unlimited bestreitet, dass dies mit Liquiditätsproblemen zu tun hätte, vielmehr hätte es einen Fehler im Gehaltsabrechnungs-system gegeben.

      Die früher bis zu vier Milliarden Dollar schwere Firma musste in den letzten Quartalen mit sinkenden Einnahmen und steigenden Verlusten kämpfen. Diese Finanzprobleme, die manche der oberen Führungsebene zuschreiben, haben unter den Arbeitern im Ort zu deutlich wachsenden Ängsten um ihren Arbeitsplatz geführt, weil sie Sorge haben, ihre Familien nicht mehr ernähren zu können.

      Laut dem Memo kann es unabhängig von der Ursache für den Fehler Tage oder Wochen dauern, bis die Mitarbeiter ihren korrekten Lohn erhalten. »Das ist nur die letzte in einer langen Reihe von Management-Fehlentscheidungen, die die Firma in den vergangenen Jahren getroffen hat«, sagt Kelly Lawrence, Chief Industry Analyst bei Nestor Meyer.

      Der CFO von Parts Unlimited, Dick Landry, hat auf Nachfragen der Herald Times zu den Problemen mit der Gehaltsabrechnung, den Buchungspannen und Führungsqualitäten nicht geantwortet.

      In einer Erklärung, die Parts Unlimited veröffentlichte, entschuldigte sich Landry für die »Panne« und gelobte, dass so etwas nicht wieder vorkommen würde. Die Herald Times wird weiter berichten.

      Zu müde, noch irgendetwas zu tun, schalte ich das Licht aus und mache mir eine gedankliche Notiz, mich morgen bei Dick persönlich zu entschuldigen. Ich schließe die Augen und versuche, einzuschlafen.

      Eine Stunde später liege ich immer noch wach und starre an die Decke.

      KAPITEL 4

       Mittwoch, 3. September

      Mit einem Kaffee in der Hand öffne ich um 7:30 Uhr meinen Laptop und hoffe, mit den E-Mails und Voicemails durch zu sein, bevor ich um 8 Uhr mein erstes Meeting habe. Fassungslos starre ich auf den Bildschirm.


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