Slumlords. Alexander Broicher

Slumlords - Alexander Broicher


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Verstecke, denn die Dinger klaute keiner mal eben, dazu waren die Zentrifugen zu schwer. Meine Ware war in einer wasserdichten Folie an der Innenwand mit rustikalem Tape befestigt. Ich verstaute hier bis zu 150 Gramm mit einem Marktwert von 20.000 Euro.

      Der Keller lag im Innenhof einer Wohnanlage, die nur mit einem Tür-Code oder von Mietern mit einem Schlüssel zu betreten war. Es war ein weitläufiges Untergeschoss wie ein U-Bahnhof mit hohen Decken und Wänden aus weißem Backstein; man hätte hier illegale Techno-Raves mit Hunderten von Leuten feiern können.

      Entsprechend tief ging die steinerne Treppe hinunter bis zu einer schweren Eisentür, die ich auf- und hinter mir gleich wieder abschloss. Ich machte Licht und ging den breiten Hauptgang entlang, der genug Platz für einen Straßenkreuzer bot. Ich brauchte fast eine Minute zu meinem Abstellraum, der durch eine stabile Tür gesichert war. Ich betrat die zehn fensterlosen Quadratmeter und holte zwanzig Gramm aus dem Versteck. Sobald sich die Briefchen in meinen Sakkotaschen befanden, setzte meine natürliche Paranoia ein; einem Polizeizugriff hier unten wäre ich hilflos ausgeliefert. Es gab keine Fluchtmöglichkeiten oder einen Gully, in den ich das Zeug notfalls verschwinden lassen konnte. Mit einem mulmigen Gefühl verließ ich mein Lager, ging den endlosen Flur entlang und öffnete vorsichtig die Eingangstür. Ich horchte auf jedes Geräusch, dann stieg ich die Stufen langsam empor. Wie ein steckbrieflich gesuchter Mörder kroch ich aus der Unterwelt hervor und sah mich misstrauisch im Innenhof um. Kein Sondereinsatzkommando war zu sehen. Niemand umstellte mich, niemand zielte mit Sturmgewehren. Trotzdem atmete ich flach, bis ich endlich im Auto saß. Dann fuhr ich ausliefern.

      Mitch, Rolf und Paul waren bei einer amerikanischen Bank in Frankfurt angestellt. Der Laden hatte tonnenweise Mitarbeiter, galt als Haifischbecken, aber die drei waren eine verschworene Clique. Sie waren nicht nur Arbeitskollegen, sie gingen auch zusammen saufen, feiern und sogar vögeln. Und wahrscheinlich hatten sie beruflich schon jeder Menge Kunden und Konkurrenten in den Arsch gefickt. Aber die drei Yuppies machten jährlich einen amtlichen Umsatz bei mir, weswegen ich ihnen ab und zu mal ein Gramm schenkte. Als respektvolle Geste für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Heute hatten sie mich in ihren »Salon« bestellt, wie sie ihr geheimes Apartment nannten, das sie sich teilten, um dort ungestört von den eigenen Freundinnen andere Weiber flachlegen zu können. Obwohl dort keiner von ihnen wohnte, war es schicker ausgestattet als die meisten Möbelhäuser. Zentraler Einrichtungsgegenstand war ein Kingsize-Bett, das wie auf einer Bühne stand, zu der zwei Stufen führten. Sie hatten es sich extra von einem Handwerksbetrieb anfertigen lassen. Hier bumsten sie am liebsten zu dritt mit einer Prostituierten.

      Mitch öffnete mir die Tür im vierten Stock, aus dem man einen guten Blick auf die Wolkenkratzer der Banken hatte. Ich sah nur kurz aus dem Fenster, das vom Fußboden bis zur Decke reichte. Rolf und Paul fläzten sich in ihren edlen Anzughosen und Designerhemden auf dem schwarzen Chippendale-Sofa. Sie hatten ihre Krawatten bereits abgenommen und tranken Champagner.

      »Ronnie, du coole Sau!«, begrüßten sie mich.

      »Auch ein Glas?«, fragte Mitch.

      Wenn sie mir von ihrem teuren Gesöff was anboten, musste ich ihnen einen Rabatt auf die vier Gramm geben. Das gehörte sich. Und das wussten sie. Es waren Geschäftsleute.

      »Okay«, willigte ich ein.

      Die drei grienten über den gelungenen Deal und stießen mit mir an. Der Champagner war schön kalt und sprudelte trocken.

      »Was für eine Party steigt denn heute?«, erkundigte ich mich.

      Paul deutete auf das Tablet, das auf dem Tisch lag. Er aktivierte es und wischte mit dem Mittelfinger über den Touch-Screen. Dann zeigte er mir die Bilder. Sie sahen erst aus wie die Sed-Card eines Models, aber dafür war die scharfe Braut in viel zu unartigen Posen fotografiert worden.

      »Die ficken wir nachher«, sagte Rolf und rieb sich seinen wohlgenährten Bauch.

      Ich sah mir das Mädchen noch einmal an. Sie war echt top. Blond mit dicken Lippen und ordinärem Gesichtsausdruck. Niemand für eine tiefschürfende Unterhaltung, aber perfekt für geilen Sex.

      »Ein echtes Luxus-Callgirl«, verriet mir Mitch.

      »Wir mussten dem Escort-Service vorher Fotos von uns zufaxen, weil die nur an gepflegte reiche Leute vermieten«, amüsierte sich Paul.

      »Bei denen suchen sich die Nutten die Kunden aus!«, rief Mitch erstaunt.

      Ich hatte davon gehört. Es gab in Frankfurt zwei oder drei solcher Agenturen, die absolute Klassefrauen am Start hatten, und die wollten sich nicht von irgendwelchen schmierigen Wichsern vögeln lassen. Egal, wie viel Geld die dafür hinlegten.

      »Was kostet die?«, interessierte ich mich routinemäßig.

      »750 die Stunde«, gaben sie zu.

      »Deswegen könntest du uns ja ein wenig entgegenkommen«, stieg Rolf in die Verhandlungen mit mir ein.

      Vier Gramm machten normalerweise 300 Euro. Ich würde ihnen einen Fünfziger erlassen. Das teilte ich ihnen mit.

      »Ist das auch erste Qualität?«, fragte Paul. »Ich will ihr nämlich ordentlich was davon auf ihre Pussy reiben!«

      »Für Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker«, ermahnte ich ihn.

      »Ist Koks auf der Pussy gesundheitsgefährdend?« Er klang ernsthaft alarmiert.

      »Nein, aber wenn du sie anschließend leckst, kriegst du eine Weile keinen mehr hoch«, warnte ich ihn vor der Wirkung meines Stoffs.

      »Danke für den medizinischen Rat, aber die Kleine kommt in zwanzig Minuten.« Mitch bedeutete mir, mein Glas auszutrinken und zu verduften.

      Ich kippte es in einem Zug runter, legte ihnen vier Briefchen auf den Tisch, kassierte die 250 und wünschte ihnen viel Vergnügen. Und wollte gar nicht wissen, wer von den dreien sie als erstes flachlegen darf.

      Auf meinem Business-Handy war eine weitere Bestellung eingegangen. Ich hörte im Wagen die Mailbox ab und meldete mich zurück. Ich fuhr nach Bornheim und klingelte bei Harald, der zwei G brauchte. Eigentlich war er Kiffer, aber er kriegte Besuch aus London und die Typen wollten White Lines ziehen. Harald arbeitete in einem Tonstudio und kannte international eine Menge Leute aus der Musikbranche. Ein DJ und sein Manager kamen für ein paar Tage aus England rüber. Die musste er vom Flughafen abholen, deswegen versorgte ich ihn sofort.

      Am späten Nachmittag ging ich ins »Concorde«. Das war die adrette Cocktailbar, an der ich offiziell beteiligt war, als plausible Erklärung für meine Einkünfte, den Geländewagen und eine Wohnung in einem hochpreisigen Bezirk. Nach 20 Gramm hatte ich ihre Miete drin, das schaffte ich spätestens in zwei Tagen.

      Wir machten erst in einer knappen Stunde auf, aber ich hatte einen Schlüssel. Einer der Cocktailshaker bereitete schon seinen Dienst vor und schnitt Limetten zurecht. Er wusste, dass ich auch sein Chef war, aber ansonsten glaubte er wohl, dass seine Caipirinhas mich finanzierten. Doch das wirkliche Geschäft wurde hier vor dem Tresen abgewickelt. Denn die Bar war mein Büro, in dem ich meine Kunden empfing. Sie wussten, dass ich mich hier abends aufhielt, um ihnen einen Cocktail aus Kopfschmerztabletten, Kokain und Speed zu servieren, der nicht auf der Karte stand.

      Zivilfahnder hatten hier kaum eine Chance, denn ich verkaufte nur an Leute, die ich kannte oder die über eine Empfehlung zu mir kamen. Zudem sorgte ein Türsteher für eine gewisse Exklusivität des Publikums. Größere Herrengruppen ohne Damenbegleitung ließ er nicht herein, was es für die Ermittler problematisch machte, sich überhaupt Zutritt in den kleinen Laden zu verschaffen. Und selbst wenn sie hier ein Pärchen reinschleusen würden, ich hatte keine Neonreklame anfertigen lassen, auf der »Kokain 70 Euro« stand. Ich war äußerst vorsichtig und packte den Kunden das Zeugs in eine Streichholzschachtel, die ich zu einer Schale mit weiteren solcher Schachteln legte. Außenstehende würden es als normal in einer Bar empfinden, dass sich jemand eine Packung griff, denn dazu lagen sie ja auf dem Tresen herum. Meine Stammkunden kannten den Ablauf und achteten stets konzentriert darauf, wo ich die Schachtel hinlegte, damit sie keine nahmen, in der tatsächlich nur Streichhölzer waren. Das Geld dafür steckten sie mir vorher bei dem höflichen


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