Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman. Helga Torsten

Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman - Helga Torsten


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kann jemand kommen!«

      Stoffel verteidigte seine immer heißer und klebriger werdenden Finger.

      Man konnte gewiß ein Held sein, aber auch Helden schwitzen gewiß mal vor Angst. Man durfte die Angst nur nicht zeigen. Sonst war man eben kein Held.

      Stoffel nahm den Hörer ab.

      »Hallo!«

      Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine freundliche Stimme.

      »Den Herrn Professor? Ja, wer…«

      »Christopher von Bassarow«, meldete sich Stoffel jetzt mit ganz energischer Stimme.

      »Einen Augenblick, bitte!«

      Und dann meldete sich die etwas überraschte Stimme Professor Ringlings.

      Er hatte gerade sein Arbeitszimmer verlassen wollen, als der Anruf kam

      Christopher? Christopher Bassarow? War da etwas geschehen?

      »Was gibt’s?« Der gütige alte Herr hatte selbst durch das Telefon eine beruhigende Stimme, die Stimme, von der seine Patienten behaupteten, man würde schon bei ihrem Klang gesund.

      »Wir sind krank!« ertönte es jetzt aus der Villa Bassarow, aber gar nicht kläglich, sondern recht kraftvoll, wenn auch mit einer verhaltenen Angst.

      »Krank seid ihr? Was fehlt euch denn?«

      Aus dem Apparat murmelte eine Kinderstimme, als Jasmine jetzt den Raum betrat.

      Sie wollte noch das schriftlich niedergelegte Ergebnis eines Laborversuches abgeben. Eigentlich hatte sie den Professor gar nicht mehr erwartet.

      »Bleiben Sie mal hier!« Der Mann deckte für einen Augenblick den Apparat mit der Hand ab. »Da sind die kleinen Bassarows.«

      Christopher und Vronli! Jasmine erschrak. Aber seit dem entsetzlichen Unglück mit Harald Brockdorff hatte sie sie nicht mehr besucht, ihnen nur gelegentlich einmal eine Postkarte geschrieben. Sie habe so sehr viel zu tun, schrieb sie, das war alles gewesen.

      Wie durfte sie nur das Haus von Michail von Bassarow betreten, der sich gewiß in ganz absehbarer Zeit mit Charlotte Ringling verloben würde?

      Charlotte Ringling, die Tochter des von Jasmine so sehr verehrten Professors.

      Lautlos mußte sie aus diesem Kreis verschwinden, um nicht irgendwelches Unheil heraufzubeschwören.

      Professor Ringling betrachtete des Mädchens Mienenspiel.

      Sie konnte so schlecht ihr Gesichtchen beherrschen. Man las den Widerstreit jetzt im kommenden und gehenden Blut, das Jasmine einmal totenblaß, einmal hochrot werden ließ.

      Ein süßes kleines Geschöpf!

      Es ist eigentlich gar nicht zu verstehen, daß Bassarow nicht endlich zugreift und dieses Mädchen, das auch die beste Mutter für seine Kinder wäre, an sich bindet, dachte Professor Ringling.

      Na ja – wir Männer!

      »Also«, sprach er jetzt wieder in den Hörer.

      Jasmine stand dicht vor seinem Schreibtisch, streichelte nervös über die soeben hingelegten, eng mit Formeln bedeckten Blätter. »Also, ihr seid krank? Da werde ich wohl mal am besten selbst bei euch hereinschauen. Habe dem Papa ohnehin versprochen, ihn heute nachmittag zu besuchen. Dann bis nachher.«

      Professor Ringling schien ein erleichtertes Aufatmen durch den Apparat gehört zu haben. Aber er hörte auch, daß Jasmine ein wenig schmerzlich aufseufzte.

      »Na, und Sie, Kind, gehen natürlich mit!«

      Der alte, gütige Herr hatte sich nun erhoben.

      »Oder paßt es Ihnen heute nicht? Haben Sie etwas anderes vor?«

      Professor Ringling schaute in Jasmines bleiches Gesicht.

      »Ich möchte nicht mit, Herr Professor«, erklärte sie dann leise, aber sehr fest.

      Professor Ringling schüttelte den Kopf.

      »Sie lieben die Kinder doch so sehr, Jasmine!«

      »Ja, aber…« Jasmine stotterte. »Ich… ich will nicht in die Villa Bassarow.«

      Professor Ringling stand jetzt ganz dicht vor dem Mädchen.

      Seine schlanken Hände umspannten ihre zarten Schultern, die plötzlich in einem inneren Weinen zu zucken begannen.

      »Da ist doch etwas nicht in Ordnung«, sagte er sehr langsam und zwang Jasmine, ihn anzuschauen, ohne auch nur einen Herzschlag lang ausweichen zu können.

      »Fürst Bassarow und Ihre Tochter…«

      Wie hypnotisiert flüsterte es das Mädchen.

      »Charlotte und Michail Bassarow?« Professor Ringlein lachte laut auf. »Das möchte sie wohl, meine gute Charlotte. Aber die Trauben hängen ihr ganz gewiß zu hoch.«

      Der Mann fühlte, wie das Mädchen plötzlich in sich zusammensank.

      Hätte er sie nicht gestützt, sie wäre wohl zu Boden gesunken.

      »Na, mal Platz genommen, kleine Patientin. Ich glaube, bei Ihnen hat da irgend etwas ausgesetzt, wie?«

      Nun schluchzte Jasmine wirklich laut auf.

      Verliebt, rettungslos verliebt! stellte der erfahrene Menschenkenner fest. Und nicht nur das, sie legte sich selbst tausend Hindernisse in den Weg.

      Welche törichten Gedanken geisterten durch diesen kleinen, sonst so klugen Kopf?

      Professor Ringling hatte Jasmine sehr genau nach dem tragischen Unfall Harald Brockdorffs beobachtet.

      Und wenn er damals glaubte, es habe sich etwas zwischen diesen beiden Menschen angesponnen, so hielt er es in der Folgezeit nicht mehr für möglich. Er kannte die genauen inneren Zusammenhänge nicht, fragte aber auch nicht.

      Aber eins wußte er in dieser Stunde: Jasmine liebte nicht nur den Stoffel und das Vronli, sondern auch deren Vater.

      Ich werde ihm mal die Augen öffnen, diesem Mann, der immer nur Bilder sieht statt Menschen. Den Marsch werde ich ihm blasen, und das nicht zu knapp!

      Der alte Herr redete sich förmlich innerlich in Eifer.

      Nach außenhin aber sagte er ganz ruhig: »Jetzt gehen Sie, waschen sich das Gesicht, legen alles auf, was Frauen für ihre Schönheit nötig haben, nur nicht im Übermaß wie meine gute Charlotte. Und dann fahren wir gemeinsam zu den beiden allem Anschein nach völlig durchgedrehten Bassarowschen Hascherln hinaus. Das ist der Befehl eines Vorgesetzten, Fräulein stud. med. oder Fräulein Doktor in spe. oder was Sie auf diesem Gebiet sonst noch hören wollen.«

      Während der ein wenig barschen Worte streichelte der Mann ganz zart über das tizianfarbene, seidige Haar des Mädchens.

      *

      »Er kommt!« meldete Stoffel von seinem Beobachtungsplatz am Kinderzimmerfenster. Er sah die ihm bekannte Limousine die breite Einfahrtsstraße auf das Haus zufahren.

      »Dann sind wir gerettet«, seufzte Vronli erleichtert auf. »Aber, wie ist das mit unserem Kranksein?«

      »Es gibt innere Krankheiten, die man gar nicht zu sehen braucht«, belehrte Stoffel. »Manchmal sieht einer ganz gesund aus, fällt plötzlich um und ist tot.«

      »Ich möchte aber nicht umfallen und tot sein!«

      Vronlis Augen wurden übergroß und sehr angstvoll.

      »Brauchst ja nicht gleich tot zu sein«, beschwichtigte Stoffel. »Hauptsache, wir kommen in die Klinik!«

      So sehr die Kinder aber auch lauschten – sie hörten keine Schritte auf der Treppe. Nur fern schlug eine Tür.

      »Papas Arbeitszimmer!«

      Wieder weinte Vronli.

      Stoffel aber schüttelte den Kopf, daß die dunklen Locken


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