Arbeits- und Tarifrecht. André Mangion

Arbeits- und Tarifrecht - André Mangion


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Übungs- und Wiederholungsfragen haben Sie Gelegenheit, Ihren Lernfortschritt in regelmäßigen Abständen selbst zu hinterfragen.

      In der vorliegenden 3. Auflage haben wir die Ausführungen an verschiedenen Stellen aktualisiert und vertieft.

      Dieses Buch soll in erster Linie Ihren Lern- und Übungsbedürfnissen gerecht werden. Um diesem Anspruch entsprechen zu können, laden wir Sie auch bei dieser Auflage wieder dazu ein, uns Ihre Rückmeldung zuzuleiten. Denn weiterhin gilt: Auch Autoren lernen dazu! Wenn Sie mit konstruktiver Kritik an der Fortentwicklung dieses Werkes mitwirken wollen, können Sie uns unter [email protected] entsprechende Hinweise zukommen lassen. Den nachstehenden Klammerzusätzen können Sie entnehmen, welcher Autor für welches Kapitel Ihr richtiger Ansprechpartner ist. Für Ihre Anregungen bedanken wir uns im Voraus.

      Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und Vergnügen bei Ihrer „Reise“ ins Arbeits- und Tarifrecht – ein Unterrichtsfach, dessen Inhalte Sie in Ihrem beruflichen Alltag in besonderem Maße begleiten werden.

      Unna, Rheinbach, Mülheim an der Ruhr im Januar 2021

Sven Brüggenhorst(Kapitel 1–4)Hartmut Knack(Kapitel 5–6)André Mangion(Kapitel 7–8)

      1EINLEITUNG

      1.1BEGRIFF, WESEN UND BEDEUTUNG DES ARBEITSRECHTS

      In der Bundesrepublik Deutschland leben rund 83 Millionen Menschen. Der Lebensstandard in unserem Land ist – auch im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn – sehr hoch. Gute Lebensbedingungen, eine ordentliche Infrastruktur und eine angemessene soziale Sicherung gibt es jedoch nicht geschenkt: Die „arbeitende Bevölkerung“ trägt durch ihren Anteil am Sozialprodukt und damit am Steueraufkommen ganz entscheidend zur Sicherung unseres Gemeinwesens bei.

      Im Juli 2019 gingen in Deutschland gut 45 Millionen Menschen einer Erwerbstätigkeit nach. Doch was war mit den anderen 38 Millionen Menschen?

      Es versteht sich von selbst, dass Kleinkinder, schulpflichtige Jugendliche, Personen im Rentenalter oder gesundheitlich dauerhaft eingeschränkte Menschen nicht zu den Erwerbstätigen gerechnet werden können. Darüber hinaus waren 2,3 Millionen Menschen bei der Bundesagentur für Arbeit oder den Jobcentern arbeitssuchend gemeldet.

      Schaut man sich die Gruppe der Erwerbstätigen nochmals genauer an, kann man zwischen Selbstständigen, nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (z. B. Beamten, Richtern und Soldaten) und sozialversicherungspflichtig Beschäftigten unterscheiden. Die letztgenannte Gruppe ist aktuell mit 33,6 Millionen Menschen mit Abstand die größte.

      Daher ist dieses Lehrbuch den rechtlichen Rahmenbedingungen der Arbeitsverhältnisse dieser Menschen gewidmet.

      Spricht man von „Arbeitsrecht“, so muss man konstatieren, dass es leider nicht das „eine“ Gesetz gibt, in dem alles Notwendige zusammengefasst und geregelt wird. Und wenn man in diesem Zusammenhang über die Stichworte „Recht“ und „Gesetz“ nachdenkt, kann man sich natürlich auch fragen, was denn der Gesetzgeber nun überhaupt mit Arbeitsverhältnissen zwischen Vertragsparteien zu schaffen hat. Dazu sollte man wissen, dass wir in Deutschland in einer „sozialen Marktwirtschaft“ leben. Das ist im Grundgesetz, unserer Verfassung, so festgelegt. Dies unterscheidet uns von anderen Industrienationen, wo teilweise ein lupenreiner „Raubtierkapitalismus“ vorherrscht. „Hire and fire“ ist dort an der Tagesordnung.

      Was bedeutet aber nun die Geltung der „sozialen Marktwirtschaft“ für das Arbeitsrecht?

      Schon den Mitgliedern des Parlamentarischen Rats, also quasi den Autoren des Grundgesetzes, war klar, dass diejenigen, die über kein anderes Kapital verfügen als ihre Arbeitskraft, in einer wirtschaftlich deutlich schwächeren Position sind als diejenigen, die über Produktionsmittel und anderes Kapital verfügen. So ist das Sozialstaatsprinzip als unveränderliches Staatsformmerkmal in unserer Verfassung (siehe Art. 20 GG) verankert worden.

      In Bezug auf das Arbeitsrecht bedeutet das ganz konkret, dass der Gesetzgeber durch das Schaffen rechtlicher Rahmenbedingungen für einen Interessenausgleich, für Chancengleichheit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sorgen muss. Und weil sich die Arbeitnehmer in einer schwächeren wirtschaftlichen Situation befinden als die Arbeitgeber, handelt es sich beim Arbeitsrecht vornehmlich um Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer.

      Der praxisgerechten Darstellung dieser Vorschriften ist dieses Fachbuch gewidmet. Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form verwendet. Selbstverständlich beziehen sich die Ausführungen auf die Angehörigen beider Geschlechter.

      Arbeitgeber (siehe auch Kapitel 1.3), also diejenigen, die über die Produktionsmittel verfügen und meist auch das unternehmerische Risiko tragen, und Arbeitnehmer (siehe auch Kapitel 1.3), also diejenigen, die ihre Arbeitskraft einsetzen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, haben unterschiedliche, ja teils sogar gegensätzliche Interessen.

      Am deutlichsten wird das natürlich bei der Vergütung für die Arbeitsleistung, also beim Lohn:

      Während der Arbeitnehmer selbstverständlich möglichst viel Geld für seine Arbeitsleistung erhalten möchte, liegt es im Bestreben des Arbeitgebers, diese Arbeitsleistung möglichst günstig zu erhalten.

      Arbeitnehmer möchten ihren Lohn auch während ihres Urlaubs oder während eines krankheitsbedingten Ausfalls bekommen, Arbeitgeber aber nur bei tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung Lohn bezahlen.

      Während die Arbeitgeber ihren Personalbestand möglichst frei reduzieren können möchten, sind Arbeitnehmer an einem sicheren Arbeitsverhältnis und Schutz vor Kündigungen interessiert.

      Auch möchten die Arbeitgeber im Rahmen ihres Direktionsrechts (s. u.) betriebliche Abläufe und Entscheidungsprozesse weitestgehend selbst bestimmen, wohingegen Arbeitnehmer an einer Begrenzung dieses Rechts und an betrieblicher Mitbestimmung (siehe Kapitel 4) interessiert sind.

      Diese Aufzählung ließe sich unter Nennung zahlreicher weiterer Aspekte (Urlaubsansprüche, Arbeitssicherheit, Pausenregelungen, Sonderzahlungen usw.) beliebig fortsetzen.

      Es stellt sich angesichts der obigen Aufzählung teils völlig gegensätzlicher Interessen dann natürlich die Frage, wie man hierfür einen für alle Seiten akzeptablen, gemeinsamen Nenner finden kann. Dass dies möglich ist, zeigen die mehr als 33 Millionen in unserem Land geschlossenen Arbeitsverträge. Allerdings erfolgt diese Einigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht völlig frei von äußerer Einflussnahme. Der Gesetzgeber hat für viele Bereiche allgemeingültige Rahmenbedingungen geschaffen, die beim Eingehen eines jeden Arbeitsverhältnisses somit gesetzlich normierten Standard darstellen (siehe auch Kapitel 2.3).

      Das bekannteste aktuelle Beispiel hierfür ist die gesetzliche Festlegung eines Mindestlohns von zurzeit 9,50 € pro Stunde (Stand: 01.01.2021) bzw. 10,45 € ab dem 01.07.2022. Auch der Mindesturlaubsanspruch ist gesetzlich festgelegt und beträgt aktuell 20 Urlaubstage bei einer Fünftagewoche, also vier Wochen pro Jahr.

       FALL 1.1

       Versuchen Sie einmal herauszufinden, welche Mindestdauer der Gesetzgeber für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für Arbeitnehmer vorgesehen hat!

       Wissen Sie auch, wie viele Stunden Sie pro Woche maximal arbeiten dürfen?

      Nachdem dieses Begriffspaar in den vorangegangenen Abschnitten bereits mehrfach verwendet wurde, ist es nun vonnöten, es inhaltlich konkret zu bestimmen, d. h. zu definieren.

      


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