Erlebnispädagogik und ADHS. Benjamin Heller
ergänzt.
Um den Rahmen dieser Arbeit abzustecken, werden einige Begrifflichkeiten eingegrenzt. Auch wenn es andere Medikamente mit dem Wirkstoff Methylphenidat auf dem deutschen Markt gibt, wird nur das Medikament Ritalin weiter genannt werden als präsentester Vertreter von Methylphenidat-Präparaten in Deutschland. Es gibt noch weitere Medikamente, die zu einer Behandlung von ADHS verschrieben werden können. Da diese aber in der Forschung kaum präsent sind oder in Deutschland noch nicht auf dem Markt erschienen sind, liegt der Fokus auf Methylphenidat und anderen, in Deutschland populären Medikamenten. Bei der Diagnostik wird der amerikanische DSM-IV, der zur Diagnostik von ADHS in Amerika andere Richtlinien als der in Deutschland verwendete ICD-10 hat, ausgeblendet. In Deutschland wird zwischen ADS und ADHS unterschieden. ADS meint die Hyperkinetische Störung ohne hyperaktive Komponente. In der Regel wird der Begriff ADHS als Überbegriff für hyperkinetische Störungen nach ICD-10 Kennzeichen F90.-7 verwendet, so auch in dieser Bachelorarbeit. Der Fokus dieser Arbeit liegt auf ADHS bei Kindern und Jugendlichen. Dabei ist die Altersgruppe von sechs bis achtzehn Jahren gemeint, die in der Regel das potenzielle Klientel von EP, aber auch die Zeit, in der Diagnosen besonders oft gestellt werden, darstellt.
Es wird der Begriff Trainer*innen verwendet. Mit Trainer*innen ist dabei die Arbeit als freie Trainer*innen gemeint, welche in der EP üblich ist. Der Begriff wird also als Synonym für die Berufsbezeichnung Erlebnispädagoge und Erlebnispädagogin verwendet, da die Trainer*innen, über die gesprochen wird, eine pädagogische Ausbildung haben oder einschlägige pädagogische Fortbildungen besucht haben.
1 Hoffmann (2012, S. 22).
2 Vgl. Eichenberg (2007, S. 173).
3 Vgl. Gawrilow (2012, S. 21f).
4 Vgl. Schlenker, Schwartz, Grobe und Drougias (2013, S. 3).
5 Lohse und Müller-Oerlinghausen (2019).
6 Vgl. Heckmair und Michl (2018, S. 39).
7 Neben der „Einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung“ (F90.0) gehören dazu noch die „hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens“ (F90.1) sowie „sonstige hyperkinetische Störungen“ (F90.8) und nicht näher bezeichnete hyperkinetische Störungen (F90.9). (vgl. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) unter Beteiligung der Arbeitsgruppe ICD des Kuratoriums für Fragen der Klassifikation im Gesundheitswesen, 2018, S. 217).
2. ADHS – Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung
Kapitel zwei beschäftigt sich mit der Diagnose und dem Auftreten von ADHS bei Kindern und Jugendlichen. Dabei wird die aktuelle Diskussion zur Ursache und Behandlung genauer beleuchtet. Die verschiedenen Positionen, die sich in der akuten Forschung wiederfinden, sollen kurz dargestellt und gegenübergestellt werden. Neben einem kritischen Blick auf die populäre medikamentöse Behandlung mit Methylphenidat werden alternative Behandlungsmethoden und -konzepte betrachtet.
2.1. Definition und Diagnose
ADHS ist die Abkürzung für „Aufmerksamkeits-Defizitstörung mit (oder ohne) Hyperaktivität“.
ADHS ist keine neumodische Erkrankung. In der Vergangenheit waren ihre Symptome unter diversen anderen Bezeichnungen bekannt: Zuerst nannte man die Jugendlichen einfach „Zappelphilipp“. Doch schon seit der Mitte des 20. Jahrhunderts bekam das, was heute als ADHS bekannt ist, einen Namen. Damals hieß die Ansammlung von Symptomen, die man heute als ADHS kennt noch minimal braindamage (MBD), eine Diagnose, die 1963 in die Diagnose minimal cerebral dysfunction (MCD) umgewandelt wurde1. Die Sammlung der Symptome und Definition von solchen als ADHS geschah erst später.
Die drei Kernelemente einer ADHS bilden Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität. Bei Kindern und Jugendlichen manifestieren sich die Symptome meist durch folgende Verhaltensweisen:
Unaufmerksamkeit: Die Kinder sind oft unkonzentriert, was ihnen eine aktive Teilnahme am Unterricht oder auch beim Spielen erschwert. Dadurch entstehen Flüchtigkeitsfehler, es werden häufig Gegenstände verloren oder vergessen und schon kleine Reize können ausreichen, damit das betroffene Kind vom Unterricht abgelenkt wird2.
Hyperaktivität: Die Kinder zappeln herum und haben große Schwierigkeiten, sich ruhig zu verhalten, wenn man es von ihnen erwartet. Die motorische Unruhe manifestiert sich auch durch das Herumrutschen oder das Klettern in unangebrachten Momenten3.
Impulsivität: Die Kinder können nicht abwarten, bis sie an der Reihe sind und unterbrechen deswegen andere Kinder oder präsentieren ihre Ergebnisse und Antworten ungefragt4.
Weiterhin fällt es Kindern und Jugendlichen mit ADHS schwer, schwierige Aufgaben zu Ende zu bringen, die sich erst nach längerer Zeit auszahlen. So fällt zum Beispiel der Gedanke schwer, sich im schulischen Alltag anstrengen zu müssen, um später in Beruf oder Studium erfolgreich zu werden. Stattdessen wird die „Intensität der Gegenwart“5gesucht, da das Aufmerksamkeits- und Belohnungssystem eine Bestätigung durch unmittelbare Befriedigung benötigt.
Diese Symptome werden in dem ICD-10, der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, unter F90.X als hyperkinetische Störungen gesammelt. Der ICD-10 definiert hyperkinetische Störungen als solche, die charakterisiert sind
„durch einen frühen Beginn, meist in den ersten fünf Lebensjahren, einen Mangel an Ausdauer bei Beschäftigungen, die kognitiven Einsatz verlangen, und einer Tendenz, von einer Tätigkeit zu einer anderen zu wechseln, ohne etwas zu Ende zu bringen; hinzu kommt eine desorganisierte, mangelhaft regulierte und überschießende Aktivität. Verschiedene andere Auffälligkeiten können zusätzlich vorliegen. Hyperkinetische Kinder sind oft achtlos und impulsiv, neigen zu Unfällen und werden oft bestraft, weil sie eher aus Unachtsamkeit als vorsätzlich Regeln verletzen. Ihre Beziehung zu Erwachsenen ist oft von einer Distanzstörung und einem Mangel an normaler Vorsicht und Zurückhaltung geprägt. Bei anderen Kindern sind sie unbeliebt und können isoliert sein. Eine Beeinträchtigung kognitiver Funktionen ist häufig, spezifische Verzögerungen der motorischen und sprachlichen Entwicklung kommen überproportional oft vor. Sekundäre Komplikationen sind dissoziales Verhalten und niedriges Selbstwertgefühl“6.
Der ICD-10, der auch in Deutschland zur Diagnostik seine Anwendung findet, unterscheidet zwischen
Einfacher Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung F90.0 und
Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (ADS) F98.8. und
Hyperkinetische Störung verbunden mit Störung des Sozialverhaltens F90.1 und
Sonstige bzw. nicht näher bezeichnete hyperkinetische Störungen F90.8 und F90.9.
Ausgeschlossen werden dabei andere Störungen, bei denen eine teilweise 60-80-prozentige