Schmerz. Isy

Schmerz - Isy


Скачать книгу
Feld pflügte. Jede noch so winzige Kleinigkeit von diesem schrecklichen Tag hat sich unvergesslich in mein Gehirn eingebrannt und ich wünschte, ich könnte vergessen … den Tag vergessen, an dem meinem Leben die Farbe entrissen wurde.

      Es wurde ein Bilderbuchausritt: Der strahlend blaue Himmel war von keiner einzigen Wolke verhangen, ein leichter Wind spielte in unserem Haar und die Pferde waren brav wie immer. Ich fiel vor Lachen fast vom Pferd, als mir Alice von jener Nacht erzählte, in der sie mit Marlon draußen „geschlafen“ hatte. Doch mein Lachen war selbstverständlich nicht bös gemeint! Nachdem unsere Pferde schon längst wieder auf der Weide standen und wir Sattel und Putzkoffer verräumt hatten, fuhren wir wieder mit dem Monster los, da ich meinen Eltern versprochen hatte, heute noch die Wohnung zu saugen und zu wischen. Die Fahrt verlief ohne Probleme, mittlerweile konnte ich mich schon ganz gut Alice’ Lenkbewegung anpassen, und wir kamen pünktlich zu Hause an. „Siehst du, ich hab doch gesagt, wir brauchen uns nicht zu beeilen. Deine Ellis sind eh ausgeflogen“, meinte Alice, während ich abstieg und mich von ihr verabschiedete. „Jaja, aber ich wollte keine Sekunde länger in deiner Gesellschaft verbringen, weißt du?“, neckte ich sie liebevoll und umarmte sie ein letztes Mal. Sie streckte mir elegant und gleichzeitig spöttisch die Zunge raus, startete den Motor und fuhr los, nicht ohne ein letztes Mal zu hupen. Kichernd winkte ich ihr hinterher und ging mit gelassenen Schritten in Richtung Haustür. „Lieber gleich die Hausarbeit hinter uns bringen, gell Amicelli?“, begrüßte ich meine Katze, die mich ebenfalls lautstark begrüßte. Doch weit kam ich nicht, denn keine fünf Minuten später bekam ich eine SMS von Alice. „Hast deine Tasche vergessen, du Chaotin. Komm runter zur Straße, dann bring ich sie dir noch vorbei. Kuss“, las ich und musste schmunzeln. Alice wusste, wie sehr ich meine Taschen liebte und dass es mich fertigmachte, wenn eine aus meiner Sammlung fehlte. Also schmiss ich den Staubsauger in die Ecke, schlüpfte schnell in meine Sommersandalen und stürmte die Straße runter, um meine Tasche in Empfang zu nehmen.

      Natürlich war ich vor ihr da, vertrieb mir aber die Zeit, indem ich mir überlegte, was ich in den Ferien noch so alles tun würde: Stadt mit den Mädels, Kino mit meinen Eltern … Und natürlich abends immer mit Alice telefonieren. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich den Roller erst bemerkte, als Alice lautstark auf die Hupe drückte. Ich sah in ihre Richtung, wollte schon schimpfen, weil sie ihren Helm nicht aufhatte, lachte aber schließlich und winkte ihr zu. Sie hupte erneut, was ich mit dem Formen eines Herzens durch meine Hände, erwiderte. Dann ging alles ganz schnell: Sie wechselte überraschend die Straßenseite, was in unserem kleinen Dorf eigentlich ungefährlich ist – fuhr somit frontal auf mich zu –, löste die Hände vom Lenker und formte mir ebenfalls ein Herz. Das war der Moment, in dem der Lkw sie erfasste. Er hatte sie überholen wollen, und hätte Alice nicht die Seite gewechselt, um schneller bei mir zu sein, hätte er das auch ganz normal tun können. Doch so rammte er sie bei voller Geschwindigkeit. Der Roller überschlug sich mehrfach, bevor er liegen blieb, doch Alice flog weiter, prallte gegen die nächste Hauswand und fiel regungslos zu Boden. Mein Lächeln bröckelte mir aus dem Gesicht, mein ganzer Körper wurde starr. Mehrere Herzschläge lang bewegte sich nichts, die ganze Welt schien in diesem Moment stillzustehen. Doch dann brach die Hölle los: Der Lkw-Fahrer sprang aus seinem Fahrerhaus, das Handy ans Ohr gepresst, und schrie panisch um Hilfe, Anwohner stürmten nach draußen, doch ich konnte mich immer noch nicht bewegen, war wie in Trance, sah Alice’ Lachen und wie sie ein Herz formte … für mich. Noch mehr Augenblicke verstrichen, ohne dass ich mich bewegte, doch schließlich schrie eine Frau hysterisch auf. Dieser Schrei riss mich aus meiner Starre und ich rannte so schnell ich konnte zu der immer größer werdende Menschenmasse. „Lasst mich durch, lasst mich durch! Das ist meine beste Freundin, verdammt, lasst mich durch!“, schrie ich und boxte mich an dem Fahrer vorbei, dem jetzt Tränen über die Wangen liefen. Ich kniete mich neben Alice, deren Körper total verdreht dalag. Aus ihrem Mund floss ein kleiner, harmlos wirkender Blutstrom, doch aus ihrem Kopf schien das Blut nur so herauszuströmen. Ich brauchte kein Medizinstudium, um zu erkennen, dass der Notarzt nicht mehr viel bringen würde. Mein Herz setzte einen Schlag aus, ich war wieder unfähig, mich zu bewegen. Vor meinem inneren Auge spielte sich immer und immer wieder die Szene ab: Alice’ Lachen, wie sie die Straße wechselte, wie sie die Hände vom Lenker nahm, um mir ein Herz zu zeigen. Tränen, die mir in einem nicht enden wollenden Strom aus den Augen rannen, verschleierten meine Sicht. Ich hörte das Gemurmel um mich herum, doch ich blendete es aus. Meine ganzen Sinne waren auf Alice gerichtet. Während ich allen Ernstes dachte, dass sie mir nur einen Streich spielte, nahm ich sie vorsichtig in die Arme. Mit Sicherheit würde sie gleich die Augen aufreißen und lachen. Ich würde mit ihr schimpfen und danach würden wir zusammen lachen. Ich war mir so sicher. Doch nichts dergleichen geschah. Sie blieb einfach nur schlaff und regungslos in meinen Armen liegen. Ich hörte die Sirene des sich nahenden Krankenwagens. Da öffnete sie die Augen. Nur einen Spalt und mit wirrem Blick. Ich drückte ihre Hand, welche sich schwach und kraftlos anfühlte, doch durch die Berührung fand ihr Blick endlich den meinen. Mit jedem Tropfen Blut, der aus ihrem Körper rann, entwich meinen Augen eine Träne und beide Ströme hörten einfach nicht auf. „Hab Angst, lass mich nicht allein, ja?“, wimmerte sie und auch ihr rannen Tränen aus den Augen. Ich hörte, wie mehr und mehr Leute um uns zu schniefen begannen. „Pst … Is’ gut, Süße. Alles gut. Ich bin da! Weißt du noch? Unser Schwur? Wir werden immer füreinander da sein? Ich bin da, du brauchst keine Angst haben“, murmelte ich ihr ins Ohr. Der salzig rostige Geruch von Blut vermischte sich mit dem Geruch ihres Shampoos, und ihre blutigen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Danke … ich …“, röchelte sie, konnte ihren Satz aber nicht beenden, ihr Brustkorb hob und senkte sich viel zu schnell und ruckartig. Ich weinte immer mehr. Um uns herum wurde es jetzt ganz still. Ich sah nichts mehr außer Alice’ schmerzvoll verzogenem Gesicht, hörte nichts außer ihrem verzweifelten Versuch, Luft zu holen. Spürte den Schmerz meiner Knie nicht, die sich weigerten, so lange auf dem harten Asphalt zu knien. Alles, was ich fühlte, war ein leichter Wind, der den unfehlbaren Geruch von Trauer und Schmerz mit sich brachte. Da öffneten sich ihre Augen ein letztes Mal und sie röchelte mit leiser, fast unverständlicher Stimme: „’s tut mir leid … lieb dich und d-d-danke.“ Ich wurde von heftigen Schluchzern geschüttelt, spürte durch das Zittern meines Körpers hindurch, wie sich ihr Körper noch ein letztes Mal anspannte und dann langsam, aber sicher erschlaffte. Ihre Lippen öffneten sich ein winziges Bisschen, als wollte sie lächeln. Blut rann ihr aus Mund, Nase und Ohren, aber ich roch es nicht mehr. Alles, was ich roch, war ihr himmlischer Duft. Der Duft, der für mich immer mit Geborgenheit und Sicherheit in Verbindung gestanden hatte. Plötzlich kam eine heftige Windböe, die Alice und mich umspielte, mir leicht tröstend über die Wange strich und dann verschwand. Mit dem Wind verließ mich auch Alice. Noch ein letzter Atemzug, mein Herz setzte erneut aus, und meine beste Freundin war tot.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAQEBLAEsAAD/4Ra4RXhpZgAATU0AKgAAAAgABwESAAMAAAABAAEAAAEaAAUA AAABAAAAYgEbAAUAAAABAAAAagEoAAMAAAABAAIAAAExAAIAAAAMAAAAcgEyAAIAAAAUAAAAfodp AAQAAAABAAAAkgAAANQAAAEsAAAAAQAAASwAAAABR0lNUCAyLjguMTAAMjAxNDoxMToxOSAxNzoz Njo1NgAABZAAAAcAAAAEMDIxMKAAAAcAAAAEMDEwMKABAAMAAAAB//8AAKACAAQAAAABAAAFiaAD AAQAAAABAAAIxAAAAAAABgEDAAMAAAABAAYAAAEaAAUAAAABAAABIgEbAAUAAAABAAABKgEoAAMA AAABAAIAAAIBAAQAAAABAAABMgICAAQAAAABAAAVfgAAAAAAAABIAAAAAQAAAEgAAAAB/9j/4AAQ SkZJRgABAQAAAQABAAD/2wBDAAgGBgcGBQgHBwcJCQgKDBQNDAsLDBkSEw8UHRofHh0aHBwgJC4
Скачать книгу