Perry Rhodan: Andromeda (Sammelband). Uwe Anton
Planeten war ausgelöscht worden. Es war nicht einfach gewesen, eine Raumschiffpassage zu ergattern. Der Raumhafen der Hauptstadt war ebenfalls zerstört worden, und jede Privatperson, die irgendeine Möglichkeit dazu sah, schien den Planeten verlassen zu wollen.
Schließlich hatte ein Militärraumschiff sie mitgenommen, das Verletzte zu tefrodischen Kolonialplaneten in der Nähe transportierte, da die diesbezüglichen Kapazitäten auf Rakusa völlig erschöpft war. Sie hatte fast rund um die Uhr Verwundete versorgt, bis sie dann, auf dem fünften Stopp des Fluges, das Schiff mitsamt achthundert Verletzten verlassen hatte, die in Athreel, Amronir, Eradan, Braras, Gondrelin, Farlir, Gunon und anderen Städten auf Cyrdan behandelt wurden.
Jemand räusperte sich. Raye blickte auf und sah, dass der Admiral Venk Kethmero vor ihr stand. Sie war völlig in Gedanken versunken gewesen, hatte noch nicht einmal bemerkt, dass er den Konferenzraum im Flottenzentrum von Athreel betreten hatte.
Sie erhob sich und neigte den Kopf. »Admiral.«
Er nickte ebenfalls. »Doktor Corona.« Er bedeutete ihr, wieder Platz zu nehmen. »Verzeih, aber meine Zeit ist beschränkt. Daher möchte ich direkt zur Sache kommen.«
»Natürlich, Admiral.« Kethmero war ein Mann von etwa einhundert Jahren, dem man sein Alter aber nicht ansah. Er war hochgewachsen, schlank, drahtig, als wäre er nur halb so alt. Sein Haar war voll und dunkelbraun, sein Gesicht fast faltenfrei.
»Du bist eine der wenigen, die diese Angreifer mit eigenen Augen gesehen und die Begegnung überlebt hat ...«
Raye kniff die Augen zusammen Irgendwie kam ihr diese Formulierung seltsam vor.
»Ich möchte dich bitten, sie noch einmal genau zu schildern. Versuche, dich an jede Einzelheit zu erinnern. Die kleinste Kleinigkeit könnte wichtig sein.« Er aktivierte ein syntronisches Aufzeichnungsgerät.
Raye tat wie geheißen. Admiral Kethmero stellte zahlreiche Zwischenfragen, von denen die Medikerin jedoch kaum eine beantworten konnte. »Und jetzt habe ich eine Frage an dich«, sagte sie, als er fertig war.
Der Admiral musterte sie, leicht amüsiert, wie es schien. Einen Augenblick lang befürchtete sie, sie würde vor Verlegenheit erröten. »Der Angriff auf Rakusa war nicht der einzige, nicht wahr?«
Kethmero zögerte kurz. Raye glaubte zu sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. »Ja«, gestand er dann ein.
Sie betrachtete den Admiral neugierig und herausfordernd zugleich. »Vielleicht fällt mir noch irgendein Detail ein, das ich jetzt für unwichtig halte, wenn ich die Hintergründe kenne.« Sie lächelte zaghaft.
»Ich muss dich zur Geheimhaltung verpflichten.«
»Natürlich.« Raye nickte nachdrücklich.
»Nun gut«, sagte der Admiral. »Wir werden die Bevölkerung sowieso in Kürze informieren müssen. Ja, es hat mehrere solcher Angriffe gegeben. Hathorjan wird schon seit Wochen von den geheimnisvollen Kriegsschiffen bedroht.«
»Den ... brennenden Schiffen?«
Der Admiral nickte. »Obwohl die Angriffe bislang nur sporadisch erfolgten, auf einige wenige Planeten, hat es bereits zahlreiche Opfer gegeben.«
»Wer sind die Angreifer? Was wollen sie von uns?«
Kethmero schüttelte den Kopf. »Sie reagieren nicht auf unsere Kontaktversuche. Die Kastun-Schiffe tauchen über irgendeiner Welt auf, schlagen zu und verschwinden wieder. In letzter Zeit greifen sie auch Raumschiffe an. Wir können nicht einmal ahnen, woher sie kommen oder welche Ziele ihre Überfälle haben. Das haben wir in keinem einzigen Fall herausfinden können. Deshalb haben wir uns von dir auch einige Hinweise erhofft.«
Kastun, dachte Raye. Schädlinge. »Das sind schlechte Nachrichten.«
Der Admiral nickte. »Eine noch schlechtere ist«, fügte er hinzu, »dass die Angriffe in letzter Zeit immer häufiger werden. Es hat den Anschein, als würden immer mehr dieser Schiffe auftauchen, die ...«
Kethmero verstummte. Vor ihm bildete sich ein Hologramm. Die lebensgroße Darstellung zeigte eine Tefroderin in der Uniform einer Ordonanz. Sie wirkte völlig real; die Frau schien leibhaftig vor ihnen zu stehen. Raye konnte jedes Quäntchen Entsetzen auf ihren Gesichtszügen ausmachen.
»Admiral!« Die Ordonanz salutierte knapp. »Eine Meldung der Systemüberwachung. Ein Raumschiff ist über Cyrdan aufgetaucht!«
Raye glaubte zu sehen, dass der Admiral erbleichte, aber das musste eine Täuschung sein. Ein Mann wie Kethmero erbleichte nicht, auch nicht bei Nachrichten, die den Tod bedeuten konnten.
»Ein Kastun-Schlachtschiff?«, fragte er.
»Nein«, erwiderte die Ordonanz. »Aber wie es aussieht, könnte es Cyrdan trotzdem vernichten!«
Kapitel 7
Kein gutes Omen
Cyrdan, 16. März 1312 NGZ
Perry Rhodan konnte nicht sagen, welcher Schmerz schlimmer war. Der im Bein, der in der Brust, der in der Schulter, der an der Stirn.
Er korrigierte sich sofort. Eigentlich war es kein Schmerz, eher ein dumpfes Gefühl, das ihm verriet, dass an diesen Stellen mit seinem Körper etwas nicht in Ordnung war. Schmerzhafter war da schon das Pochen des Zellaktivators in der Schulter.
Das Gerät, das die Superintelligenz ES ihm verliehen hatte, sendete nicht nur eine auf ihn abgestimmte hyperenergetische Schwingung aus, die eine permanente Aktivierung des individuellen genetischen Kodes bewirkte, ihm also die relative Unsterblichkeit verlieh. Aktivatorträger konnten nur durch Gewalteinwirkung oder durch Ausfall oder Verlust des Geräts sterben.
Neben dem völligen Stopp der biologischen Alterung regenerierte der Zellaktivator auch verbrauchte Kräfte des Trägers innerhalb kürzester Zeit und heilte Wunden durch beschleunigte Zellregenerierung. Außerdem führte er eine fast vollständige Immunität gegen Bakterien, Viren und Gifte herbei.
Wenn der Zellaktivator dermaßen heftig pochte, arbeitete er mit voller Kraft. Und das konnte nur bedeuten, dass es seinem Träger nicht allzu gut ging. Also konnte er davon ausgehen, dass das dumpfe Unbehagen, das er verspürte, tatsächlich ein Schmerz war, der durch ein Medikament gedämpft wurde.
Der Terraner öffnete die Augen und schloss sie sofort wieder. Alles drehte sich um ihn. Aber er hatte einen kurzen Blick auf seine Umgebung erhascht. Eine Umgebung, die ihm gleichzeitig fremd und doch vertraut war.
Solche Umgebungen sahen immer irgendwie anders aus, und doch immer irgendwie gleich.
Hohe, helle, meist weiße Zimmer. Eine zweckmäßige Einrichtung – vielleicht ein hässlicher Tisch mit ein paar unbequemen Stühlen – mit immer wieder ähnlichen, immer wieder lächerlichen Bemühungen, sie mit einer persönlichen Note aufzulockern. Uninspirierte Bilder noch uninspirierterer vermeintlicher Künstler an den Wänden, oder billige Drucke wahrer Klassiker. Blumen oder Körbe mit Früchten auf den nüchternen, spartanischen Tischen. Tafeln mit religiösen Sprüchen, die auch dann noch Hoffnung machen sollten, wenn längst keine Hoffnung mehr war. Und die leichte Fälle auf den richtigen Weg führen sollten. Sei uns dankbar, denn wir kümmern uns um dich, und vergelte es uns, wie wir es uns wünschen ...
Herrgott, dachte Rhodan, daran hat sich seit dreitausend Jahren nichts geändert. Weder hier in Andromeda noch in der Milchstraße.
Er lag in einem Krankenhausbett.
Dann wusste er plötzlich, was ihn geweckt hatte. Ein kalter Finger zerrte an seinen nackten Zehen.
Er öffnete erneut die Augen, ganz langsam diesmal, und krallte sich gleichzeitig in das dafür eigentlich viel zu glatte Laken des Bettes, um Halt zu haben, das Schwindelgefühl zu vermeiden.
Es funktionierte. Diesmal drehte sich die Welt nicht um ihn.
Jedenfalls nicht so schnell.
Er wollte es nicht darauf ankommen