Fettnäpfchenführer Vietnam. David Frogier de Ponlevoy

Fettnäpfchenführer Vietnam - David Frogier de Ponlevoy


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Straßenküchen bieten eine Vielzahl Spezialitäten an, mit denen man ein komplett eigenes Buch füllen könnte. Häufig bilden sie eine Kombination aus einer Nudelsorte mit Zutat. Hier lassen sich aus einem halben Dutzend Zutaten und verschiedenen Nudelsorten unzählige Kombinationen bilden:

       Zutaten

Huhn
Rind
heo/lợnSchwein (im Norden werden fette Schweineteile chả genannt)
tômGarnele
Fisch
hải sảnMeeresfrüchte (Garnelen, Muscheln, Tintenfisch)

       Nudeln

phởdicke, weiße Reisnudeln
miếnGlasnudeln aus Mungbohnenpulver
búndünne, runde Reisnudeln
mỳ/mìEiernudeln (beliebt auch als Trockenpaket: Heißwasser hinzufügen, fertig)

      Miến bò sind also Glasnudeln mit Rindfleisch, während phở gà eine Reisnudelsuppe mit Huhn ist. Vietnamesische Straßenküchen verkünden auf großen Schildern meist, was sie anbieten: Phở – bún – gà – bò bedeutet, dass es hier sowohl phở- als auch bún-Nudeln gibt, mit Rind oder Huhn.

      Bún chả ist eine nordvietnamesische Spezialität, eine Reisnudelsuppe mit gegrilltem Schweinefleisch und frischen Kräutern, die nur mittags erhältlich ist, bún bò Huế eine Nudelsuppenspezialität mit Rind, die aus der zentralvietnamesischen Stadt Hue stammt.

      Besonders häufig sind auch noch zwei weitere Spezialitäten, die zunächst einmal nichts mit Nudeln zu tun haben: Hinter cơm rang versteckt sich gebratener Reis, und hinter dem Begriff nem Frühlingsrollen. Auch die gibt es aber mit Nudeln: Bún nem ist eine Menü-Kombination aus bún chả und Frühlingsrollen.

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       DINGS, ETWA SO GROSS

      »Findest du in vielen Läden«, hatte Phương gesagt, als Nina sie fragte, wo sie einen Schraubenzieher herkriege. Sie braucht so ein vierkantiges Modell. Und so lässt sich Nina durch die Brandungswellen aus Mopeds und Autos auf die andere Straßenseite spülen, zum erstbesten Allerleiladen.

      Da sie keine Schraubenzieher sieht, stellt sie sich vor den Verkäufer hin und fragt: »Tô vít?« Auch das hatte ihr Phương beigebracht: wie man »Schraubenzieher« auf Vietnamesisch sagt. Die beiden hatten das geübt. »Tô vít?« Die Augen des Mannes weiten sich vor Furcht.

      Er holt seine Frau.

      Bei ihr versucht es Nina erst auf Vietnamesisch und dann auf Englisch. »Tô vít. Screwdriver.« Die Frau versucht Ninas Blick zu folgen, der durch die Regale irrt, und zieht als Vorschlag eine Chipstüte hervor.

      »Nein, S-C-R-E-W-D-R-I-V-E-R. Etwa so groß«, sagt Nina und nimmt beide Zeigefinger zuhilfe. Die Frau versucht es mit einem Herrenrasierer.

      Nina versucht’s mit Vorturnen, hält sich mit ausladender Gestik eine imaginäre Schraube vors Gesicht, setzt voller Konzentration mit dem imaginären Schraubenzieher an, schraubt und wirbelt. Die Frau lässt Nina stehen und verschwindet nach hinten. Sie kommt wieder mit getigerten Ohrwärmern.

      »Nein ...« Nina zeichnet mit dem Finger einen Schraubenzieher in den Staub auf einer Kartonpackung. Die Frau nickt und zeigt abwechselnd auf Bananen und Räucherstäbchen. Nina schüttelt den Kopf.

      Die Frau ruft ihren Sohn.

      Der Sohn seufzt laut. Er ist 15 und mit einem Computerspiel beschäftigt, und überhaupt. Vielleicht, denkt Nina, sollte sie einfach erst mal die Bananen nehmen, das wäre für alle Beteiligten das Einfachste, und morgen sehen wir weiter.

      Der Sohn ruft nach seiner zehnjährigen Schwester, die über ihren Hausaufgaben sitzt. »How can I help you?«, sagt diese, und sie klingt sehr professionell. Nina fühlt sich ihrem Ziel greifbar nahe. Mutig versucht sie es nun nochmals auf Vietnamesisch. »Tô vít?« Die Tochter nickt. Sie nimmt Nina am Arm, führt sie nach hinten durch die enge Wohnung der Familie, zeigt auf eine Tür und sagt freundlich: »Toilet.«

       Wie Sie bekommen, was Sie wollen

      Wir möchten Sie auf keinen Fall entmutigen: Werden Sie nicht müde, Vietnamesisch zu sprechen oder es wenigstens zu versuchen. Irgendwann wird man Sie verstehen. Rechnen Sie jedoch damit, dass am Anfang Ihre Bemühungen in dieser Sprache nicht einmal als solche erkannt werden und dass Sie beim Versuch, Vietnamesisch zu sprechen, ein »Sorry, no English« zur Antwort bekommen. Rechnen Sie auch damit, dass es einige Wörter gibt, bei denen es Ihnen erst nach dem 100. Mal gelingen wird, sie richtig auszusprechen.

      Bis dahin könnten Ihnen vielleicht folgende Tricks hilfreich sein:

      Die altmodische Variante: Lassen Sie sich das Wort von jemandem aufschreiben. Führen Sie ein kleines Notizbuch bei sich mit Wörtern, die Sie im Alltag immer wieder brauchen. Sie können es bei Bedarf hervorholen und auf das Wort zeigen. Hat den Vorteil, dass Sie dadurch die Begriffe in Wort und Schrift lernen.

      Die moderne Variante: Bevor Sie sich auf die Jagd nach Schraubenziehern, Bettbezügen oder Stangensellerie begeben, laden Sie aus dem Internet ein Bild des Gegenstands auf Ihr Smartphone. Funktioniert ohne fremde Hilfe.

      Die Künstlervariante: Falls weder vietnamesische Hilfe noch Internetverbindung greifbar sind, versuchen Sie es mit Zeichnen.

      Die Schleudersitzvariante: Sollte all dies fehlschlagen und auch im sechsten oder siebten Laden partout niemand verstehen, was Sie wollen, gönnen Sie sich etwas anderes Schönes. Zum Beispiel getigerte Ohrwärmer. Zumindest hatten Sie einen interessanten Nachmittag.

      Mehr über Aussprache, Tonhöhen und weshalb es so schwierig ist, auf Vietnamesisch verstanden zu werden, erfahren Sie in Kapitel »Thuy oder Thuy?«.

      7

       LACHT SIE ETWA ÜBER MEINE UNTERHOSEN?

      Die Putzhilfe, die dreimal die Woche in Ninas WG kommt, heißt Bích – Tante Bích. Irgendwann brachte Bích ungefragt eine zweite Frau mit, seither putzen sie zu zweit. Nina weiß den Namen von Bíchs Kollegin immer noch nicht.

      Bích und die Kollegin reden, sehr laut, über zwei Stockwerke hinweg. Und sie lachen. Sie lachen über mich, denkt Nina. Über ihre Unterwäsche auf der Wäscheleine, die sie ungefragt falten. Über den Inhalt ihres Küchenschranks. Den lächerlich hohen Preis auf dem Glas mit der importierten italienischen Arrabiata-Sauce.

      Und sie lachen bestimmt auch über das, was sie in Ninas Abfalleimer finden. Unten, in der Küche, sitzen sie am Boden und sind gerade dabei, den Müll zu durchstöbern. Statt sich einen Kaffee zu kochen, flieht Nina rückwärts die Treppe hoch.

      Sie beschließt im Stillen, nie wieder zu Hause zu arbeiten an den Tagen, an denen Bích kommt. Sie fühlt sich im eigenen Haus als Eindringling und ein bisschen auch wie ein kleines Kind, das von seiner Mutter beim Herumkleckern ertappt wurde.

      Klar ist es praktisch, dass sie sich hier eine Putzhilfe leisten kann. Sie kann sich mittlerweile nur noch vage daran erinnern, wie sie das zu Hause in Deutschland alles selbst geschafft hat. Klo putzen? Den Müll hinuntertragen? Geschirr spülen? Auch wenn dies ihre Freunde zu Hause, die partout immer noch denken, sie wohne in


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