Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman. Helga Torsten

Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman - Helga Torsten


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      Sybill nickte. »Ja«, sprach sie mit überzeugender Stimme.

      Sehr langsam schob sich eine kleine Hand in die ihre.

      »Ich will nicht, daß er traurig ist. Ich war auch so traurig, als die Tante im Internat mir sagte, daß die Mami nie wiederkommt, weil sie nun immer beim lieben Gott bleiben muß. Es ist gar nicht schön, wenn man traurig ist.«

      Er sagte das mit so großem Ernst, daß es sie erschütterte.

      Was für ein lieber kleiner Kerl!

      Sie nahm die kleine Hand fest in die ihre und schritt mit ihm durch den Wald, über den sich langsam die Schatten der Dämmerung senkten, zum Schloß zurück.

      Fürst Degencamp war noch nicht von der Suche zurück. Sie setzte sich mit dem Kind in die große Halle und ließ sich von Wolfram erzählen, was er im Internat erlebt hatte.

      Sybill saß in einen der großen, weichen Ledersessel geschmiegt, und Wolfram kauerte auf einem niedrigen Schemel zu ihren Füßen. Er erzählte eifrig – von den Freunden, von den Tanten und von allen denen, die er in sein kleines Herz geschlossen hatte.

      Sybill hörte ihm so aufmerksam zu, daß sie den Fürsten erst bemerkte, als er schon dicht neben ihnen stand.

      »Sie haben ihn gefunden. Ich bin Ihnen so dankbar, Baronesse.«

      Sein Gesicht wirkte grau und eingefallen. Die schmalen Lippen bebten.

      Der Kleine war aufgestanden. Es kam ihr vor, als betrachte er seinen Vater ohne Furcht, aber mit großem Ernst.

      »Er hat geglaubt, er sei verzaubert worden«, sagte sie sehr leise. »Er dachte, dies hier sei nur ein Märchen. Es wird gut sein, ihm alles zu sagen – ich meine – alles.« Sie zögerte. Sie war nicht sicher, wie er ihre Worte auffassen würde.

      Der Fürst blickte versonnen vor sich hin. »Aber wird er verstehen? Er ist doch noch so klein.«

      »Er ist ein intelligenter Junge. Ich würde es versuchen, Fürst Degencamp.«

      »Ich danke Ihnen.«

      Er drückte ihr bewegt die Hand. »Wo haben Sie ihn gefunden?«

      »Mitten im Wald, auf einer Wiese. Er wirkte ganz einsam und braucht sehr viel Liebe, glaube ich.«

      In ihren schönen dunklen Augen leuchtete es warm. Sie nickte dem Kleinen zärtlich zu. Dann neigte sie grüßend den Kopf mit den glänzenden Locken und schritt schnell davon.

      *

      Sie arbeiteten noch ein paar Tage auf den Feldern draußen, dann war es geschafft. Die Ernte war eingebracht.

      Man sah es den Studenten an, daß sie viel im Freien gearbeitet hatten. Sie waren braungebrannt und sahen gut erholt aus.

      »Am Sonntag findet ein großes Erntefest statt«, sagte Claudia aufgeregt zu Sybill. »Aber wir werden wohl nicht mehr hier sein. Eigentlich schade, nicht wahr? Es hat mir viel Spaß gemacht.«

      »Ach, ich weiß nicht«, antwortete Sybill nachdenklich. »Vielleicht ist es besser so.«

      Claudia sah sie erstaunt an. Bevor sie etwas sagen konnte, kam einer der Kommilitonen und verkündete begeistert, daß der Fürst sie alle einlade, sich vierzehn Tage lang auf dem Schloß zu erholen.

      »Er sagt, wir sollen uns als seine Gäste fühlen. Ist das nicht sehr liebenswürdig?«

      Claudia schlug jubelnd in die Hände.

      »Ja, wirklich, sehr nobel von ihm, nicht Sybill?«

      Sybill nickte langsam. »Doch. Aber ich weiß nicht – Mama erwartet mich. Ich glaube, ich kann die Einladung nicht annehmen.«

      »Aber Sybill! Du bist doch so gern draußen auf dem Land. Ich versteh’ dich wirklich nicht. Du kannst deiner Mutter doch ein Telegramm schicken.«

      Claudia sah die Freundin erstaunt an.

      »Das könnte ich – trotzdem – sie ist es nicht gewohnt, so lange allein zu sein. Seid mir bitte nicht böse. Ich fahre lieber heim.«

      Sie ahnte selbst nur, was sie sich nicht einzugestehen wagte: daß das eine Flucht war vor einer Liebe, die von vornherein aussichtslos sein mußte.

      Sie schlenderten langsam auf den Gutshof. Von den Ställen klang das leise Wiehern der Pferde her­über. Die Mägde gingen mit klappernden Eimern in den Kuhstall. Vom Geflügelhof hörte man das aufgeregte Gackern der Hennen, die ihr Futter bekamen.

      All das waren wunderbar vertraute Geräusche, vertraut und in der Enge der Großstadt so schmerzlich vermißt.

      Sybill seufzte schwer.

      »Ich komme noch nicht mit hinein«, sagte sie. »Ich gehe ein bißchen in den Wald, bleibe aber nicht lange. Bis nachher also.«

      Es erschien ihr plötzlich unerträglich, ins Haus und in ihr Zimmer zu gehen. Sie hatte das Bedürfnis, jeden Augenblick, den sie noch hier verleben konnte, draußen in der frischen Luft zu verbringen.

      Als sie an der Schmalseite des langen grauen Schloßgebäudes entlangging, sah sie einen Wagen die breite Ahornallee heraufkommen.

      Es war der Mercedes des Fürsten.

      Er saß selbst am Steuer, neben ihm ein junges Mädchen, ganz in Schwarz gekleidet, das sich lebhaft mit ihm unterhielt.

      Sybill spürte, daß Schmerz sie durchzuckte, wie ein feiner, schneller Nadelstich, der einen unvorbereitet trifft.

      Wer saß da neben dem Fürsten? Seine Braut vielleicht? Bevor der Wagen ihren Blicken entschwunden war, hatte sie noch eine ältere Dame gesehen, die im Fond saß.

      Sybill ging schneller. Sie lief fast. Eine Hand hielt sie auf ihr Herz gepreßt, das schwer und dumpf schlug.

      Im schützenden Halbdunkel des Waldes warf sie sich unter einer schlanken Birke ins Gras und starrte in den lichtblauen Himmel hinauf, vor den die sich schon leicht verfärbenden Blätter der Birke wie feines Filigran breiteten.

      Ich kenne ihn doch kaum, dachte sie erschrocken.

      Es kann doch nicht sein, daß man sich in einen Mann verliebt, mit dem man nur einige Male gesprochen, von dessen Existenz man nie etwas geahnt hat?

      Es kann nicht sein! Es kann nicht sein! hämmerten ihre Gedanken. Ihre weit geöffneten Augen sahen nicht den Himmel über sich, nicht die zarten Blätter der Birke, die leise im Wind bebten, sie glaubten, ein männlich-herbes Antlitz zu sehen, aus dem zwei graublaue Augen voll zärtlicher Ironie auf sie herabsahen und ein stolzer Mund Worte zu ihr sprach, die sie nur im Traum zu ersehnen wagte.

      Ein Windstoß fuhr durch die sanft gewölbte Krone der Birke. Er trieb ihre Äste und Zweige zusammen, daß sie sich zu einem dichtgeschlossenen Dach vor dem Himmelsblau verdichteten.

      Auch als der nächste Windstoß sie wieder auseinanderriß, sah Sybill den Himmel immer noch nicht. Aber die Augen, von denen sie eben geträumt, waren über ihr, und eine helle Stimme sagte vorwurfsvoll:

      »Hier sind Sie also! Und ich habe überall nach Ihnen gesucht.«

      Sie fuhr empor.

      »Du bist es, Wolfram«, sagte Sybill erstaunt. »Bist du etwa schon wieder fortgelaufen?«

      »Nein. Ganz bestimmt nicht!«

      Er hockte sich neben sie ins Gras.

      »Es war so langweilig in meinem Zimmer. Ich mag all die neuen Spielsachen nicht, die –«, er zögerte unmerklich – »Vater mir geschenkt hat. Und ich war so allein. Da habe ich gedacht, ich könnte Sie vielleicht mal besuchen. Ich habe Sie gesucht – überall. Und dann dachte ich, weil ich Sie doch damals im Wald getroffen habe, vielleicht sind Sie…«

      »Und nun bin ich da wirklich!«

      Sie lachte fröhlich. Aber gleich darauf sagte sie, ernster werdend:

      »Du hast sicher niemandem gesagt, wohin du


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