Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman. Helga Torsten

Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman - Helga Torsten


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      »Sie hat uns nie mehr besucht.« Vronlis Stimmchen klang ein wenig vorwurfsvoll.

      »Na, Erwachsene müssen doch arbeiten. Die können nicht den ganzen Tag mit Puppen spielen«, sagte Stoffel angriffslustig.

      Vronli saß wortlos vor dem kleinen Schreibpult, an dem sie immer die Schularbeiten machte.

      Und vor ihr saß Julius. Er war ganz Würde und schien maunzend zu sagen: Nun geduldet euch doch nur. Es geht nun einmal nicht alles so schnell, wie man sich das wünscht!

      Die Tür des Kinderzimmers stand einen Spalt offen.

      Stimmen klangen aus dem unteren Stockwerk hinauf. Und die schienen dem graufelligen Kater Julius bekannt zu sein. Dennoch, mit einem plötzlichen Satz räumte er plötzlich das mit Tinte verschmierte Schulpult, schlüpfte zur Tür hinaus und verschwand.

      »Julius, Julius!« Stoffel sprengte seine Stimme gewaltig an.

      Das hatte noch gefehlt, daß nun auch Julius Scherereien machte, da er schließlich doch schon bei Frau Franzen abgeschrieben war.

      Wenn er sich jetzt noch etwas zuschulden kommen ließ, dann ist’s wirklich aus mit ihm, dachte Stoffel und jagte dann hinter dem Entflohenen her.

      Vronli folgte ihm. Das Harlekinchen zog sie hinter sich her.

      *

      Da erklang vor den außer Atem geratenen Kindern plötzlich Jasmines geliebte Stimme: »Aber, aber, das Harlekinchen wird ja ganz schmutzig.«

      »Jasmine!« Stoffel umarmte das Mädchen beinahe so stürmisch, daß er sie zu Boden warf. »Bist du mit dem Onkel Professor gekommen?«

      »Ich meinte, ihr seid krank?«

      Jasmine schaute in die Gesichter der beiden Kinder, die heiß und rot von Laufen waren.

      »Gott sei Dank, daß ihr gesund seid, ihr kleinen Schätze!« Jasmine legte die Arme um die Kinder.

      »Pst!« Stoffel legte den Finger an die Lippen. »Das hat doch alles seine Bedeutung!«

      Und dann flüsterte er Jasmine ins rechte und Vronli ins linke Ohr, was sich zugetragen hatte: Beide sitzengeblieben. Und die Zeugnisse waren zerfetzt. Und Julius sollte das Haus verlassen! Na, wenn das nicht genüge, um krank zu sein!

      »Krank zu spielen«, lächelte Jasmine und streichelte über den dunklen und den goldhellen Lockenkopf. »Eigentlich seid ihr ein bißchen feige!«

      Da schüttelte Stoffel ganz energisch den Kopf. »Auch für Helden kann’s mal zuviel werden. Und wir wissen doch, daß Onkel Professor… na, der ist eben prima. Und wir haben doch gewußt, daß auch du bei ihm bist.«

      »Jasmine?« Vronlis Silberstimmchen war ganz vorwurfsvoll. »Jasmine, weshalb hast du uns nie mehr besucht?«

      »Ach!« Jasmine zuckte mit den Schultern. »Vielleicht war ich auch feige. Man kann nicht immer ein Held sein«, wiederholte sie Stoffels Worte.

      Der Junge hielt plötzlich erneut den Finger auf den Mund.

      »Still. Da hör’?ich Julius. Lieber Gott, mach ihn unsichtbar!« Stoffel faltete die kleinen Bubenfäuste. »Julius ist in Papas Arbeitszimmer gelaufen.«

      »Na, dann wollen wir mal sehen.« Jasmine steckte das Taschentüchlein ein, das sie sich noch aus der Manteltasche geholt hatte.

      »Aber leise!« Vronli wisperte. »Leise. Wer weiß, was Julius nun schon wieder tut. Vielleicht bittet er Papa, daß er bleiben kann.«

      »Hast du schon mal Papas gesehen, die die Katzensprache verstehen?« meinte Stoffel altklug.

      Nun verhielt Jasmine den Schritt.

      »Aus dem Arbeitsraum, dessen Türklinke der geschickte Julius in alter Gewohnheit heruntergedrückt haben mußte, um hineinzuschlüpfen, hörte man jetzt die Stimmen von Professor Ringling und Michail von Bassarow.

      »Nein«, erklärte der Fürst. »Für den Preis ist mir das Gemälde der kleinen Madonna nicht feil.«

      »Bassarow, alter Kunstfreund!« Das war des Professors Stimme. »Das Bild ist meiner Ansicht nach mehr als überbezahlt. Mein Bekannter ist nun einmal ein Liebhaber oberrheinischer Madonnen.«

      »Ich auch«, lächelte der Fürst. »Und wer sagt Ihnen überhaupt, daß mir diese Madonna feil ist?«

      »Nun, als Mittelsmann meines Interessenten darf ich Ihnen auch noch einen höheren Preis bieten.« Das war wieder Professor Ringling. »Bassarow – er bietet Ihnen wahrhaftig ein Vermögen!«

      Die Tür war jetzt so weit geöffnet, daß Jasmine sah, wie Michail von Bassarow mit den Schultern zuckte.

      »Ja, für Bilder, dafür gibt Papa alles«, stellte Stoffel fest. »Die sind ihm mehr wert als wir!« setzte er trotzig hinzu.

      »Das darfst du nicht sagen, Stoffel!« verwies ihn Jasmine.

      Doch noch ehe sie Weiteres sagen oder sich melden konnte, um nicht etwa eine unfreiwillige Lauscherin weiterer Gespräch zu werden, geschah etwas, was selbst dem alten Professor Ringling den Atem stocken ließ.

      Die Kinder aber waren schneeweiß, auch Jasmine.

      Nur dem Fürsten Bassarow stieg das Blut lodernd bis in die Stirn.

      Ja, da jagte er unter einem der Sessel hervor, unter dem er sich bisher verborgen hatte, der Kater Julius!

      Er sprang mitten auf den großen Arbeitstisch des Fürsten. Einen Augenblick verharrte er ganz still vor dem Madonnenbild.

      Dann verzauberte ihn der Goldglanz des Hintergrundes derart, daß er die Pfoten danach ausstreckte. Und nicht nur die Pfoten, auch die Krallen. Die Madonna blutete nicht, aber scharfe Risse zogen sich über ihr lächelndes, bezauberndes Gesicht.

      »Tot schlage ich dich, Vieh, abscheuliches!«

      Michail von Bassarow griff zum nächstbesten Gegenstand. Ein schwerer, vergoldeter Leuchter sauste hernieder.

      Julius aber hatte das Unheil kommen sehen. Mit einem blitzschnellen Satz verließ er die Stätte seiner Untat und flitzte zur Tür hinaus.

      Papa! wollte Stoffel noch schreien.

      Aber dann gab er doch lieber Fersengeld. Er hielt in diesem Augenblick nichts von einem standhaften Heldentum.

      Fort, nur fort!

      Jasmine riß die Tür zur Freitreppe auf. Genau wie die Kinder hatte sie kein anderes Bestreben, als zu entfliehen.

      Fort – in Sekundenschnelle waren sie verschwunden: Jasmine, Stoffel, Vronli und natürlich auch der Kater Julius.

      In seinem Arbeitszimmer sank Michail von Bassarow wie gebrochen vor dem zerstörten Bild nieder.

      »Es ist schrecklich«, sagte der alte Professor Ringling beinahe hilflos.

      Was sollte er schon sagen im Anblick eines zerstörten Gemäldes, das dem Fürsten Bassarow nicht für ein Vermögen feil gewesen war.

      Dessen Augen waren völlig starr.

      Immer wieder streichelten seine Hände über die Risse und Schramme, die Julius hinterlassen hatte.

      Seltsamerweise aber sprach er nicht mehr vom Wert des Gemäldes, er flüsterte nur immer wieder einen Namen: »Schneekönigin… Jasmine… Jasmine!«

      Professor Ringlings Blick wanderte zwischen dem erstarrten Mann und dem Gemälde hin und her.

      Und plötzlich ahnte er den Zusammenhang.

      Diese kleine oberrheinische Madonna ähnelte auf eine geradezu überraschende Weise der kleinen Jasmine.

      Michail Fürst von Bassarow liebte nicht das Bild. Zum ersten Male liebte er über jedes Maß hinaus einen Menschen, dessen Abbild er in dem zerstörten Gemälde gesehen hatte.

      »Sie sollten sich an die menschliche und irdische Wirklichkeit halten, Bassarow«,


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