Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman. Helga Torsten

Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman - Helga Torsten


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Vater ist ja nicht da. Er ist mit dem Auto fortgefahren. Zuerst wollte er mich mitnehmen. Aber dann hat er gesagt, es sei vielleicht doch besser, wenn ich hierbliebe. Er hat so was wie: Man muß sie erst vorbereiten – vor sich hingemurmelt. Ich habe es genau verstanden.«

      Er sah sie aufgeregt an. »Ich glaube, es kommt jemand zu Besuch. Die Lina hat es auch gesagt.«

      Wieder durchfuhr der feine Nadelstoß ihr Herz. Ihr Lächeln wirkte verzerrt, als sie leise fragte:

      »Und warum magst du die schönen Spielsachen nicht, die dein Vater dir geschenkt hat?«

      »Och, ich muß ja immer ganz allein mit ihnen spielen. Das ist so langweilig.«

      Er verzog das niedliche Gesicht zu einer Grimasse.

      Sybill erhob sich aus dem Gras und strich ihren Rock glatt.

      »Ich denke, wir gehen jetzt zusammen zum Schloß zurück. Es könnte doch immerhin sein, daß dein Vater sich ängstigt, wenn er dich nachher nicht in deinem Zimmer findet. Vielleicht denkt er dann, du seist wieder fortgelaufen.«

      »Aber er ist doch nicht da«, versuchte Wolfram einzuwenden.

      »Doch! Er ist schon wieder zurück. Ich habe ihn vorhin kommen sehen.«

      Sie nahm ihn an die Hand, und er ging willig mit.

      »Ich mag Sie sehr«, vertraute er ihr an, und die kleine Hand drückte die ihre ganz fest. »Könnten Sie nicht ein Weilchen zu mir heraufkommen und mit mir spielen?«

      »Ich weiß nicht, ob ich das kann«, zögerte sie. »Vielleicht ist es dem Fürsten nicht recht.«

      »Ich werde ihn einfach fragen«, beschloß der Junge und sah sie triumphierend an. »Werden Sie dann kommen?«

      »Ja. Aber ich fahre schon bald nach Hause.«

      »Nach Hause? Wohnen Sie denn nicht immer hier im Schloß?«

      Grenzenlose Enttäuschung klang aus den Worten des Kindes. Sybill hörte es gerührt. Liebevoll strich sie mit ihren schlanken Fingern durch sein dichtes braunes Haar.

      »Magst du mich denn ein bißchen?« fragte sie leise.

      »Sehr!« klang es voller Inbrunst zurück.

      Sie waren beim Schloß angekommen. Eben öffnete sich die schwere Eingangstür, und der Fürst trat heraus.

      Als er das junge Mädchen erblickte, das seinen Sohn an der Hand hielt, ging ein frohes Leuchten über sein Gesicht. Er eilte die Treppe hinunter auf sie zu.

      »Da bist du ja, Wolfram«, sagte er erleichtert. »Ich habe dich schon vermißt.«

      Sybill ließ den Kleinen von ihrer Hand, aber er lief nicht zu seinem Vater. Er blieb an ihrer Seite.

      »Ich möchte so gern, daß sie mich besucht, Vater. Aber sie sagt, sie fährt fort, nach Hause. Kann sie nicht noch ein bißchen bleiben?«

      Wolfram sah den Vater bittend an. Leise und ein bißchen verschämt fügte er hinzu:

      »Sie ist so lieb. Ich mag sie sehr gern.«

      Der Fürst warf einen erstaunten Blick auf das junge Mädchen. Wie hatte sie es nur fertiggebracht, in so kurzer Zeit das Herz seines Sohnes zu erobern?

      Sybill sagte schnell, als ahne sie seine Gedanken:

      »Er möchte mir seine neuen Spielsachen zeigen, nicht wahr, Wolfram?«

      Der Kleine nickte eifrig.

      »O ja, Vater. Darf ich das bitte?«

      Es war die erste Bitte, die sein Sohn an ihn richtete. Hasso von Degencamp sah voller Staunen auf das Mädchen, das dieses Wunder vollbracht hatte. Die Verschlossenheit und innere Abwehr des Kindes hatten ihn fast verzweifeln lassen.

      »Natürlich darfst du«, sagte er. »Die Baronesse wird noch zwei Wochen hiersein. Vielleicht spielt sie manchmal mit dir, wenn du sie schön bittest.«

      »Aber sie hat doch gesagt, sie fährt schon bald nach Hause«, sagte Wolfram traurig.

      Der Fürst sah sie fragend an. Sybill nickte zögernd.

      »Ja, es stimmt. Ich danke Ihnen für Ihre großzügige Einladung. Aber ich kann sie nicht annehmen, meine Mutter erwartet mich. Außerdem möchte ich vermeiden, mich wieder zu sehr an das Landleben zu gewöhnen. Es ist dann viel schwerer für mich, in die Stadt zurückzukehren.«

      »Und wenn Sie für immer hierblieben? Ich meine als Erzieherin meines Sohnes«, fragte der Fürst spontan.

      Ihr Herz schlug unwillkürlich schneller, aber dann schüttelte sie stumm den Kopf.

      »Heißt das nein?«

      Man hörte die Enttäuschung aus den Worten des Fürsten, als er schnell weitersprach:

      »Aber warum denn nicht? Ich biete Ihnen ein gutes Gehalt. Wenn Sie es wünschen, kann Ihre Frau Mama ebenfalls hierherkommen. Selbstverständlich werden ein Kindermädchen und ein Hauslehrer zu Ihrer Entlastung eingestellt.«

      Sie lächelte zaghaft. »Es geht nicht, wirklich nicht. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, Durchlaucht.«

      Von der Treppe her klang die Stimme eines jungen Mädchens:

      »Hallo, Hasso! Wo steckst du denn?«

      Sybill verabschiedete sich schnell. Dann lief sie davon. Es sah fast wie eine Flucht aus.

      »Wer war denn das?«

      Diana kam die Treppe heruntergelaufen. Sie sah der Davoneilenden neugierig nach.

      »Das war die Baronesse von Gereneck. Sie hat uns bei der Ernte geholfen.«

      Der Fürst schien zerstreut. Diana sah ihn erstaunt an. Sie wollte etwas sagen, als die Stimme ihrer Mutter ertönte:

      »Du wirst dich erkälten, Diana. Binde dir ein Tuch um.«

      Das junge Mädchen errötete.

      »So rasch erkälte ich mich nicht, Mama. Es ist überhaupt nicht kalt draußen.«

      »Wollt ihr nicht hereinkommen?«

      Die Gräfin beugte sich über das Geländer und sah hinunter. Als sie den Jungen erblickte, stutzte sie.

      »Wer ist denn das?«

      »Ich werde es euch gleich erklären«, sagte der Fürst schnell. »Komm, Wolfram, begrüße deine Tante und deine Kusine.«

      »Kusine? Tante?«

      Die Gräfin riß ihre Augen auf.

      Der Kleine verbeugte sich artig und reichte den beiden Damen die Hand.

      »Wolfram ist mein Sohn!«

      Die Worte des Fürsten schlugen wie eine Bombe ein.

      »Ich habe überhaupt nicht gewußt…« Nach einem Blick auf den Jungen, der sie neugierig musterte, verstummte die Gräfin.

      »Geh auf dein Zimmer, Wolfram. Wasch dir die Hände und laß dich zum Essen ankleiden«, sagte der Fürst. Das Kind ging gehorsam nach oben.

      »Es ist schwierig ohne Erzieherin«, seufzte der Fürst. »Ich habe annonciert. Aber bisher habe ich niemanden gefunden, der mir geeignet schien.« Er verstummte.

      Sie gingen in den Blauen Salon, und die Gräfin ließ sich in einen der brokatbespannten Sessel fallen.

      »Du wolltest uns erklären, Hasso«, begann sie unruhig.

      »Ach ja, natürlich.«

      Er zog ein silbernes Zigarettenetui aus der Tasche und reichte es der Kusine hinüber. Dann steckte er sich selbst eine Zigarette an. Auf den Gedanken, daß Diana ebenfalls schon rauchen könnte, kam er nicht. Sie war für ihn noch ein Kind.

      »Ich weiß selbst erst seit einiger Zeit, daß ich einen Sohn habe«, begann er. Und er erzählte der aufhorchenden Gräfin alles


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