Jüdische Altertümer. Flavius Josephus
zurückeilten. Da nun die Sache gegen ihre Erwartung so schlimm verlaufen war, sank ihnen der Mut, und sie hofften nichts Gutes mehr; denn sie glaubten, das Unglück sei ihnen von Gott geschickt, weil sie ohne seine Zustimmung in den Kampf gezogen seien.
3. Moyses aber sah ihre große Niedergeschlagenheit infolge des unglücklichen Treffens, und da er fürchtete, der Feind möchte durch seinen Sieg übermütig werden und, nach weiteren Erfolgen gierig, zum Angriff übergehen, hielt er es für das Beste, weiter von Chananaea weg mit dem Heere in die Wüste zu rücken. Das Volk aber vertraute sich wieder willig seiner Führung an, denn es sah ein, dass es ohne ihn kein Glück habe. Und sie brachen auf und zogen weiter in die Wüste hinein, denn Moyses glaubte, dass sie hier eher ruhig bleiben und nur dann sich mit den Chananäern in einen Kampf einlassen würden, wenn Gott ihnen eine günstige Gelegenheit dazu zeigen sollte.
ZWEITES KAPITEL
Die Empörung des Kores und seines Anhanges
wider Moyses und dessen Bruder wegen des Priestertums.
1. Wie es aber bei einem großen Heere besonders nach Niederlagen vorzukommen pflegt, dass die Einzelnen eigensinnig und widerspenstig werden, so geschah es jetzt bei den Juden. Denn sie zählten sechshunderttausend Streiter, eine Menge, die kaum bei glücklichem Lauf der Dinge in den Grenzen der Pflicht gehalten werden konnte, um wie viel weniger also in ihrer damaligen Notlage. Daher waren sie zornig auf sich selbst wie auf ihren Führer, und es brach eine solche Empörung unter ihnen aus, wie uns keine ähnliche weder bei den Griechen noch bei den Barbaren bekannt geworden ist. Hierbei gerieten sie alle in die äußerste Lebensgefahr, und sie wären alle umgekommen, wenn Moyses sie nicht, uneingedenk des Unrechtes, das sie an ihm mit der Steinigung verüben wollten, gerettet hätte. Auch Gott verließ sie nicht so gänzlich, dass sie das Unglück nicht hätten überstehen können, sondern obgleich sie sich gegen ihren Gesetzgeber und gegen die Gebote, welche er ihnen durch denselben gegeben, frech vergangen hatten, entriss er sie dennoch dem Verderben, welches die Empörung sicher über sie gebracht hätte, wenn er nicht um ihre Errettung besorgt gewesen wäre. Diese Empörung nun und was Moyses nach ihrer Unterdrückung anordnete, will ich jetzt erzählen, nachdem ich vorher die Ursache, aus der sie entstand, dargelegt habe.
2. Kores, ein durch Abkunft und Reichtum hervorragender Hebräer, gewandt im Reden und erfahren in der Behandlung des niederen Volkes, sah neidisch auf die hohe Würde des Moyses (er war mit ihm aus demselben Stamme und ihm verwandt) und ärgerte sich darüber. Denn er hielt sich selbst dieser hohen Stellung für würdiger, da er reicher sei als Moyses und von Herkunft nicht geringer. Deshalb beklagte er sich bei den Leviten (das waren seine Stammesgenossen) und namentlich bei seinen Verwandten über Moyses. Es sei unrecht, meinte er, dass Moyses immer mehr Ruhm zu erlangen suche und zwar durch verwerfliche Mittel, und dass er stets sich stelle, als ob Gott ihm besonders gnädig sei. Seinem Bruder Aaron habe er in gesetzwidriger Weise das Priestertum übertragen, nicht nach gemeinsamem Volksbeschluss, sondern nach seinem eigenen Gutdünken. Ganz nach Art der Tyrannen vergebe er die Ehrenstellen nach seinem Belieben. Schlimmer noch als offene Gewalt sei aber die heimliche Verübung des Unrechtes, denn sie treffe den Menschen nicht nur gegen seinen Willen, sondern auch ahnungslos. Wer sich nämlich bewusst sei, würdig der Erlangung von Ehrenstellen zu sein, suche sie durch Überredung zu erhalten, nicht aber durch Anwendung von Gewalt zu erzwingen. Wer aber auf geradem Wege nicht dazu kommen könne, enthalte sich zwar, um den Schein des Guten zu wahren, der Gewalt, wende aber Hinterlist an, um zu seinem Zweck zu gelangen. Im Interesse des Volkes liege es, solche Menschen zur Verantwortung zu ziehen, weil sie im Verborgenen ihr Unwesen trieben, und nicht zuzulassen, dass ihre Macht sich mehre, da sie dann später als offene Feinde sich entpuppen würden. »Denn welchen Grund«, fuhr er fort, »kann Moyses dafür beibringen, dass er dem Aaron und dessen Söhnen das Priestertum übertragen hat? Wenn Gott diese Ehre einem aus dem Stamme Levis zugedacht hat, so musste er mich von Rechts wegen vorziehen, da ich an Abkunft dem Moyses gleich, an Reichtum und Alter ihm dagegen überlegen bin. Wenn sie aber dem ältesten Stamme gebührt, so muss sie nach Recht und Gerechtigkeit dem Stamme Rubel zufallen und zwar dem Datham, Abiram und Phalaus. Denn diese sind aus dem Stamme die ältesten und die reichsten.«
3. Indem Kores so sprach, wollte er den Schein erwecken, als habe er nur das allgemeine Wohl im Auge. In Wahrheit aber wollte er das Volk dahin bringen, ihm selbst die Ehrenstelle des Hohepriesters zu übertragen. Seine boshafte, aber wohl durchdachte Rede hielt er zunächst an seine Stammesgenossen. Allmählich aber verbreitete sich das Gesagte weiter, und da jeder, der es vernahm, irgendeine Schmähung gegen Aaron hinzufügte, so waren die Beschuldigungen bald dem ganzen Heere bekannt. Der Mitverschworenen des Kores aber waren zweihundertfünfzig, alles vornehme Männer, die dahin arbeiteten, den Aaron aus der Priesterwürde zu verdrängen und den Moyses mit Schande zu bedecken. Die Empörung ergriff nun das ganze Volk. Man wollte den Moyses steinigen und rottete sich mit großem Aufruhr und Lärm zusammen. Und vor der Hütte Gottes schrien sie insgesamt, man müsse den Tyrannen, der unter dem Vorwande göttlichen Auftrages einen so grausamen Druck ausübe, umbringen und das Volk von seinem Joche befreien. Wenn Gott sich einen Priester hätte erwählen wollen, hätte er einem würdigen Manne diese Ehrenstelle übertragen, und nicht einem, der von vielen übertroffen würde. Und wenn er sie dem Aaron hätte verleihen wollen, würde er dies durch Volksbeschluss getan und nicht seinem Bruder allein die Entscheidung überlassen haben.
4. Obwohl nun Moyses die Schmähungen des Kores schon lange gemerkt und die Erregung des Volkes wahrgenommen hatte, fürchtete er sich nicht, sondern begab sich im Vertrauen auf seine bisherige gute Verwaltung und im Bewusstsein, dass sein Bruder durch Gottes Ratschluss und nicht durch Gunst zur Priesterwürde gelangt sei, mitten unter die Menge. Doch redete er nicht zum Volke, obwohl er in hohem Maße die natürliche Gabe besaß, auf dasselbe einzuwirken, sondern er wandte sich nur an Kores, erhob seine Stimme, so laut er konnte, und sprach: »Kores, sowohl du als auch jeder von diesen hier (dabei zeigte er auf die zweihundertfünfzig) scheint mir der Ehre des Priestertums würdig zu sein, und ich möchte auch niemand aus dem Volke von dieser Würde fern halten, wenn er euch auch an Reichtum und anderen Vorzügen nachstände. Dem Aaron aber habe ich die Priesterwürde nicht wegen seines Reichtums übertragen, denn du besitzest größeren Reichtum als wir beide; auch nicht wegen seiner vornehmen Abkunft, denn hierin hat Gott uns gleichgestellt, da wir denselben Stammvater haben. Auch hat mich nicht brüderliche Liebe dazu verleitet, dem Aaron das zu geben, was auch ein anderer für sich beanspruchen könnte. Denn hätte ich die Ehrenstelle vergeben, ohne auf Gott und das Gesetz Rücksicht zu nehmen, so hätte ich mich selbst doch nicht übergangen und einem anderen die Gunst erwiesen, da ich mir selbst näher stehe als meinem Bruder. Zudem wäre es nicht schlau von mir gewesen, mich durch eine ungerechte Handlungsweise in Gefahr zu stürzen, um einem anderen dadurch Glück zu verschaffen. Aber ich bin nicht der, der euch unrecht tun könnte, und Gott würde es auch nicht zugelassen haben, dass ich ihn so verachtet hätte, und dass ihr über seinen Willen im Unklaren geblieben wäret. Er hat sich vielmehr seinen Priester selbst auserwählt und dadurch jeder Verantwortung in der Sache mich entbunden. Obgleich nun Aaron nicht durch meine Gunst, sondern nach Gottes Ratschluss die Priesterwürde erhalten hat, so will er derselben doch entsagen, um sie denen zu überlassen, die darüber zu entscheiden haben, und er will sie nur dann weiter behalten, wenn die Schiedsrichter sich für ihn erklären. Übrigens behält er sich aber sein gutes Recht vor, dass er ebenso gut wie andere sich darum bewerben darf. Denn es ist ihm weit lieber, euch nicht in diesem Aufruhr zu sehen, als jene Würde zu besitzen, obwohl er mit eurer Zustimmung zu dem Amte gelangt ist. Es ist ja billig von uns, anzuerkennen, dass wir das, was Gott uns verliehen, auch eurer Zustimmung zu verdanken haben. Auch wäre es ein Zeichen von Gottlosigkeit, eine Ehrenstelle zurückzuweisen, die Gott selbst uns übertragen will; ja, es wäre unvernünftig, sie nicht anzunehmen, wenn Gott sie uns für alle Zeiten verleihen und uns in ihrem Besitz sicherstellen will. Darum mag er jetzt von neuem darüber entscheiden, wer für euch ihm Opfer darbringen und den Gottesdienst versehen soll. Denn es wäre doch unbegreiflich, wenn Kores in seinem ehrgeizigen Streben nach dieser Würde Gott das Recht absprechen wollte, zu dem Amte zu berufen, wen er will. Darum lasset jetzt davon ab, wegen dieser Sache Empörung und Unruhe zu erregen. Morgen aber seid ihr alle, die ihr euch um die Priesterwürde bewerben wollt, zur Stelle, und jeder bringe von Hause eine Rauchpfanne, Räucherwerk und Feuer mit. Und auch du, Kores,