Nirgends scheint der Mond so hell wie über Berlin. Группа авторов
(Abb. 4).
So lässt sich also festhalten, dass der Antisemitismus in Deutschland trotz der Vorfälle in letzter Zeit, bezogen auf die Bevölkerung insgesamt, nicht zu-, sondern eher abgenommen hat. Das bedeutet aber nicht, dass er kein Problem wäre. Deswegen lohnt es sich, der Frage nachzugehen, in welchen Bevölkerungsgruppen der Judenhass oder die mit ihm verbundenen Klischeevorstellungen besonders stark vertreten sind.
Traditionell erwartet man, dass die Vorbehalte gegenüber Juden vor allem am rechten Rand des politischen Spektrums besonders stark sind. Andererseits ist in der öffentlichen Diskussion wiederholt darauf hingewiesen worden, dass auch bei der politischen Linken erhebliche antisemitische Affekte vorhanden seien,25 oft verknüpft mit antiamerikanischen Einstellungen. Dies mag in manchen intellektuellen Kreisen der Fall sein, doch insgesamt ist der Antisemitismus in der Tat vorwiegend ein Phänomen der politischen Rechten. Durchgängig zeigt sich in den Umfrageergebnissen, dass die Urteile über Juden bei den Anhängern der AfD deutlich negativer ausfallen als bei den Anhängern aller anderen Parteien. Ein Beispiel hierfür bietet eine Frage, bei der die Theorie von der ›jüdischen Weltverschwörung‹ in einer vorsichtigen Formulierung angesprochen wurde. Sie lautet: »Wenn jemand sagt: ›Juden haben auf der Welt zu viel Einfluss.‹ Würden Sie sagen, das stimmt, oder das stimmt nicht?«
ABBILDUNG 4
Eigenschaften von Juden und Muslimen – Durchschnittswerte
Frage: »Hier steht einiges, was uns andere Leute über Juden/Muslime gesagt haben. Welche Eigenschaften findet man denn Ihrer Ansicht nach besonders häufig bei Juden/Muslimen?« (Vorlage eines Kartenspiels)
Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage Nr, 11086
22 Prozent der Befragten stimmten 2018 der These zu. Bei den Anhängern der Parteien schwankte der Wert zwischen 16 (SPD) und 20 Prozent (Die Linke). Lediglich die Anhänger der AfD fielen vollkommen aus dem Rahmen: Sie vertraten zu 55 Prozent die Ansicht, Juden hätten auf der Welt zu viel Einfluss. Hier trennt ein tiefer Graben die AfD-Anhänger von denen der anderen Parteien (Abb. 5).
ABBILDUNG 5
Die ›jüdische Weltverschwörung‹
Frage: »Wenn jemand sagt: ›Juden haben auf der Welt zu viel Einfluss.‹ Würden Sie sagen, das stimmt, oder das stimmt nicht?«
An 100 fehlende Prozent: Unentschieden Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage Nr, 11086
Auch bei einer analog formulierten Frage, ob Muslime auf der Welt zu viel Einfluss hätten, sonderten sich die AfD-Anhänger von den anderen Befragten ab: Sie stimmten zu 54 Prozent der These zu, während es bei den Anhängern der anderen Parteien zwischen 22 und 35 Prozent waren. Man erkennt, dass Judenfeindlichkeit heute in vielen Fällen mit Moslemfeindlichkeit einhergeht. Sie ist damit letztlich ein Aspekt allgemeiner Fremdenfeindlichkeit – wenn auch einer mit einer besonders langen und besonders grausamen Vorgeschichte.
1 Siehe z. B.: ANNETTE GROSSBONGART; TOBIAS RAPP; ANTONIA SCHÄFER: Der neue alte Hass. In: Der Spiegel, Nr. 42 vom 12. Oktober 2019, S. 18-21. RICHARD C. SCHNEIDER: »Diese lächerlichen Mahnwachen vor Synagogen«. In: Die Zeit, Nr. 43 vom 17. Oktober 2019, S. 2. FREIA PETERS: »Warum machen Leute sowas, Mama?« In: Welt am Sonntag Kompakt, Nr. 41 vom 13. Oktober 2019, S. 6-8.
2 Vgl. ANNABEL WAHBA: Zündstoff. In: Zeitmagazin, Nr. 49 vom 28. November 2018. https://www.zeit.de/zeit-magazin/2018/49/adam-armoush-antisemitismus-gewalt-diskriminierung-geschichte/komplettansicht [19. November 2019].
3 https://www.youtube.com/watch?v=xomjT-16svc [19. November 2019].
4 Vgl. ALEXANDER FRÖHLICH: 31 Seiten Hass gegen israelischen Gastronomen Yorai Feinberg. In: Der Tagesspiegel vom 10. Juli 2018. https://www.tagesspiegel.de/berlin/antisemitismus-in-berlin-31-seiten-hass-gegen-israelischen-gastronom-yorai-feinberg/22783246.html [19. November 2019].
5 Vgl. WALTER BAU: Kirche alarmiert: Mehr Übergriffe auf jüdische Schüler. In: Berliner Morgenpost vom 15. Dezember 2017. https://www.morgenpost.de/politik/article212861431/Kirche-registriert-mehr-Uebergriffe-auf-juedische-Schueler.html [19. November 2019].
6 Vgl. Zentralrat der Juden rät vom Kippa-Tragen ab. In: Zeit online vom 24. April 2018. https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-04/zentralrat-der-juden-josef-schuster-kippatragen-grossstaedte-warnung [19. November 2019].
7 Vgl. die Daten auf der Internetseite des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. https://www.bmi.bund.de/SiteGlobals/Forms/suche/expertensuche-formular.html;jsessionid=7137C2C6DBA2E5C845181DEACE56602D.2_cid364?nn=9388812&resourceId=9389478&input_=9388812&pageLocale=de&templateQueryString=antisemitische+Gewalttaten&submit.x=0&submit.y=0 [19. November 2019]. Übersichtliche grafische Darstellung in GROSSBONGARDT/RAPP/SCHÄFER 2019, S. 20.
8 Vgl. z. B. GROSSBONGARDT/RAPP/SCHÄFER 2019, S. 21-22.
9 Vgl. ebenda, S. 20.
10 INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH: Das Dritte Reich. Eine Studie zu den Nachwirkungen des Nationalsozialismus. Allensbacher Archiv, IfD-Bericht Nr. 6.
11 Die Dokumentation zur Umfrage weist keinen eindeutigen Wert aus. Sie gibt den Anteil für die unter 30-Jährigen und die Befragten ab 50 Jahren mit jeweils 60 Prozent an, für die 30- bis 50-Jährigen mit 54 Prozent, bietet aber keine Information darüber, wie stark die betreffenden Altersgruppen in der Gesamtstichprobe vertreten waren. Der tatsächliche Wert dürfte ungefähr bei 58 Prozent liegen. Ebenda, Tabelle 3 (hinter S. 22).
12 ELISABETH NOELLE; ERICH PETER NEUMANN (Hrsg.): Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1968-1973. Allensbach [Verlag für Demoskopie] 1974, S. 200.
13 ELISABETH NOELLE-NEUMANN; EDGAR PIEL (Hrsg.): Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 1978-1983. München [Saur] 1983, S. 191.
14 ELISABETH NOELLE; ERICH PETER NEUMANN (Hrsg.): Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1947-1955. Allensbach [Verlag für Demoskopie] 1956, S. 129.
15 Ebenda, S. 130.
16 ELISABETH NOELLE; ERICH PETER NEUMANN (Hrsg.): Jahrbuch der öffentlichen Meinung 1958-1964. Allensbach [Verlag für Demoskopie] 1965, S. 218.
17 Ebenda.
18 Vgl hierzu die nach Parteianhängerschaft ausgewiesenen Ergebnisse zur Akzeptanz eines jüdischen Bundeskanzlers in ebenda.
19 Ebenda, S. 216.
20 Ebenda, S. 217.
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