Fettnäpfchenführer Brasilien. Nina Büttner
und stets nur mit chinelos (Plastik-Flipflops) den Temperaturregler betätigen (dazu sollte das Wasser allerdings aus sein) und bei Duschen mit einem Metallhahn diesen mit einem Handtuch um die Hand aufdrehen, so wie Linda es gemacht hat. Das ist bei neuen und gut funktionierenden Duschen, die es auch hier und da gibt, nicht mehr nötig.
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LINDA ISST RINDFLEISCH, BOHNENUND REIS
WARUM MAN MANCHMAL BESSERKURZ VERSCHWINDEN SOLLTE
Pünktlich um zwölf wird Linda gerufen, um mit Patrícia und Marcelo zu Mittag zu essen. Es gibt Rindfleisch, Reis und Bohnen. So wie bisher jeden Tag. Am ersten Tag dachte sich Linda noch nichts dabei. Am zweiten Tag ging sie davon aus, dass das Essen vom Vortag aufgewärmt wurde. Aber nach über einer Woche Einheitsmahlzeit wundert sie sich doch, traut sich und fragt nach: »Patrícia, a comida é muito boa ...« – ich mag das Essen sehr gerne, »aber: Warum gibt es eigentlich jeden Tag Rindfleisch, Reis und Bohnen?«
Patrícia ist erst etwas verwundert über die Frage, erklärt Linda aber dann, dass dieses Gericht überall jeden Mittag auf den Tisch komme – wenn auch in Variationen –, es sei ein sehr traditionelles Essen. Und sie fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: »Marcelo würde wahrscheinlich sofort ins Restaurant um die Ecke gehen, wenn er nicht sein gewohntes Mittagessen bekäme!«
BOHNEN, REIS UND RINDFLEISCH
Bohnen und Reis sind nicht nur fester Bestandteil der brasilianischen Küche, sie werden auch in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern regelmäßig gegessen. Es gibt verschiedene Bohnensorten, die generell als feijão bezeichnet werden; ob rote, weiße, schwarze oder braune bevorzugt werden, hängt von der jeweiligen Region ab. Am gängigsten sind zwei Sorten: feijão-preto und feijão-carioca. Feijão-preto ist eine schwarze Sorte und wird im Nationalgericht feijoada verwendet (siehe Infokasten zur feijoada in Kapitel 26). Feijão-carioca ist eine bräunliche Bohne, die für das alltägliche Mittagessen verwendet wird. Die Bohnen (bzw. ihre Samen – was wir unter grünen Bohnen verstehen, wird in Brasilien vagem genannt) werden so lange gekocht, bis sie aufspringen und zu einer dickflüssigen Pampe werden.
Reis macht satt und ist dabei nicht ungesund, d.h. er macht nicht dick und bietet sich auch als Diätnahrung an; Bohnen sind außerdem reich an Nährstoffen, wie z. B. Eisen. Sowohl Reis, Bohnen als auch Rindfleisch sind Produkte, die es erst seit der Kolonialisierung in Brasilien gibt. Noch vor 150 Jahren aß die einfache Bevölkerung zur Sättigung vor allem Maniok (eine Wurzelgemüsesorte) und Dörrfleisch (carne de sol) von allen Tieren, die sich jagen oder aufziehen ließen, vom Gürtel-tier bis zur Ziege.
Dörrfleisch ist lange haltbar und somit gut aufzubewahren. Heute wird Dörrfleisch meist durch frisches Fleisch ersetzt. Rindfleisch ist in Brasilien weit verbreitet und heißt einfach carne – Fleisch. Im Gegensatz dazu werden andere Fleischsorten spezifiziert, wie frango, Hühnchen, oder carne de porco, Schweinefleisch, wobei Letzteres relativ wenig gegessen wird. Die gesamte Küste entlang wird selbstverständlich Fisch gegessen, und auch im Landesinneren können Sie auf lokale Süßwasserfischspezialitäten stoßen.
Ein typisch brasilianisches Mittagessen, was oft abends noch einmal aufgewärmt wird, beinhaltet Bohnen, Reis, ein Stück (Rind-)Fleisch, ein complemento, also eine Beilage, wie Gemüse, Lasagne oder Pommes frites und ein paar Blätter Salat. Während die Beilage variiert, tauchen alle anderen Bestandteile meist konstant und täglich am Mittagstisch auf.
Nach dem kurzen Ausflug in die kulinarische Welt Brasiliens, fragt Patrícia Linda, was sie denn in Deutschland jeden Tag esse. Hm, Linda fällt da eigentlich nichts ein, weil es doch immer mal etwas anderes gibt. Aber sind Deutsche nicht irgendwie dafür bekannt, oft Kartoffeln zu essen? Und die hat sie auch schon so lange nicht mehr gegessen.
»Kartoffeln«, antwortet sie also.
Typisch deutsch, denkt sich Patrícia und überlegt, Dona Maria Bescheid zu geben, dass sie jetzt auch immer etwas mit Kartoffeln zum Mittagessen machen soll.
Mitten im Gespräch am Mittagstisch holt Linda die Erkältung ein, die sie seit dem Tag, an dem sie mit Ventilator vorm Gesicht und einer kalten Dusche aufwachte, nicht mehr ganz los wird. Die Klimaanlagen in vielen Gebäuden haben ihr Übriges getan. Sie holt ihr Taschentuch aus der Tasche und niest und schnäuzt sich herzhaft. Ah, das tat gut! Als sie aufblickt, sieht sie, dass das Ehepaar sie erschrocken, ja fast angeekelt anstarrt.
»Nur eine kleine Erkältung. Bestimmt nicht mehr ansteckend. Keine Sorge!«
Irgendwie scheinen sie nicht beruhigt. Linda erinnert sich, dass sie hier viele Leute bemerkt hat, die sich zwischendurch die Nase hochziehen. Als ob das besser wäre! Sie hat noch die Worte ihrer Mutter im Ohr: bloß nicht die Nase hochziehen – alles muss raus!
Es kommt, wie es kommen muss: Als sich Linda am nächsten Tag zum Mittagessen einfindet, hat Dona Maria zusätzlich zur allgemein bekannten Hausmannskost ein Überraschungs-complemento speziell für sie gemacht.
»Olha, fiz batatas fritas pra você«, strahlt die Hausangestellte sie an – schau mal, ich habe dir Pommes frites gemacht ...
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Bevor Linda nach dem Grund für das immer wiederkehrende Essen fragt, lobt sie es und sagt, dass es ihr sehr gut schmeckt. Damit hat sie schon einmal gut Wetter gemacht, bevor sie eine möglicherweise kritische Frage stellt. Dass die Frage nicht kritisch scheint, weil es eben so normal ist, dass es täglich Bohnen, Reis und Rindfleisch gibt, konnte sie zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen.
Was Linda ebenfalls nicht wissen konnte: Aus Höflichkeit und Gastfreundschaft werden sich Patrícia und Dona Maria größte Mühe geben, dass Linda sich wie zu Hause fühlt, und ihr ab jetzt täglich Kartoffeln servieren, und ihre Kreativität wird dabei wohl über Pommes frites, Kartoffelbrei, Bratkartoffeln und Kartoffelsalat weit hinausgehen. Es würde nun als sehr unhöflich erscheinen, wenn sich Linda darüber nicht gebührend freute, geschweige denn die Kartoffeln nicht äße.
Ein weiteres Fettnäpfchen, in das Linda geradewegs hineingeschlittert ist, war das Naseputzen im Beisein der anderen und ausgerechnet noch am Tisch. Sich schnäuzen gilt in Brasilien als überaus unhöflich.
Was können Sie besser machen?
Einmal können Sie sich an Linda ein Beispiel nehmen und das Essen loben, wann immer möglich, wobei natürlich nicht übertrieben werden sollte. Das ehrt die Köchin oder Hausfrau – auch wenn vielleicht gar nicht sie selbst, sondern die Hausangestellte gekocht hat. Möchten sie der Hausangestellten mitteilen, dass Ihnen das Essen gut geschmeckt hat, so tun sie das lieber persönlich und nicht unbedingt im Beisein der Gastgeber, da diese sich sonst übergangen fühlen könnten (mehr zu Hausangestellten in Kapitel 10).
Sollten Sie von Ihren Gastgebern gefragt werden, was es Typisches in Ihrer Heimat zu essen gibt, ist es ratsam, nichts zu nennen, was Sie partout nicht mögen – denn brasilianische Gastfreundschaft kann leicht dazu führen, dass man es für Sie zubereiten wird. Im schlimmsten Fall täglich! Je nachdem wie lange Sie in Brasilien bleiben, könnte alternativ auch ein Besuch in einem »typisch deutschen« Restaurant vorbereitet werden.
Anders als in Deutschland ist es ein absolutes No-Go, sich in Gesellschaft die Nase zu putzen. Alternativ können Sie entweder die Nase hochziehen, das ist in Brasilien absolut gesellschaftsfähig – was Sie möglicherweise anfangs befremden wird, da es auch in einer offiziellen Umgebung so gehandhabt wird, wobei es generell eher schnell-galant als geräusch- und genussvoll passiert. Oder Sie entschuldigen sich mit einem »com licença« und verschwinden in Richtung Toilette. Letztere Variante