Sophienlust - Die nächste Generation Staffel 1 – Familienroman. Karina Kaiser

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die Kleine tun. Aber zunächst will ich sie einmal sehen.«

      »Das ist auch mein Wunsch«, gestand Daniel. »Allerdings wird deinen Eltern das überhaupt nicht gefallen. Offen gestanden war ich über ihre Haltung entsetzt. Ich hätte nie gedacht, dass Menschen so eiskalt sein können. Wenn wir Romina jetzt besuchen und deine Eltern davon etwas erfahren, werden wir es uns möglicherweise mit ihnen verderben. Aber können wir es uns leisten, darauf Rücksicht zu nehmen? Dieses kleine Mädchen würde uns doch niemals aus dem Kopf gehen. Wahrscheinlich würden wir uns unser Leben lang Vorwürfe machen, wenn wir jetzt keinen Kontakt aufnehmen.«

      »Das stimmt, und deshalb werden wir etwas unternehmen. Meine Eltern brauchen davon ja nichts zu erfahren. Ich war übrigens auch schockiert. Wie sehr müssen sie Jenny gehasst haben, dass sie nun auch noch ein unschuldiges Kind leiden lassen wollen. Eigentlich hat Jenny gar nichts Böses getan. Sie hat sich nur nicht so entwickelt, wie meine Eltern es von ihr erwartet haben. Sie hat nicht so funktioniert, wie sie es wollten. Schade, dass ich mich mit diesem Gedanken nicht schon vor Jahren intensiver beschäftigt habe. Dann hätte ich Verbindung zu meiner Schwester halten können.« Sie seufzte. »Das hätte ich auch heimlich, ohne das Wissen meiner Eltern tun können. Nun ist es zu spät. Aber für Jennys und Alessandros Tochter können wir wenigstens etwas tun.«

      »Ich habe mir gemerkt, was dein Vater gesagt hat«, bemerkte Daniel. Das Kinderheim heißt Sophienlust und liegt in einem Ort mit dem Namen Wildmoos. Die Heimleiterin heißt von Schoenecker. Diese Informationen müssten ausreichen, um das Kinderheim ausfindig zu machen. Ich denke, wir werden uns gleich in den nächsten Tagen mit diesem Kinderheim in Verbindung setzen und um einen Besuchstermin bitten.«

      Lindas Augen strahlten. »Genau das machen wir. Vorhin kam mir ein ganz verwegener Gedanke: Es wäre doch möglich, dass wir Jennys Tochter zu uns nehmen und für sie sorgen.

      Sie ist zwar nicht unbedingt das Baby, von dem wir immer geträumt haben, aber sie ist noch klein. Vor allen Dingen braucht sie Hilfe.«

      »Daran habe ich auch schon gedacht«, gestand Daniel. »Aber da gibt es eine Menge Probleme. Wir wollen ein Kind adoptieren, also ein Kind haben, das uns niemand mehr nehmen kann. Ich weiß nicht, ob das bei Romina möglich ist. Ich kenne die gesetzlichen Bestimmungen nicht. Außerdem wissen wir nicht, ob die Kleine zu uns passt. Vielleicht mag sie uns überhaupt nicht. Möglicherweise stellen wir auch fest, dass wir keine gute Verbindung zu ihr finden. Dann sind da noch deine Eltern. Sie würden uns lynchen, wenn wir Jennys Tochter adoptieren würden. Mit ihnen möchte ich es mir auch nicht unbedingt verderben. Es gibt unendlich viele Fragezeichen bei diesem Vorhaben.«

      »Dann müssen wir eben eins nach dem anderen aus dem Weg räumen. Die schwierigste Hürde stellen meine Eltern dar. Aber wir können Romina nicht ihrem Hass opfern. Irgendwann müssen sie einfach begreifen, dass Romina ein ganz normales Waisenkind ist, wie alle anderen auch, und dass sie keine Schuld auf sich geladen hat. Ich weiß noch nicht, wie wir meine Eltern zur Vernunft bringen können. Aber irgendwie werden wir das schaffen. Wir müssen es schaffen. Ich möchte nicht auch noch von meinen Eltern verstoßen werden, so wie es Jenny passiert ist.«

      Daniel stützte seinen Kopf in die Hände. »Einen Eisberg zum Schmelzen zu bringen wird wahrscheinlich einfacher sein, als deine Eltern zur Vernunft zu bringen. Trotzdem werden wir etwas unternehmen und die kleine Romina zumindest erst einmal besuchen. Sie muss ja nicht unbedingt sofort erfahren, wer wir sind und welche Pläne uns durch die Köpfe gehen. Ich rufe diese Frau von Schoenecker gleich morgen an und bitte sie um einen Besuchstermin.«

      »Vielleicht will sie gar nicht, dass wir Kontakt zu Romina aufnehmen«, meinte Linda entmutigt. »Immerhin hat sie sich schon mit meinen Eltern unterhalten und muss einen denkbar schlechten Eindruck von ihnen bekommen haben. Möglicherweise hält sie es nun für besser, dass Romina nicht weiter mit Teilen ihrer Familie konfrontiert wird. Verdenken könnte ich Frau von Schoenecker eine solche Reaktion nicht.«

      »Mach dir keine Gedanken um Dinge, die möglicherweise geschehen könnten«, meinte Daniel. »Du weißt doch, dass man sich nicht um ungelegte Eier kümmern sollte. Nach dem Telefongespräch morgen wissen wir mehr, und vielleicht können wir die Kleine schon übermorgen sehen.«

      Als Linda sich vorstellte, dass sie demnächst das Kind ihrer Schwester, von dem sie bis jetzt nichts gewusst hatte, bald zu Gesicht bekommen würde, beschlich sie ein seltsames Gefühl. Vielleicht sah die Kleine ihrer Mutter sehr ähnlich oder hatte dieselben Eigenschaften und Neigungen, die Jenny als Kind gehabt hatte. Kein Mensch konnte das im Augenblick sagen.

      Linda freute sich darauf, Romina zu sehen und hoffte, dass Frau von Schoenecker mit einem Besuchstermin einverstanden war, auch wenn die Großeltern des Mädchens sich nicht sonderlich sympathisch gezeigt hatten.

      *

      Linda und Daniel ahnten nicht, dass sie großes Glück hatten, als sie am nächsten Tag in Sophienlust anriefen. Sie taten dies unmittelbar nach dem Frühstück. Um diese Zeit war Denise meistens noch nicht im Kinderheim. Normalerweise frühstückte sie in Ruhe mit ihrer Familie in Gut Schoeneich, bevor sie über die schmale Privatstraße nach Sophienlust fuhr. An diesem Tag jedoch war sie früher dort angekommen. Sebastian, ein kleiner Junge, der eine Woche in Sophienlust verbracht hatte, weil seine Eltern eine Geschäftsreise unternehmen mussten, sollte heute abgeholt werden. Es gehörte zu Denises Gewohnheiten, sich in solchen Fällen persönlich von diesen Kindern zu verabschieden und auch ein paar Worte mit deren Eltern zu wechseln.

      Mit dieser Tradition wollte Denise auch bei dem vierjährigen Sebastian nicht brechen. Erstaunt nahm sie zur Kenntnis, dass sie am Telefon verlangt wurde. Frau Rennert teilte ihr mit, dass sie jemand persönlich sprechen wolle.

      »Verwandte von Romina sind am Telefon«, erklärte Frau Rennert. »Aber es handelt sich nicht um die Großeltern, sondern um Onkel und Tante. Sie scheinen weitaus zugänglicher zu sein als Oma und Opa der Kleinen. Was für ein Anliegen sie haben, wollten sie mir aber nicht mitteilen.«

      Denise zog die Augenbrauen hoch. Von der Existenz einer Tante und eines Onkels hatte sie bisher noch keine Kenntnis. Trotzdem war sie sofort bereit, sich mit den beiden zu unterhalten. Schon als Daniel sich vorstellte, bemerkte Denise, dass ein Gespräch mit diesen Leuten offensichtlich wesentlich einfacher und angenehmer zu führen war als mit Rominas Großeltern.

      »Es tut mir leid, dass Sie von meinen Schwiegereltern einen schlechten Eindruck bekommen haben müssen«, entschuldigte Daniel sich sofort. »Wir beide verstehen deren Haltung nicht, übrigens hört meine Frau mit und kann sich auch an dem Gespräch beteiligen. Ich hoffe, das ist in Ihrem Sinn.«

      »Dagegen habe ich nichts. Romina ist ebenso die Nichte Ihrer Frau wie Ihre. Was kann ich denn für Sie tun?«

      »Nun ja, wir haben uns über das kleine Mädchen unterhalten und würden es gerne besuchen. Diese Idee entspringt nicht reiner Neugier. Eigentlich möchten wir noch viel mehr für Romina tun, als sie nur zu besuchen. Doch das würden wir gerne vor Ort mit Ihnen besprechen. Ich hoffe, dass Sie einen Besuch zulassen.«

      »Das hoffen wir beide«, fügte Linda hinzu. »Frau von Schoenecker, das Verhalten meiner Eltern ist uns wirklich überaus peinlich. Ich möchte mich ganz herzlich für die beiden entschuldigen.«

      »Das ist nicht nötig«, erwiderte Denise. »Ihre Eltern sind erwachsene Menschen. Was sie tun oder nicht tun, haben sie selbst zu verantworten. Sie brauchen sich wirklich für nichts zu entschuldigen. Selbstverständlich können Sie Ihre Nichte besuchen. Allerdings hat die Kleine keine Ahnung von Ihrer Existenz. Ich selbst habe bis vor wenigen Minuten noch nicht gewusst, dass es Sie gibt. Es wäre vielleicht nicht günstig, wenn ich Romina nun darauf vorbereite, dass Onkel und Tante herkommen werden. Das könnte sie im Augenblick etwas überfordern. Wenn Sie damit einverstanden sind, kommen Sie einfach als ganz normale Besucher, die sich Sophienlust ansehen wollen. Das ist erst einmal unverfänglich, und bei dieser Gelegenheit können Sie Romina sehen, Kontakt aufnehmen und sich ganz zwanglos mit ihr unterhalten. Natürlich stehe ich Ihnen für Gespräche auch jederzeit zur Verfügung.«

      »Das ist schön«, bemerkte Daniel. »Am liebsten würden wir schon morgen nach Sophienlust kommen. Wäre das möglich?«

      »Selbstverständlich.


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