Datenschutzgrundverordnung für Dummies. Christian Szidzek
Abgebrühtheit wird Ihnen das – wie wir ja jetzt ebenfalls wissen – sowieso nichts ausmachen. Deshalb lassen wir das.
Manipulation
Angenommen einmal, jemand wüsste wie Sie heißen, wo Sie wohnen, wie alt Sie sind, er wüsste, ob oder wie oft Sie schon verheiratet waren oder nicht, welche perfiden Vorlieben Sie gerade wieder haben, mit wem Sie Ihre Zeit so verbringen, welche Getränke und Speisen Sie bevorzugen, er wüsste um Ihre Lebensentwicklung, das Milieu, in dem Sie aufgewachsen sind, was Sie gelernt oder studiert haben, was Sie kaufen, verschenken und wofür Sie Kredite aufnehmen, was Sie besitzen und erwerben wollen, er wüsste um die Dinge, die Ihnen eher wichtig oder eher unwichtig sind, er wüsste um Ihre Religion oder Weltanschauung Bescheid und Ihre politische Überzeugung und kennt am besten noch Ihren aktuellen Gesundheits- oder Seelenzustand. Wenn Sie glauben, denjenigen gäbe es nicht, fragen Sie Facebook! Wozu glauben Sie, wäre dieser Jemand – wenn er wollte – in der Lage? Sie erhalten hier eine kleine Auswahl zum Ankreuzen. Auswertung gleich im Anschluss. Sie dürfen ankreuzen, aber bitte wieder wegradieren! Sie sind nicht der einzige, der das Buch lesen will:
◽ Beeinflussung Ihres wirtschaftlichen Verhaltens, um Sie auszubeuten
◽ Vortäuschen von Freundschaft oder Liebe, um Sie auszunutzen
◽ Verführung zur Preisgabe von Unternehmensgeheimnissen
◽ Anschwärzen Ihrer Person in der Gesellschaft
◽ Beschädigung Ihrer familiären und sozialen Beziehungen
◽ Klau Ihrer Identität
◽ Angriffe auf Ihren Seelenzustand
◽ Herabsetzung Ihrer Kreditwürdigkeit
◽ Stalking
◽ Ausspähen Ihrer Gewohnheiten zur Weitergabe an Kriminelle oder die Polizei
Lösung: Wenn Sie mindestens ein Kreuz gesetzt haben, sind Sie in Wirklichkeit heilfroh, dass es die DSGVO gibt, auch wenn Sie es vielleicht noch nicht glauben. Wenn Sie kein Kreuz gesetzt haben, waren Sie entweder zu faul, wollten das Buch schonen, oder Ihnen ist bereits sowieso alles egal.
Überwachung
Sie müssen keine dystopischen Fantasien entwickeln, um sich vorstellen zu können, was durch eine flächenüberdeckende Überwachung von Menschen möglich ist. Sie müssen nur nach China blicken. Oder einfach nach Europa selbst. Es ist eine seltsame Ironie, dass das, was in China derzeit erzwungen wird, bei uns freiwillig stattfindet. Dort ist es Zwang, hier ist es Doofheit.
Social Media
Der vielleicht wegweisendste Datenschutzskandal in den letzten Jahren ist der Facebook-Skandal von 2018. Erstmalig wurde hier die Dimension dessen deutlich, was passieren kann, wenn von einem Unternehmen erhobene Daten zu politischen Zwecken missbraucht werden. Von dem Unternehmen Cambridge Analytica sollen Daten von Facebook-Mitgliedern seinerzeit so aufbereitet worden sein, dass diese im Wahlkampf zu einer angeblichen Wählerbeeinflussung geführt hätten. Problematisch ist aus Datenschutzsicht, dass hier die Rede davon ist, dass die fünfzig Millionen Datensätze, um die es ging, angeblich geklaut worden wären. Das ist jedoch beim Facebook-Skandal nicht nur unpräzise, sondern voll und ganz irreführend. Die betroffenen Daten ließen sich bis 2014 regulär gewinnen. Das angebliche Datenleck konnte jeder selbst nachvollziehen, indem er auf ein beliebiges Facebook-Profil ging und über die vorhandenen Likes nachsehen konnte, mit wem der Profilinhaber befreundet war. Die massenhafte Auswertung war vielleicht ein Bruch der Vereinbarung mit Facebook, aber kein Datenklau im strafrechtlichen Sinn. Man musste da ja nicht viel klauen, die Informationen standen allen Mitgliedern frei zur Verfügung. Wir sind es leider oft selbst, die sich durch unüberlegten Umgang mit Informationen über uns zu Objekten von Auswertungen und Manipulation machen.
Social Credits
Wo wir selbst massenhaft Daten über uns ohne Not und nur, um süße Plüschbären von der Tankstelle geschenkt zu bekommen, registrieren und tracken lassen, wird dies in China von staatlicher Seite aus zwingend verlangt. Wahrscheinlich wissen die dortigen Machthaber, dass Chinesen das im Gegensatz zu uns Europäern ohne Zwang nicht mitmachen würden. Das inzwischen etablierte Social-Credit-System in China ist ein Beispiel für Chinas Top-Level-Design – Ansatz (top 设计). Nur wenn Sie als Chinese ausreichende Social Credits erworben haben, können Sie in vollem Umfang am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Gemäß der vom Staatsrat herausgegebenen Planungsskizze für den Aufbau eines Sozialkreditsystems konzentriert sich dieses auf die
Ehrlichkeit in Regierungsangelegenheiten (政务 诚信),
kommerzielle Integrität (商务 诚信),
gesellschaftliche Integrität (社会 诚信) und
gerichtliche Glaubwürdigkeit (司法 剬 信).
Das Social-Credit-System soll unter anderem das Problem des mangelnden Vertrauens in den chinesischen Markt lösen. Befürworter argumentieren, dass dies dazu beitragen würde, Probleme mit Lebensmittelverunreinigung, Betrug und gefälschten Waren in den Griff zu bekommen. Sind das aber nicht auch Argumente, die wir von unseren Politikern zu hören bekommen, um die Überwachung unserer Handlungen zu rechtfertigen? Wie viele Punkte im Social-Credit-System würden Sie erhalten, wenn Sie Ihre Maske im Supermarkt schief aufsetzen? Die Menschen in China sehen sich bereits mit verschiedenen Strafen für die Verletzung von sozialen Vorgaben konfrontiert. Mit dem neuen System wurden bereits neun Millionen Menschen mit niedrigen Werten bei dem Kauf von Inlandsflügen blockiert. Noch im Vorstadium der Einführung des Systems wurde das System verwendet, um Kindern zu verbieten, bestimmte Schulen zu besuchen, nur weil die Eltern nicht linienkonform genug waren. Man verwendet die Ergebnisse, um zu verhindern, dass Leute mit einem angeblich niedrigen sozialen Niveau Hotels mieten, Kreditkarten verwenden und dass Personen, die auf ominösen schwarzen Listen von irgendwelchen persönlichkeitslosen Staatsdienern geführt werden, keine Beschäftigung mehr finden können. Liken Sie also gerne jeden Blödsinn in aller Welt auf allen Plattformen weiter. Früher oder später werden auch unsere Politiker Gefallen an Social Credits finden. Sie wissen ja, was dann auf Sie wartet. Kein Flug mehr heute frei für Leser von Dummies-Büchern nach New York? Dann nehmen Sie einfach den Nachtbus!
Device Fingerprinting
Ebenso wie in der Kriminalistik werden auch in der digitalen Welt Fingerabdrücke verwendet, um Sie zu identifizieren. Das sind aber nicht solche Fingerabdrücke, wie Sie sie bisher kennen. Sie patzen dabei nicht irgendwelche Tintenkleckse mit Ihren Fingern aufs Papier. Über Ihren digitalen Fingerabdruck (Device Fingerprinting) kann man Sie aber ebenso identifizieren, wie über Ihren echten Fingerklecks. Sie hinterlassen beim Surfen im Web nämlich ganz automatisch Spuren, über die man Sie identifizieren kann und die dann, wenn sie zusammengeführt werden, Ihr digitaler Fingerabdruck werden. Dabei kommen alle Technologien, die Informationen über Sie liefern, in Betracht. Man unterscheidet dabei zwischen
passivem Fingerprinting und
aktivem Fingerprinting.
Mit passivem Fingerprinting meint man das Auslesen solcher Informationen, die beim Aufrufen einer Webseite technisch bedingt übermittelt werden. Darunter fallen Informationen über Browsertyp, -version, -einstellungen, IP-Adresse, Hersteller- und Typenbezeichnung des Smartphones, Tablets oder sonstige mobilen Endgeräte.
Beim aktiven Fingerprinting wird zusätzlich ein Programm auf Ihrem Gerät ausgeführt. Informationen können dadurch gezielt vom Empfängersystem ausgelesen