Fettnäpfchenführer Brasilien. Nina Büttner
nächsten Wasserlieferanten am Kühlschrank, unweit vom Magneten mit dem Namen des Gasflaschenlieferanten, da beide regelmäßig als Werbung im Briefkasten liegen. Auch im öffentlichen Raum (in Schulen, Universitäten, Museen usw.) gibt es häufig Wasserspender, die bebedouros genannt werden. Zu ihnen muss man sich herunterbeugen, einen Hebel betätigen, dann spritzt das Wasser nach oben. Das ist eher für Fortgeschrittene gedacht, da einem das Wasser häufiger das ganze Gesicht bespritzt, als dass es den Weg in den Mund findet.
HINTERLASSENSCHAFT DER FUSSBALL-WM 2014 UND DER OLYMPISCHEN SPIELE 2016
Sie waren teuer und haben so viel Sinnvolles wie Sinnloses hinterlassen. Die Einstellung der Bevölkerung zur WM ist vor allem negativ geprägt. Es wurden Millionen für unnötige Stadien versenkt – die zum Teil schon wieder sanierungsbedürftig sind –, und die herbe Niederlage des brasilianischen Nationalteams hat sicherlich ihr Übriges für einen Tiefpunkt der patriotischen Stimmung getan.
Für Rio de Janeiro haben die Olympischen Spiele dazu beigetragen, dass einige schon seit Jahrzehnten geplante Städtebaumaßnahmen endlich durchgeführt wurden – etwa Schnellbusse in der unterversorgten Westzone der Stadt. Diese hat auch endlich einen ersten Anschluss an das Metrosystem bekommen. Auf der anderen Seite wurde eine Favela gewaltsam geräumt, um dem Olympischen Park Platz zu machen, es wurde nicht geschafft, die Bucht von Guanabara von Abwässern und Abfällen zu befreien, Naturschutzgebiete wurden zur Bebauung freigegeben und ein Teil der wunderschönen neuen Fahrradspur, die auf Säulen die Küste entlang führt, stürzte nach nur drei Monaten ein.
4
LINDA MUSS MAL
WARUM EIN KLO NIEMALSALLEINE DASTEHT
Den ersten Abend bei ihrer Gastfamilie hat sie schon einmal gut überstanden, denkt sich Linda beim Aufwachen. Als sie noch kaum zu Ende gedacht hat, muss sie niesen. Das ist aber auch ein Wind hier! Moment mal, wieso Wind? Linda blinzelt und schaut sich um. Eine starke Bö bringt ihre Augen zum Tränen. Da steht er, der Übeltäter: ein voll aufgedrehter Ventilator. Kein Wunder, dass sie durchgefroren und verschnupft ist. Wie kommt der denn auf einmal dahin? Missmutig steht Linda auf, schaltet das Monstrum ab und legt sich wieder hin, diesmal zieht sie die Decke fest bis hoch zur Nase. Was jetzt so richtig aufwärmt, wäre eine heiße Dusche. Sie nimmt das Handtuch, dass Patrícia ihr gleich bei der Ankunft hingelegt hat, geht ins Bad und stellt die Dusche an. Aua! War das ein Stromschlag? Mit dem Handtuch um die Hand gewickelt wagt sie sich noch einmal an den Hahn, diesmal bekommt sie keinen Schlag, dafür aber eine Fuhre kaltes Wasser auf den Kopf. Sie könnte heulen. Stattdessen hält sie tapfer durch, seift sich so schnell wie möglich ein, stellt sich noch einmal unter das kalte Wasser, trocknet sich gut ab und schlüpft in den einzigen Wollpulli, den sie mitgenommen hat.
»Ausgeschlafen?«, fragt Marcelo sie kurze Zeit später gut gelaunt.
»Ja, schon. Aber vielleicht kannst du mir erklären, wie man das Wasser warm bekommt?«
Er nickt ein bisschen beschämt, geht durch ihr Zimmer und erklärt eifrig: »Das ist eine lebensgefährliche Angelegenheit! Damit ist nicht zu scherzen. Also: Du ziehst dir Schuhe an, die nicht nass sein dürfen. Du musst auch trocken sein und der Boden der Dusche am besten auch, sonst bekommst du womöglich einen elektrischen Schlag.«
Schon geschehen, denkt Linda. Marcelo ist inzwischen in ihrem Bad angekommen und greift nach dem großen befestigten Duschkopf aus Plastik, an dem ein Schalter angebracht ist. Da Marcelo nicht besonders groß ist und der Duschkopf sehr hoch hängt, schwankt er dabei gefährlich auf den Zehenspitzen.
»Da gibt es verão, das heißt Sommer, und bei dieser Einstellung ist das Wasser kalt. Ich schalte jetzt auf inverno. Das heißt Winter und dann kommt warmes Wasser«, erläutert er mit – durch die Körperstreckung – erstickter Stimme.
»Verrückt.« Linda ist fasziniert.
Wohl damit sich nicht der Eindruck eines Domizils voller Gefahrenquellen bei Linda festsetzt, führt Marcelo sie noch weiter herum. Am Schlafzimmer von ihm und Patrícia vorbei – sie haben natürlich auch ein separates Badezimmer – geht es die Treppen hinunter in das mit Marmor ausgekleidete Wohnzimmer. Dahinter ist die Küche, die Linda ebenfalls kennt, und ein Verschlag, wo zwei kleine Hunde in der Morgensonne dösen. Vom Verschlag aus führt ein Ausgang zur Straße, den sie wortlos passieren. Auf der Terrasse sehen sie die Angestellte, die Linda die Tür geöffnet hatte. Sie schrubbt den Boden und summt dabei vor sich hin. Als Linda sie mit bom dia grüßt, erwidert sie den Gruß mit einem breiten Lächeln. Nun passieren sie zwei Autos, Marcelo erklärt den großen Van als seinen und den kleinen VW als den Wagen seiner Frau. Da wird der Blick auf den Pool hinter dem Hof frei.
»Maravilhoso!« – Wunderbar!, kommentiert Linda und ist froh, dass heute nicht wieder alle lachen, wenn sie versucht, Portugiesisch zu sprechen. Marcelo verabschiedet sich nun und springt in sein Auto. Die Ausfahrt öffnet sich auf Knopfdruck, die Türen bleiben allerdings auf der Hälfte klemmen. Die Angestellte ist schon auf dem Weg und hilft nach – die Szene scheint routiniert.
Nach all den Eindrücken braucht Linda ein bisschen Zeit für sich und geht erst einmal auf ihre Toilette. Das erhoffte Gefühl der Erleichterung hält aber nicht lange an. Denn als sie auf die Spülung drückt, nimmt diese noch nicht einmal das einlagige Toilettenpapier mit. Oh Schreck! Was soll das denn? In leichter Panik überlegt Linda, was sie jetzt tun soll. Was für ein Glück, dass sie das Badezimmer für sich alleine hat. Ob sie wohl ihre Gastgeber fragen soll, wieso die Toilette nicht richtig funktioniert? Erst die Dusche, dann die Toilette – gibt es hier auch einen Trick?
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Aus Deutschland ist Linda es gewohnt, dass man Klopapier in die Toilette wirft – und um Himmels Willen keine anderen Hygieneartikel, wie das immer so schön in allen öffentlichen Toiletten steht. Genauso hat sie das hier auch gemacht. Dass hier nicht einmal schnödes Toilettenpapier durch die Rohre geht, damit hätte sie wirklich nicht gerechnet. Vor allem dachte sie, dass ihr nach einer Nacht neben einem übereifrigen Ventilator – den ihr wahrscheinlich Patrícia mit der gleichen Fürsorglichkeit hingestellt hat, wie sie Linda eiskaltes Wasser zu trinken gegeben hat – und einem Morgen mit Stromschlag und kalter Dusche nicht mehr viel passieren konnte.
Was können Sie besser machen?
Auf öffentlichen Toiletten werden Sie stets auf Schildern erinnert: »Não jogar papel no vaso« – Toilettenpapier nicht in die Toilette werfen. Zwar führt ein Verstoß des Gebots nur bei älteren sanitären Anlagen zu einer Verstopfung, die Gewohnheit, das Toilettenpapier im Mülleimer zu entsorgen, hat sich jedoch bis heute gehalten. Es gibt noch einen praktischen Grund dafür: Viele Haushalte entsorgen ihr Abwasser in einer Klärgrube (nur 63 Prozent der Haushalte sind an die zentrale Kanalisation angeschlossen) und die muss mit zusätzlichem Toilettenpapier häufiger abgesaugt werden. Auch folgendes Szenario dürfte politischen Druck für ein Beibehalten der Gewohnheit sorgen: Toilettenpapier im Abwasser würde die Verschmutzung zahlreicher Flüsse und Strände sichtbarer machen, da es sich nicht so schnell zersetzt. Machen Sie es im Zweifel also auch wie die allermeisten Brasilianer und werfen Sie Toilettenpapier in den Mülleimer. Den finden Sie neben jeder Toilette, oft mit einem Deckel, teils aber auch offen. Dort werden nicht nur Hygieneartikel, sondern auch das gebrauchte Toilettenpapier – egal nach welcher Sitzung – entsorgt. Auch wenn das möglicherweise anfangs etwas ungewohnt ist und unhygienisch erscheint, sollten Sie niemals Klopapier in die Toilettenschüssel werfen. Das ist wohl eines der ersten Dinge, an die man sich in Brasilien gewöhnen sollte, ohne sie zu hinterfragen. Denn hier kann das richtige Verhalten leicht peinlichen Situationen vorbeugen, wenn Sie z. B. Ihrem Gastgeber erklären müssen, dass die Toilette verstopft ist.
Die Duschen sind derart abenteuerlich, da das Wasser elektronisch im Duschkopf erhitzt wird. Warmwasser per Gastherme