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denn bei meinem Einflug schaltete sich die Beleuchtung ein. In blassblauem Licht erkannte ich niedrige Schaltpulte an den Wänden, dunkle Bildschirme und vor den Schaltpulten eine lückenlos rundum führende Metallleiste, deren zirka zwanzig Zentimeter hohe und zehn Zentimeter breite Oberfläche dicht mit weißen, rund zwei Zentimeter hohen Borsten besetzt war.
Das war alles.
Enttäuscht landete ich und schaltete mein Gravojet-Aggregat aus.
»Was sagst du dazu?«, wandte ich mich an Goman-Largo.
Erst, als ich keine Antwort erhielt, sah ich mich um.
Doch mein Modulmann war nicht da.
Ich schaltete das Helmfunkgerät auf maximale Leistung und rief erneut nach dem Tigganoi. Aber auch diesmal bekam ich keine Antwort.
Anfangs glaubte ich an einen Scherz meines Partners.
Doch als sich die beiden Saltics auch nicht meldeten – auch dann nicht, als ich mich direkt an sie wandte –, begann ich zu ahnen, dass es ernst war, bitterernst.
*
Eine Viertelstunde später bekam ich es mit der Angst zu tun.
Ich hatte die Zentrale verlassen und alle Korridore des fremden Raumschiffs durchsucht, ohne Erfolg. Es gab weder eine Spur von der früheren Besatzung noch von meinem Modulmann oder den beiden Saltics.
Eine Weile überlegte ich, ob ich mich an Anima um Hilfe wenden sollte. Ich verwarf es wieder. Erst hatten wir die Hominidin mattgesetzt und uns davongestohlen, da konnte ich doch jetzt nicht um Hilfe bitten.
Aber irgend etwas musste ich unternehmen.
Ich kehrte in die Steuerzentrale zurück, balancierte mit den rechten Gliedmaßen auf den Borsten der Rundumleiste entlang und versuchte, mich mit den Leuchtscheiben, Sensorplatten und Justierungsrollen auf den Schaltpulten vertraut zu machen.
Es wollte mir nicht gelingen. Vielleicht hätte ich durch Herumprobieren herausbekommen, welchem Zweck diese Dinge dienten, aber davor schrak ich zurück. Nicht, weil ich um mich selbst gefürchtet hätte, sondern weil ich fürchtete, etwas auszulösen, das meinen Gefährten schaden könnte.
Schließlich aber wusste ich mir doch keinen anderen Rat mehr, als einen Versuch zu wagen.
Ich ging sehr langsam vor. Aber als zirka hundert Kontrolllampen leuchteten und auf rund dreißig Monitoren das – wenn auch für mich unverständliche – Innere von Aggregaten zu sehen war, wurde ich mutiger.
Ich hämmerte mit den versteiften Tastfäden meiner Vordergliedmaßen wahllos auf den Leuchtscheiben und Sensorplatten von fünf Schaltpulten herum.
Mit erstaunlichem Erfolg.
Plötzlich leuchteten über der untersten Bildschirmreihe Wandung und Decke der Zentrale gleich der Kuppel eines Tempels auf. Es schien sich um einen einzigen riesigen Bildschirm zu handeln.
Unwillkürlich erwartete ich, darauf die STERNENSEGLER, die gelbrote Sonne Muruth und vielleicht auch noch den Planeten Cirgro zu sehen. Aber alles, was ich darauf entdeckte, war eine scheinbar bis ins Unendliche reichende dunkelblaue Platte aus glasartig aussehendem Material, das von Myriaden von Sprüngen durchzogen war.
Ich zog meine Sensorstäbchen ein, fuhr sie wieder aus und betastete sie mit den Tastfäden meiner Vordergliedmaßen. Sie schienen in Ordnung zu sein.
Bis auf den Umstand, dass sie etwas wahrnahmen, was es gar nicht gab. Schließlich wusste ich genau, was sich außerhalb des fremden Schiffes befand.
Ich war ja von außerhalb gekommen.
Mit einemmal wusste ich, was ich zu tun hatte. Es war das einfachste von der Welt. Ich brauchte nur das fremde Schiff zu verlassen, um festzustellen, ob es dort den Weltraum oder eine unendlich große, dunkelblaue Platte gab.
Gesagt, getan!
Nach einem letzten Rundblick verließ ich die Zentrale wieder. Die angrenzenden Korridore waren dunkel wie zuvor, aber ich hatte ja meine leistungsfähige Lampe, die schon fast ein kleiner Scheinwerfer war. Ihr Licht reichte völlig aus, obwohl ich auch ohne ausgekommen wäre.
Ich schaltete wieder mein Gravojet-Aggregat ein und flog los. Doch anscheinend hatte ich bei den Kreuzungen nicht besonders gut aufgepasst, denn als ich dachte, die Schleuse erreicht zu haben, durch die meine Gefährten und ich hereingekommen waren, tauchte statt dessen eine weitere Kreuzung auf.
Ich nahm es nicht tragisch und flog unverdrossen weiter. Aber als nach jener Kreuzung die nächste auftauchte und danach die übernächste, wurde mir doch allmählich mulmig.
Dennoch konnte ich mich nicht dazu überwinden, mein Helmfunkgerät auf Hyperwelle zu schalten und nach Anima zu rufen. Wenn ich das tat, so fürchtete ich, würde sich schließlich herausstellen, dass ich mich nur in den Korridoren verflogen hatte und dass Goman-Largo und die beiden Saltics sich vorübergehend in einem gegen Normalfunkwellen abgeschirmten Raum befunden hatten. Dann wäre ich schön blamiert gewesen.
Also suchte ich weiter.
Und plötzlich tauchte das Innenschott der Schleuse wenige Meter vor mir nach einer Biegung auf!
Meine Haut dampfte förmlich vor Erleichterung.
Der Gedanke, dass Goman-Largo die Schleusenschotte mittels Module geöffnet und geschlossen hatte, ernüchterte mich wieder, aber nicht sehr. Als weitgereiste Parazeit-Historikerin hatte ich es schließlich schon mit allen möglichen und unmöglichen Schleusen zu tun gehabt, sogar mit Zeitschleusen.
Mit Zeitschleusen?, wiederholte ich in Gedanken.
In meinem Bewusstsein entstanden die Bilder vieler unterschiedlicher Zeitschleusen, durch die ich kreuz und quer durch beinahe unzählige parallele und nichtparallele Zeitebenen gestiegen war.
Doch plötzlich war ich mir nicht sicher, ob das den Tatsachen entsprach oder ob es sich um erfundene Wirklichkeiten handelte. Allerdings, diese Vielfalt der Zeitschleusen war schon so phantastisch, dass nur die Wirklichkeit sie geschaffen haben konnte. Kein einzelnes Bewusstsein hätte sie sich frei auszudenken vermocht.
Außerdem war ich Parazeit-Historikerin. Folglich gehörte es zu meinem Beruf, parallele Zeitebenen zu erforschen – und zwar solche, die real existierten. Das war der Beweis dafür, dass ich sie mir nicht nur ausgedacht hatte.
Ich griff auf meine reichhaltigen Erfahrungen mit Schleusen aller Art zurück und machte mich mit versteiften Tasthaaren an dieser Schleuse zu schaffen.
Meine Zuversicht wurde belohnt.
Nach wenigen Minuten hatte ich den Bedienungsmechanismus durchschaut.
Das Innenschott öffnete sich.
Ich trippelte in die Kammer, verschloss das Innenschott und öffnete das Außenschott.
Das Öffnen wurde etwas verzögert, bis die Kammer luftleer war, dann glitten die Schotthälften auseinander.
Ich stieß mich ab und schwebte in die offene Schleusenkammer der STERNENSEGLER hinein.
Das dachte ich jedenfalls.
Doch da war keine Schleusenkammer – und da war auch keine STERNENSEGLER.
Da war nur eine scheinbar nach allen Seiten bis in die Unendlichkeit reichende dunkelblaue Platte aus glasartigem, von unzähligen Sprüngen durchzogenem Material, das von innen heraus schwach leuchtete – und da war die Schleusenkammer, aus der ich soeben gekommen war.
Nur befand sich diese Schleusenkammer nicht in einem Raumschiff – weder in dem fremden noch in unserem –, sondern im Mittelpunkt der dunkelblauen Platte.
Eine lange Zeit schwebte ich auf der Stelle über der Öffnung der Schleusenkammer unter mir. Erst dann sickerte allmählich das Begreifen in mein Bewusstsein.
Das Begreifen, dass ich soeben durch eine Zeitschleuse gegangen war – und zwar nicht durch eine, von der ich nicht genau wusste, ob sie real existierte oder nur in meiner Einbildung.
Denn