Waldbrandfrüherkennung. Dirk Schneider

Waldbrandfrüherkennung - Dirk Schneider


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Systeme und Methoden einem vorwiegend technischen und in begrenztem Umfang einem wirtschaftlichen Leistungsvergleich zu unterziehen, der sich sowohl an spezifischen technischen Funktionsmerkmalen als auch am Wirkbetrieb für einen frei gewählten Schutzbereich und folgend an einem realen Schadensfall, der Waldbrandkatastrophe in der Lüneburger Heide im Jahre 1975, orientiert.

      Wesentliches Ziel ist auch die Entwicklung definierter Anforderungskriterien an Systeme zur Früherkennung von Wald- und Vegetationsbränden, die in einem Leistungspositionskatalog zu bündeln sind. Die zu definierenden Anforderungskriterien sollen die praktischen Erfordernisse des Einsatzdienstes der Feuerwehr sowie Belange der Sicherheitstechnik, der freien Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes berücksichtigen. Dabei ist davon auszugehen, dass dieser so entwickelte und nachfolgend dargestellte Leistungspositionskatalog Neuigkeitscharakter aufweist. Im Weiteren sind auch die Einflussfaktoren zu ermitteln, die sich auf die Beschaffung bzw. den Einsatz eines Früherkennungssystems auswirken. Für ein weitergehendes Verständnis wird neben der Darstellung unterschiedlicher Methoden der Früherkennung von Wald- und Vegetationsbränden auch auf die Waldbrandsituation speziell in der Bundesrepublik Deutschland und ihre Ursachen eingegangen.

      2 Die Waldbrandsituation in Deutschland

      Der Begriff der »Waldbrandgefahrenklassen« wurde schon vor dem zweiten Weltkrieg erdacht. Hierzu wurde durch Professor Weck eine Statistik der preußischen Staatsforsten ausgewertet, welche sich inhaltlich über einen Zeitraum von 60 Jahren erstreckte. Die Ergebnisse dieser Statistik kamen jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg – zunächst in den Ländern der Sowjetischen Besatzungszone, dann im Hoheitsgebiet der entstehenden DDR – zum Tragen (Sobczyk, 2014). So wurden die Waldbrandgefahrenklassen nach langen aber praxisnahen Diskussionsprozessen, beginnend ab dem Jahre 1950 (König, 2007), in der DDR eingeführt. Hierzu wurden alle Oberförstereien zunächst in drei, später, durch Einwirkung der »Arbeitsgemeinschaft Waldbrandschutz« (Sobczyk, 2014), in vier Waldbrandgefahrenklassen eingestuft:

      A Gebiete mit über 50 ha Vollbrandfläche pro 100.000 ha Wald und Jahr

      B Gebiete mit über 5 - 50 ha Vollbrandfläche pro 100.000 ha Wald und Jahr

      C Gebiete mit weniger als 5 ha Vollbrandfläche pro 100.000 ha Wald und Jahr

      Hinzu kam zu einem späteren Zeitpunkt die zusätzliche Waldbrandgefahrenklasse A1, welche besonders gefährdete Gebiete noch einmal besonders hervorhob:

      A1 Gebiete, die im Zeitraum von 1925 bis 1964 mehr als drei Brände über 100 ha Größe und über 50 ha Vollbrandfläche pro 100.000 ha Wald aufwiesen.

      Ähnliche, aber nicht direkt vergleichbare Einstufungen in Gefährdungsbereiche lagen im Hoheitsgebiet der damals noch jungen Bundesrepublik Deutschland nur in Bayern, Niedersachsen und Hessen vor (König, 2007).

      Im Jahr 1992 schloss sich die mittlerweile wieder vereinigte Bundesrepublik Deutschland dann den Vorstellungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, dem Vorläufer der heutigen Europäischen Union an, das Staatsgebiet auf Ebene der Landkreise in Waldbrandrisikogebiete zu unterteilen. Infolge dieser europaweit einheitlichen Einordnung auf rechtlicher Grundlage der EWG-VO Nr. 2158/92 ff werden die Waldbrandrisikogebiete wie folgt eingeteilt (König, 2007):

      image Landkreise mit hohem Waldbrandrisiko,

      image Landkreise mit mittlerem Waldbrandrisiko und

      image Landkreise mit geringem Waldbrandrisiko.

      Auf Basis dieser Einteilung ergab sich für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland die durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Jahre 1995 erstellte Karte für Waldbrandrisiken (Engel, 2014). Der Karte ist zu entnehmen, dass der Nordosten Deutschlands das Gebiet mit dem höchsten Risiko für einen Waldbrand ist. Das Agrarministerium des Landes Brandenburg mit Sitz in Potsdam begründet diese hohe Waldbrandgefahr mit einem hohen Anteil an Kiefernwäldern, leichten Sandböden und geringen Niederschlagsmengen (König, 2007). Daher ist es nicht verwunderlich, wenn im Land Brandenburg bzw. im Nord-Osten der Republik vergleichsweise hohe Anstrengungen für den Schutz des Waldes vor Bränden unternommen werden. Bis zum Jahre 2013 wurde die Waldbrandgefahr in den einzelnen Bundesländern auf Basis inhaltlich nicht einheitlicher Parameter ermittelt und mittels unterschiedlicher Begrifflichkeiten zum Ausdruck gebracht. Hierdurch kam es insbesondere in den Grenzbereichen der Länder immer wieder zu Irritationen.

      Seit 2014 (SMUL, 2014) verwenden alle Länder der Bundesrepublik Deutschland das gleiche fünfstufige Modell, über welches die Waldbrandgefährdung einheitlich definiert wird. Dieses als Waldbrandgefahrenindex (WBI) bezeichnete Prognosemodell basiert auf der von George M. Byram entwickelten Feuerintensitätsgleichung, in welcher die Laufgeschwindigkeit eines Brandes in Abhängigkeit der Waldstruktur (z. B. Bodenbeschaffenheit, Streuauflagen, Ausbildung der Kronen) und die gegebenen bzw. prognostizierten Wetterdaten (z. B. Luftfeuchte, Temperatur, Windgeschwindigkeit, Niederschlagsmenge, Schneehöhe, Strahlung innerhalb der Atmosphäre) berücksichtigt werden.

      Die Formel der Brandintensität nach George M. Byram lautet (Johnston et al., 2017):

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FI = Fire Intensity= Brandintensität (kW m-1)
H = Low heat of Combustion= Verbrennungswärme (kj kg-1)
w = Fuel consumed= Gewicht brennbarer Stoffe (kg m-2)
R = Rate of Spreading= Laufgeschwindigkeit des Bodenfeuers (m s-1)

      Der WBI entspricht dem internationalen Standard und gibt den Stand der Waldbrandforschung wieder. Das Prognosemodell des täglich aktualisierten WBI wird seitens der Länder dazu benutzt, die Waldbrandgefahr einzuschätzen und auf Basis dieser Erkenntnisse Waldbrandwarnungen bzw. Handlungsempfehlungen auszusprechen, die weitreichend bis hin zur Erteilung des Verbotes zum Betreten der Wälder reichen können (Bild 3).

      Die Ausgabe des Waldbrandgefahrenindex erfolgt in fünf Stufen (DWD, 2018):

      Auch weltweit lassen sich Aussagen zu Häufigkeiten und Risikogebieten treffen. Werden so z. B. die Häufigkeit von Waldbränden, deren Verlaufsformen und Hauptursachen zusammengefasst, entsteht die Weltkarte der Feuerregime (Lavorel et al., 2007). Bei der eingebrachten Häufigkeit (»freq« = frequency) wird zwischen

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      Bild 3: Gefahrenstufen nach Waldbrandgefahrenindex

      geringer (»low«), mittlerer (»medium«) und hoher (»high«) Häufigkeit unterschieden. Die Häufigkeit gibt dabei ein periodisch wiederkehrendes, gleichartiges Brandereignis an, welches bei geringer Häufigkeit bis zu seiner Wiederholung über 200 Jahre dauert, bei mittlerer Häufigkeit zwischen 20 und 200 Jahren und sich bei hoher Häufigkeit innerhalb von 20 Jahren wiederholt (Hirschberger, 2012). Bei den Verlaufsformen des Brandes wird zwischen Boden- (»Surface«) und Kronenfeuern (»Crown«) unterschieden. Die Brandursachen (vgl. Kapitel 3) werden gemäß ihren Hauptursachen in natürliche (»N« = natural) und anthropogen (»H« = human) bedingte Schadensereignisse eingeteilt (Lavorel et al., 2007).

      Die Verwendung des Begriffes »Kronenfeuer« (auch als »Wipfelfeuer« bezeichnet) entspricht dem herkömmlichen Sprachgebrauch, stellt jedoch keine eigenständige Waldbrand- oder Verlaufsform dar, da ein »Kronenfeuer« ausschließlich mit einem Vollbrand (auch als »Totalfeuer« bezeichnet) einhergeht (König, 2007). Wald- und Vegetationsbrände lassen sich somit in

      image Moor- bzw. Erdbrände (Abbrand unterirdischer organischer Schichten),

      image Bodenbrände (Abbrand des brennbaren Bodenbelages und -bewuchses),

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