Projekt Phoenix. Kevin Behr

Projekt Phoenix - Kevin Behr


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die nächste Zeile an: Compliance ist das zweitgrößte Projekt. Und selbst wenn wir nur an der Compliance arbeiteten, würde das die meisten unserer wichtigen Ressourcen für ein ganzes Jahr beschäftigen! Und natürlich gehört dort Brent dazu.«

      Skeptisch sage ich: »Ihr macht Witze, oder? Wenn wir all unsere Projekte auf Eis legen und nur die Audit-Ergebnisse umsetzen würden, wären unsere wichtigsten Leute für ein ganzes Jahr gebunden?«

      »Jepp«, sagt Patty nickend. »Schwer zu glauben, aber es zeigt, wie viel Arbeit in den Audit-Ergebnissen steckt.«

      Ich starre sprachlos auf den Tisch.

      Wenn mir jemand diese Daten während meines ersten Gesprächs mit Steve gezeigt hätte, wäre ich schreiend aus dem Raum gerannt. Es ist noch nicht zu spät, denke ich grinsend, als ich mir dies bildlich vorstelle.

      Mit der mir mittlerweile angewöhnten Ruhe sage ich: »Okay, Wissen ist immer besser als Nichtwissen. Erzählt weiter.«

      Wes schaut wieder auf das Spreadsheet. »Das drittgrößte Thema ist die Arbeit an Problemen und das Beheben von Pannen. Aktuell verbringen unsere Mitarbeiten etwa 75 Prozent ihrer Zeit damit. Und weil es dabei häufig um kritische Businesssysteme geht, müssen solche Zwischenfälle auch immer der Arbeit an anderen Dingen vorgezogen werden – einschließlich Phoenix und dem Abarbeiten der Audit-Ergebnisse.

      Wusstest du übrigens, dass wir gestern, als wir uns mit Brent unterhielten, das Gespräch zwei Mal verschoben haben, weil er bei kritischen Problemen eingreifen musste? Wir haben ihn also bei seiner Arbeit für Phoenix unterbrochen, nur um selbst durch Ausfälle unterbrochen zu werden!«, sagt er lachend.

      Ich beginne ebenfalls zu lachen, höre aber abrupt auf. »Moment. Welchen Ausfall? Warum habe ich davon nichts gehört? Wir können unsere Abteilung so nicht leiten!«

      »Ach, mal wieder ein SAN-Problem, aber nichts Kritisches«, antwortet Wes. »Vor ein paar Monaten ist ein Laufwerk ausgefallen, sodass das SAN ohne Redundanz lief. Als ein weiteres Laufwerk kaputtging, wurde das gesamte Volume heruntergefahren. Brent musste dabei helfen, ein paar der Datenbanken wiederherzustellen, als wir das SAN wieder zum Laufen brachten.«

      Verärgert rufe ich: »Verdammt, Wes. Das hätte man doch verhindern können! Schnapp dir einen deiner Neueinsteiger und lass ihn jeden Tag die Logs nach Laufwerkfehlern durchsuchen. Vielleicht wirft er gleichzeitig direkt einen Blick auf die Laufwerke und schaut, ob alle noch schön blinken. Das heißt nicht umsonst ›Präventive Wartung‹! Wir brauchen Brent bei Phoenix, nicht bei so mickerigem Scheiß wie dem!«

      Wes sagt verteidigend: »Hey, es ist schon ein wenig komplizierter, als du denkst. Wir haben die Bestellung der Ersatzlaufwerke eingereicht, aber sie steckt seit Wochen in der Beschaffungsabteilung fest. Wir mussten schließlich einen unserer Lieferanten anbetteln, dass er uns die Laufwerke sozusagen auf Kredit gibt. Das war nicht unser Fehler.«

      Ich verliere die Geduld. »Wes, hör mir zu: ES INTERESSIERT MICH NICHT! Das Beschaffungswesen ist mir egal. Mir ist auch egal, wie lieb ihr zum Lieferanten sein musstet. Ich will, dass ihr eure Arbeit erledigt. Sorg dafür, dass das nicht wieder passiert!«

      Ich atme tief durch. Mein Frust kommt nicht von dem defekten Laufwerk, sondern weil wir uns nie auf die Dinge konzentrieren können, die für die Firma am wichtigsten sind.

      »Lasst uns das jetzt nicht weiter vertiefen«, sage ich zu Wes. »Aber das mit der täglichen Kontrolle des SAN meine ich ernst. Setze bitte nächste Woche ein Meeting auf, bei dem du, Patty und ich uns den Grund für diese Ausfälle anschauen. Wir müssen sehen, wie wir diese Feuerwehrarbeiten so weit reduzieren, dass wir uns um die eigentliche Projektarbeit kümmern können. Wenn Phoenix nicht läuft, ist die ganze Firma gefährdet.«

      »Ja, das habe ich verstanden. Ich werde versuchen, das noch vor dem Phoenix-Roll-out auf die Reihe zu bekommen«, sagt Wes mürrisch. »Und das mit der SAN-Kontrolle kläre ich heute Nachmittag.« »Gut, zurück zum Spreadsheet«, sage ich.

      Patty beobachtet uns verdrießlich. »Du hast recht. Das zog sich durch alle Gespräche wie ein roter Faden. Keiner schafft es, in Ruhe an seinen Projekten zu arbeiten. Und selbst wenn sie Zeit haben, hadern sie damit, all ihre Verpflichtungen richtig zu priorisieren. Die Businessleute bitten ja andauernd unsere Leute, irgendetwas für sie zu erledigen. Vor allem das Marketing.«

      »Sarah?«, frage ich.

      »Sicher, aber nicht nur sie«, antwortet Patty. »So gut wie jeder Manager in dieser Firma schaut mehr oder weniger häufig bei seinem Lieblings-IT-Mitarbeiter vorbei – entweder um ihn um einen Gefallen zu bitten oder um Druck auszuüben, damit etwas erledigt wird.«

      »Wie können wir das denn ändern, und was brauchen wir, damit all diese Projekte ordentlich abgearbeitet werden?«, frage ich. »Worum sollten wir Steve bitten?«

      Wes scrollt in seinem Spreadsheet nach unten. »Ausgehend von den Zahlen, die wir bisher haben, werden wir wohl sieben neue Mitarbeiter brauchen: drei Datenbankadministratoren, zwei Servertechniker, einen Netzwerktechniker und einen Virtualisierungsspezialisten. Dir ist natürlich klar, dass wir diese Leute erst einmal finden müssen und dass es dann sechs bis zwölf Monate dauert, bis sie voll produktiv eingesetzt werden können.«

      Natürlich. Ich wusste, dass neue Mitarbeiter nicht sofort voll produktiv sind. Aber trotzdem ist es entmutigend, wenn Wes betont, dass echte Hilfe erst in einiger Zeit zu erwarten ist – selbst wenn Steve die neuen Positionen genehmigt.

      Als ich später zu unserem zweiten CAB-Meeting gehe, bin ich hoffnungsfroh. Wenn wir unseren alten Change-Prozess wieder zum Leben erwecken können, sollten wir dazu in der Lage sein, eines der größten Audit-Probleme schnell zu lösen, und gleichzeitig auch selbst etwas davon haben.

      Ich bin zudem begeistert davon, wie gut Patty und Wes zusammenarbeiten.

      Als ich mich dem Besprechungsraum nähere, höre ich laute Stimmen.

      »... und dann hat Patty ihn dafür gefeuert, dass er seinen Job gemacht hat. Er war einer unserer besten Netzwerktechniker. Du hattest das nicht zu entscheiden!«

      Kein Irrtum möglich. Da tobt sich Wes aus. Dann höre ich, wie Patty hitzig antwortet: »Was? Du hast die Kündigung doch unterschrieben! Warum ist das jetzt plötzlich meine Schuld?«

      Es wäre ja auch zu schön gewesen.

      Ich höre John sagen: »Das war der richtige Schritt. Wir haben jetzt seit drei Jahren bei den Audits die gleichen Probleme mit dem Change-Management. Das landet dieses Mal beim Audit-Komitee. Und beim nächsten Mal ist es vermutlich nicht nur ein Techniker, der gefeuert wird, wenn Sie mich fragen.«

      Was? Wer hat John zu diesem Meeting eingeladen?

      Bevor John alles noch schlimmer machen kann, trete ich schnell durch die Tür und sage fröhlich: »Hallo, alle zusammen! Und? Können wir uns ein paar Changes anschauen?«

      14 Personen schauen mich an. Die meisten technischen Leiter der verschiedenen Gruppen sitzen am Tisch. Wes steht vor Wut schäumend hinter seinem Stuhl, während Patty vor dem Beamer steht und die Arme verschränkt hat.

      John sitzt weiter hinten im Raum, seine allgegenwärtige Mappe geöffnet und ganz offensichtlich eigentlich unerwünscht.

      Mit beiden Händen setze ich meinen antiken Laptop ab. Er landet etwas hart auf dem Tisch, und der Akku löst sich, weil das Tape nicht mehr länger klebt. Dann höre ich das kratzende Geräusch einer herunterfahrenden Festplatte.

      Wes’ verärgerter Gesichtsausdruck ist sofort verschwunden. »Wow, Boss, nette Kiste. Was ist das? Ein Kaypro II? So etwas habe ich ja seit 30 Jahren nicht mehr gesehen. Falls du ein 8-Inch-Diskettenlaufwerk benötigen solltest, um CP/M auf dem Rechner zu starten – ich habe noch eines auf dem Dachboden liegen.«

      Zwei der Entwickler kichern ebenfalls. Ich lächle Wes kurz an und bin dankbar für die Ablenkung.

      Ich bleibe stehen und sage zu allen: »Ich will euch erklären, warum ich alle herbeordert habe. Angesichts der Dringlichkeit von


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