Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans Kneifel

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel


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er ohnehin alles aufgegeben, was bisher sein Dasein bestimmte.

      Stimmen wurden laut. Tolden stutzte. Dem Lärm nach zu schließen, marschierte draußen die halbe Mannschaft des Frachters auf. Sie waren bestimmt nicht gekommen, um mit ihm auf gute Freundschaft anzustoßen.

      »Wir haben genug von dir, Tolden. Wir wollen, dass du von Bord verschwindest.«

      Beipflichtende Rufe erklangen. Der Daila konnte sich vorstellen, dass die Ngomis sich gegenseitig anstachelten. Und vermutlich war Chrrtl der Rädelsführer.

      »Du bist für alles verantwortlich. Gib es zu!«

      Verschwindet!, dachte Tolden. Ich will weiter nichts als in Ruhe gelassen werden.

      Schmerzensschreie erklangen draußen. Dann trat Stille ein. Dem Daila wurde klar, dass seine telekinetischen Fähigkeiten die Ngomis vermutlich gehörig durcheinandergewirbelt hatten.

      Die Gewissheit, dass sie ihm nichts anhaben konnten, beruhigte ihn ein wenig.

      Zögernd öffnete er das Schott. Der Korridor schien leer zu sein. Zumindest rührte sich nichts mehr.

      Tolden hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Auf jeden Fall stellte der augenblickliche Zustand keine Lösung dar. Da die STERNENLEUCHTEN noch etliche Tage unterwegs sein würde, musste ein Kompromiss gefunden werden.

      Fauchend schlug ein Thermostrahl neben ihm in die Wand; Glut verspritzte nach allen Seiten. Der Schütze stand keine zehn Meter entfernt in einem halbgeöffneten Raum. Instinktiv sprang Tolden zurück, und ein zweiter, scharf gebündelter Glutstrahl verfehlte ihn nur um wenige Zentimeter.

      Bevor die Meute heran war, ließ der Daila das Schott zugleiten. Er wusste, dass er in der Falle saß. Die Besatzung der STERNENLEUCHTEN gab endgültig ihm die Schuld an allen Vorfällen. Die Männer und Frauen fragten nicht nach dem Grund, für sie zählte nur, was sie mit eigenen Augen sahen, und das war mehr als genug. Im Grunde genommen brauchten sie nur abzuwarten und ihn auszuhungern. Einige Tage, dachte Tolden besorgt, dann gibt es keine Wahl mehr für mich, dann muss ich sie angreifen, wenn ich mich selbst retten will.

      Noch gehorchten ihm seine neuen Fähigkeiten nur unvollkommen, und vieles, was geschah, war mehr oder weniger zufallsbedingt. Tolden bemühte sich, den Öffnungsmechanismus zu zerstören, doch war er anscheinend zu aufgeregt, um sich richtig zu konzentrieren. Draußen beratschlagten die Ngomis – jeden Moment konnten sie das Schott öffnen. Tolden zögerte nicht länger. Er nahm den Glücksstein und schleuderte ihn gegen die Schaltplatte. Ein verhaltenes Zischen ertönte, als der Kristall sich durch die Abdeckung hindurchfraß und Schaltkreise und Relais zerschmolz.

      Von selbst, wie von einer magnetischen Kraft angezogen, kehrte der Glücksstein dann zu dem Daila zurück. Es mussten Toldens Psi-Kräfte sein, die diese Affinität bewirkten.

      Er ließ sich auf das Bett sinken und vergrub das Gesicht in den Handflächen. Ihm war übel. Eine eigenartige Leere breitete sich in ihm aus. Was immer er tat, es würde sich letztlich gegen ihn selbst richten. Dabei wollte er nichts anderes, als in Ruhe gelassen zu werden.

      Fauchende, zischende Geräusche erklangen vom Schott her. Die Besatzung versuchte, den Zugang aufzuschweißen. Schon entstand auf der Innenseite ein winziger, heller Glutfleck, der sich rasch ausweitete. Verflüssigte Metalllegierung tropfte zu Boden.

      Wenige Minuten noch, dann würde der Mob die Kabine stürmen. Gebannt starrte Tolden auf die Schnittlinie, die soeben zum zweiten Mal annähernd rechtwinklig abbog und sich zitternd weiterfraß.

      Der Glücksstein pulsierte heftiger. Da seine Hitze nachgelassen hatte, hängte der Daila ihn sich wieder um den Hals.

      Sie sollen mich endlich in Ruhe lassen!, durchzuckte es ihn. Sie sollen verschwinden!

      Ein Knirschen durchlief das Schott. Es wölbte sich konkav auf, begann zugleich an seinen Verankerungen zu zerren und löste sich innerhalb von Augenblicken, begleitet von ohrenbetäubendem Krachen, aus der Wand.

      Schrille Schreckensschreie wurden laut. Die Männer und Frauen der Besatzung versuchten zu fliehen, als der schwere Metallflügel langsam nach außen kippte.

      »Da seht ihr es!«, kreischte Chrrtl. »Er steht mit allen bösen Mächten im Bund.«

      Mehrmals löste das Vogelwesen seinen Thermostrahler aus, ohne in der Erregung jedoch zu treffen. Die Schüsse setzten die Kabineneinrichtung in Brand. Nur zum Teil wurde der sich entwickelnde dichte Qualm von der Umwälzanlage abgesaugt, die verbleibenden Schwaden erschwerten Tolden das Atmen.

      Er musste raus, um den Angreifern zuvorzukommen, dann besaß er womöglich noch eine Chance. Als Chrrtl erneut die Waffe hob, warf Tolden sich nach vorne. Er konzentrierte sich auf den Strahler, dessen Lauf daraufhin in die Höhe ruckte. Der nächste Schuss fraß sich fauchend in die Decke und verursachte einen wahren Funkenregen.

      Tolden achtete nicht darauf. Er hatte seinen Widersacher erreicht und schlug ihm die Strahler aus der Hand. Chrrtl war zu überrascht, um sich ernsthaft zur Wehr zu setzen.

      Sekundenbruchteile später traf Tolden ein dumpfer Schlag in den Rücken. Die Beine versagten ihm den Dienst. Er stürzte, blieb verkrümmt liegen. Von der Hüfte an abwärts wurde sein Körper gefühllos.

      Lähmstrahlen!, durchzuckte es ihn. Er war den Ngomis blindlings in die Falle gegangen.

      Aber noch konnte er die Arme bewegen, und er griff nach der Waffe, die in seiner Reichweite lag und riss sie hoch. Bevor er jedoch den Auslöser berührte, traf ihn ein neuerlicher Schockstrahl. Sein Arm wurde starr, die Finger verkrampften sich; das Gefühl der Taubheit ergriff nun auch von seinem Oberkörper Besitz. Es half nichts, dass Tolden seine Unvorsichtigkeit verfluchte.

      »Was ist das?« Chrrtl deutete auf den pulsierenden Glücksstein. »Womöglich hält dieses Ding ihn am Leben.«

      Ehe jemand einschreiten konnte, hatte das Vogelwesen sich gebückt und gierig die Hand ausgestreckt. Nun, da der Daila hilflos war, schien jede Furcht von ihm abgefallen zu sein.

      In dem Moment, in dem Chrrtl den Stein berührte, schien eine unsichtbare Faust ihn zu treffen. Meterweit wurde er durch den Gang geschleudert und riss mehrere Ngomis mit sich.

      *

      Unfähig, nur den kleinen Finger zu rühren, doch im vollen Besitz seiner Sinne, erlebte Tolden mit, dass die beiden Echsenwesen ihn in einen anderen Raum schleppten. Chrrtl hätte ihn wohl am liebsten sofort umgebracht, doch Musan'J'irkis wusste das zu verhindern.

      »Der Daila kann uns nicht mehr gefährlich werden«, sagte er. »Wir setzen ihn auf der nächsten erreichbaren Welt aus. Seinetwegen beschmutze ich mir nicht die Hände.«

      Sie ließen ihn allein. Nur eine Wache blieb zurück. Wiederholt bemerkte Tolden die furchtsamen Blicke des Mannes.

      Träge rann die Zeit dahin.

      Stunden mochten vergehen.

      Anfangs spürte Tolden nichts, später machte sich allmählich ein unangenehmes Prickeln bemerkbar.

      Von Minute zu Minute wurde er erregter. Mit etwas Mühe konnte er bereits wieder die Fingerspitzen bewegen. Die Lähmung war im Begriff, von ihm abzufallen. Wenn er es geschickt anstellte, musste es ihm möglich sein, die Wache zu überrumpeln.

      Tolden atmete freier. Schon schaffte er es, die Armmuskeln anzuspannen.

      In dem Moment schoss der Wächter. Toldens Hoffnungen zerplatzten wie eine bunte Seifenblase, als erneut die quälende Taubheit von ihm Besitz ergriff. Er war hilfloser als ein kleines Kind. Anfangs, während der ersten Tage an Bord, hatte er sich nur über Chrrtls Aberglauben geärgert, später war er zornig geworden, und nun war er nahe daran, die STERNENLEUCHTEN und ihre gesamte Besatzung zu verfluchen.

      Wieder lagen endlos lange Stunden vor ihm, und vor allem die Ungewissheit über seine Zukunft machte ihm zu schaffen.

      Irgendwann wurde der Wächter von einem anderen Ngomi abgelöst. Die automatisch reduzierte Beleuchtung deutete darauf hin, dass nach Bordzeit die allgemeine Ruhepause begann.


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