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dann häufig der Fall, wenn sie sich in einer Notlage befanden, die sie selbst noch nicht begreifen konnten.
»Ich glaube, dir ist etwas ganz Schlimmes passiert. Aber ich werde dir helfen, und es wird alles wieder gut. Das verspreche ich dir. Ich lasse dich nicht allein. Darauf kannst du dich verlassen, übrigens heiße ich Dominik von Wellentin-Schoenecker. Aber alle sagen einfach Nick zu mir. Das kannst du auch tun. Verrätst du mir auch deinen Namen und den deines Hundes?«
Das Mädchen griff dankbar nach dem Taschentuch, das Nick ihm reichte, wischte ein paar Tränen fort und putzte sich die Nase.
»Ich bin Romina, Romina Castello, und das ist mein Hund Fabio. Er ist drei Jahre alt, und ich bin sieben.«
»Gut, Romina, dann weiß ich schon einmal das Wichtigste über euch beide. Kannst du mir jetzt noch erzählen, wieso dein Zuhause plötzlich weg ist? Was hast du damit gemeint? Wenn du mir das ein bisschen genauer erklärst, kann ich dir bestimmt helfen. Eigentlich verschwindet ein Zuhause nicht einfach so.«
»Ist es aber. Gestern war es noch da. Ich habe abends mit meinen Eltern gegessen und gefragt, ob ich bei meiner Freundin Vanessa übernachten darf. Das wollten meine Eltern aber nicht. Vanessas Eltern hatten Besuch und wollten feiern. Da sollte ich nicht stören. Ganz spät, als meine Eltern schon geschlafen haben, bin ich dann aber doch zu Vanessa gegangen. Der Besuch war schon weg. Ich habe an ihr Fenster geklopft. Sie hat die Tür aufgemacht und mich hereingelassen. Keiner hat davon etwas bemerkt, ihre Eltern nicht und meine auch nicht.«
»Na gut, dann werden deine Eltern jetzt vielleicht böse sein, weil du heimlich ausgerückt bist. Aber dein Zuhause verlierst du deshalb nicht. Mag sein, dass sie ein bisschen mit dir schimpfen. Aber damit ist die Sache wahrscheinlich erledigt.«
»Sie können nicht mit mir schimpfen.« Wieder kullerten Tränen über Rominas Wangen. »Das können sie nie wieder tun. Als ich heute früh aufgewacht bin, hat es gebrannt. Der Wohnwagen meiner Eltern hat gebrannt. Alle haben versucht, das Feuer zu löschen, und die Feuerwehr ist auch irgendwann gekommen. Ich habe die Sirenen gehört. Aber von dem Wohnwagen war schon nicht mehr viel da, und die Frau, der die kleine Achterbahn gehört, hat gesagt, dass aus diesem Wohnwagen keiner mehr lebend herauskommt. Sie hat zwar nicht mit mir geredet, aber ich habe genau gehört, wie sie das zu anderen Leuten gesagt hat. Unser Wohnwagen ist weg, und meine Eltern sind verbrannt. Fabio und ich sind ganz allein.«
Spontan nahm Nick das weinende Kind in den Arm. Jetzt wurde ihm alles klar. Romina war das Kind von Kirmesplatz, wo das schreckliche Unglück passiert war! Ihre Eltern waren ums Leben gekommen, und alle hielten auch das kleine Mädchen für tot. Nur durch ihren Ungehorsam, von dem niemand etwas wusste, hatte Romina überlebt.
Nick hatte das Gefühl, genau diese Situation schon einmal erlebt zu haben, auch wenn dieses Ereignis schon viele Jahre zurücklag. Damals war er selbst noch ein kleiner Junge gewesen, als er Pünktchen verzweifelt und weinend auf der Straße aufgelesen hatte. Sie hatte ihre Eltern gerade bei einem Zirkusbrand verloren und war ziellos umhergeirrt. Trotz seines geringen Alters war es Nick damals gelungen, Pünktchens Welt wieder in Ordnung zu bringen. Dasselbe würde er jetzt auch für Romina tun. Den Eltern konnte er nicht mehr helfen. Sie lebten nicht mehr. Aber dieses kleine Mädchen war den Flammen entkommen.
Trotz des tragischen Hintergrundes fühlte Nick sich erleichtert. Romina hatte überlebt und mit ihr Fabio. So hatte das Schreckliche wenigstens eine wunderbare und gute Seite.
»Ich kann den Brand nicht ungeschehen machen«, erklärte Nick. »Leider kann ich auch nichts daran ändern, dass du alles verloren hast. Das ist sehr schlimm. Aber ich werde dir trotzdem helfen. Das kann ich nämlich. Ich sorge dafür, dass du noch heute ein neues Zuhause bekommst. Das gilt natürlich auch für Fabio. Ihr beide bleibt zusammen und kommt an einen schönen Ort, an dem es noch viele andere Kinder gibt, die keine Eltern mehr haben. Ich verspreche dir, dass du wieder glücklich wirst. Du kannst mir vertrauen und dich auf mich verlassen. Da drüben steht mein Auto.« Er wies auf den kleinen Wagen. »Da steigen wir jetzt ein und fahren los. Zuerst müssen wir uns bei der Polizei melden. Die Polizei muss mir nämlich erlauben, dich nach Sophienlust zu bringen. Aber das wird kein Problem sein.«
»Sophienlust? Ist das dieser schöne Ort, von dem du gesprochen hast?« Fragend schaute Romina den Achtzehnjährigen an.
»Ja, Sophienlust ist ein schönes großes Haus, das wie ein Schloss aussieht. Es liegt mitten in einem riesigen Park. Lauter glückliche Kinder wohnen dort. Außerdem gibt es auch Tiere. Zwei Hunde sind dort, ein Papagei und sogar ein paar Pferde und Ponys.«
Rominas Gesicht wurde nachdenklich. »Bist du sicher, dass ich mit Fabio dort wohnen darf. Vielleicht will man uns da gar nicht haben und schickt uns gleich wieder weg. Die Leute, denen das Haus gehört, erlauben vielleicht nicht, dass ich dort wohne.«
»Doch, ganz sicher. Dieses Haus ist für Kinder da, die in Not geraten sind, und so ein Kind bist du jetzt auch! Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass die Besitzer dich nicht haben wollen. Dieses Haus gehört nämlich mir.« Nick lächelte. »Aber das ist eine lange Geschichte, von der dir die Kinder noch erzählen werden.«
Romina schien getröstet zu sein. Ihre Tränen versiegten, und sie setzte ihr ganzes Vertrauen in Nick. Der wusste genau, dass das kleine Mädchen den Tod seiner Eltern noch gar nicht realisiert hatte. Die Tragweite des schrecklichen Geschehens war ihr im Moment noch nicht bewusst. Romina, die in Panik fortgelaufen war, war jetzt nur froh, dass es einen Menschen gab, der sich ihrer annahm und für sie und Fabio sorgen wollte. Deshalb zögerte sie auch nicht, zu Nick in den Wagen zu steigen und sich ganz auf ihn zu verlassen.
*
Auf dem Kirmesplatz war die Polizei mit Sicherheit noch immer anwesend. Wahrscheinlich würden auch noch Einsatzkräfte der Feuerwehr vor Ort sein. Es wäre also einfach gewesen, sich dort mit Romina zu melden und zu erklären, dass das vermeintlich umgekommene kleine Mädchen noch lebte und unverletzt war. Aber Nick wollte der Siebenjährigen den Anblick des ausgebrannten Wohnwagens ersparen. Sie sollte den Schrecken aus den frühen Morgenstunden nicht noch einmal neu durchleben müssen.
Unweit des Parkplatzes gab es einen Polizeiposten. Es war davon auszugehen, dass alle Dienststellen, die sich in Maibach befanden, über den Brand informiert waren. Es reichte also völlig, wenn Nick dort erschien.
Die meisten Beamten waren unterwegs, als Nick den Polizeiposten erreichte. Nur einer war anwesend und hörte sich mit ungläubigem Staunen an, was Nick ihm zu berichten hatte.
»So ein Glück ist kaum fassbar«, meinte der Polizist schließlich. »Natürlich ist es ungeheuer tragisch, dass zwei Menschen ums Leben gekommen sind. Sie sind inzwischen geborgen worden und definitiv tot. Aber es wird noch nach der kleinen Tochter gesucht. Ich werde die Einsatzkräfte umgehend darüber informieren, das sie diese Suche einstellen können. Was für ein Glück. Manchmal hat eben auch das härteste Schicksal ein gnädiges Einsehen. Es ist seltsam, dass man angesichts einer solchen Katastrophe trotzdem ein Glücksgefühl verspüren kann.«
Der Polizist betrachtete Romina, und es war ihm deutlich anzumerken, wie bewegt er war. Nick konnte den Beamten gut verstehen, weil er dasselbe empfand.
»Ich bin auch glücklich darüber, dass Romina und Fabio überlebt haben und unversehrt sind. Aber jetzt muss für die beiden gesorgt werden. Ich möchte sie gerne mit nach Sophienlust nehmen. Es handelt sich dabei um das Kinderheim in Wildmoos, dessen Eigentümer ich bin. Ich glaube, das ist für Romina und Fabio der beste Platz.«
»Sophienlust? Ja, das ist mir bekannt. Deshalb erschien mir Ihr Name vorhin auch nicht so fremd. Sie sind also jener Dominik von Wellentin-Schoenecker, der das Heim zusammen mit seiner Mutter betreibt.«
»Nicht nur wir beide. Es gibt noch einige Angestellte, die uns unterstützen. Allein könnten wir die Arbeit nicht bewältigen.«
»Ich weiß. Vor etwa zwei Jahren bin ich selbst in Sophienlust gewesen. Mein bester Freund hatte seinen kleinen Sohn für ein paar Wochen dort unterbringen müssen, weil sich seine Frau einer Operation unterziehen musste und er selbst in dieser Zeit keinen Urlaub bekommen konnte. Wir haben Leon zusammen dort abgeholt. Es ist ein wunderschönes Anwesen.« Der Beamte