Zanderblut. Wolfgang Wiesmann

Zanderblut - Wolfgang Wiesmann


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worden, die Wasserbecken im Vereinsheim zu säubern und anschließend mit Frischwasser zu füllen, damit die gefangenen Karpfen gewässert werden konnten. Die Fische verloren dadurch ihren moderigen Geschmack. Eine Woche später würden sie geschlachtet und in den Topf oder die Truhe kommen.

      Willi hatte seine Jacke ausgezogen, weil ihm zu warm wurde. Seine Frau kam herbei und wollte den Wagenschlüssel holen und griff wie üblich in Willis Jacke. Der Ohrring rutschte ihr zwischen die Finger. Erstaunt sah sie sich das Schmuckstück an. Sie kannte ihren Mann nur zu gut. Als Juwelier würde er niemals Schmuck ohne eine entsprechende Verpackung bei sich tragen. Sollte sich jetzt etwa ihr Verdacht bewahrheiten, dass Willi eine heimliche Geliebte hatte? Sie hielt ihm den Ohrring unter die Nase.

      „Und wie heißt die Dame dazu?“

      Willi erschrak, blickte sich aber im selben Moment um und sprach hinter vorgehaltener Hand.

      „Keine Bange. Den haben wir eben aus der Flosse eines Karpfens entfernt.“

      Willi wurde von zornigen Blicken durchlöchert. Seine Frau drehte sich wortlos um und marschierte zu ihrer Freundin. Beide Frauen stellten Willi daraufhin zur Rede, was damit endete, dass Pörschke und der Fänger des geschmückten Karpfens als Zeugen antreten mussten. Noch vor dem nachmittäglichen Kaffeetrinken wussten alle vom Angelverein, was geschehen war.

      Kempinski kam in Bedrängnis, denn nur er und Pörschke wussten von dem Fang mit dem Rubinohrring. Als dann aber ein dritter Karpfen mit einer Haarspange, die mit einigen Stichen um die Rückenflosse des Trägerfisches genäht war, gefangen wurde, packte Kempinski alle Details aus und Pörschke legte sich ins Zeug, der ganzen Geschichte eine neue Wende aufzudrücken.

      „Wir müssen umgehend die Polizei verständigen. Hier geht es aller Voraussicht nach um ein Kapitalverbrechen, Mord nicht ausgeschlossen.“

      Pörschke witterte einen harten Schlag gegen die Halterner. Wenn die Polizei den Täter fasste, und der konnte nur aus Haltern stammen, dann wäre dies das Aus für die Gegner im Rennen um den neuen Baggersee.

      Das Abangeln wurde an diesem Nachmittag zu einer beispiellosen Attraktion, denn jeder, der nur eines Hakens habhaft werden konnte, hielt ihn ins Wasser und hoffte auf den großen Fang, einen Diamanten oder eine goldene Kette, vielleicht einen Ring mit dem Siegel des Täters.

      Pörschke sprach mit der örtlichen Dienststelle der Polizei, die ihn weiter nach Münster verwies. Kommissarin Fey Amber nahm sich des Falles an und begab sich auf den Weg zum Dülmener Angelteich.

      Als Hauptkommissarin der Münsteraner Kripo hatte sich Amber einen Namen gemacht. Die Zeiten ihrer Laufbahn, als sie noch athletische Einsätze auf der Jagd nach Verbrechern ablieferte, gehörten zur Vergangenheit. Sie war als brillanter Kopf bekannt und hatte das durch ihre unkonventionelle Denkart, Mut und konsequentes Handeln unter Beweis gestellt. Für die Frauen bei der Kripo in Münster hatte sie eine Lanze gebrochen. Die Vorurteile mancher männlicher Kollegen, besonders die gleichen Ranges, waren nach und nach verstummt. Hochgesteckte lange Haare, Lippenstift und Rock gehörten zu ihrem normalen Erscheinungsbild. Fey Amber war keine Quotenfrau, was sie unter Beweis stellte und was ihr viel Respekt einbrachte.

      Sie traf um 17:45 Uhr am Teich in Dülmen ein. Pörschke begrüßte sie und zeigte ihr die kostbaren Fänge, die ihr wie ein Heiligtum auf einem weißen Deckchen präsentiert wurden.

      „Wir haben insgesamt 82 Karpfen gefangen, vier davon waren mit Schmuck bespickt. Hier die Ausbeute: zwei Ohrringe, eine silberne Haarspange und eine Bernsteinperle.“

      „Waren es immer Karpfen, an denen der Schmuck haftete?“

      „Definitiv. Es wurden heute mindestens dreihundert Fische gefangen, aber nur die Karpfen trugen Schmuck.“

      „Haben Sie einen Verdacht, Herr Pörschke?“

      „Wir liegen mit dem Halterner Angelverein in einem Wettbewerb um ein Angelparadies. Ich denke, dass die uns in der heißen Phase der Auseinandersetzung mit unfairen Mitteln attackieren wollten.“

      „Wie schätzen Sie die Karpfenpopulation in Ihrem Teich ein?“

      „Ich denke, es waren vor dem Abangeln etwa vierhundert.“ Fey Amber überlegte kurz.

      „Nach dem bisherigen Ergebnis entfällt statistisch gesehen ein Karpfen mit Schmuck auf zwanzig Karpfen ohne. Hochgerechnet befinden sich also noch sechzehn Karpfen in Ihrem Gewässer, die Beweisstücke einer möglichen Straftat bei sich führen.“

      Pörschke war überrascht, dass eine Frau so gezielt auf den Punkt kam. „Ist vielleicht doch nur ein Dummerjungenstreich“, wiegelte er ab.

      „Rechnen Sie bitte damit, dass wir den Teich auspumpen werden, falls aufgrund der Analyse der Schmuckstücke eine Straftat nicht ausgeschlossen werden kann.“

      Pörschke sah sich einer Katastrophe gegenüber. Es dauerte Jahre, bis sich wieder eine ausgewogene Fischpopulation etablieren würde. Diese Frau hatte offensichtlich keine Ahnung, wovon sie sprach.

      „Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir angeln bis tief in die Nacht und werden Ihnen sofort Bescheid geben, wenn wir weitere Schmuckstücke finden.“

      „Im Gegenteil, Herr Pörschke. Sie machen sofort Schluss mit Angeln, denn ich kann nicht kontrollieren, wer hier was fängt. Es handelt sich lediglich um eine Vorsichtsmaßnahme, damit eventuelle Beweismittel nicht verloren gehen.“

      „Aber das ist doch Blödsinn. Wir besorgen Ihnen die Beweismittel.“

      „Passen Sie mal auf Ihren Ton auf und lassen Sie mich meine Arbeit machen. Angelverbot, ab sofort!“

      Die Dülmener Zeitung bekam noch am Samstag Wind davon, dass man durch Angeln im Vereinsteich der Sportfischer von Börnste reich werden konnte. Die Reporter besaßen sogar ein Foto von den Fundstücken, das Kempinski ihnen zugespielt hatte.

      Am Sonntag gab es für die Reporter der Halterner Zeitung ebenfalls eine Überraschung, denn im Halterner Vereinsgewässer wurden ernste Zeichen der Wasserpest entdeckt. Haverkamp hatte eine außerordentliche Sitzung des Vorstands einberufen. Um Mitternacht warf man das Handtuch. Man musste das Problem mit professioneller Hilfe angehen, aber das bedeutete auch, dass die ganze Sache öffentlich würde und sich negative Schlagzeilen nicht vermeiden lassen würden.

      Für Fey Amber stellte sich die Aufgabe, bei der Gratwanderung zwischen den rätselhaften Funden und den polizeilichen Maßnahmen nicht ins Wasser zu fallen. Sie hatte dem Dülmener Verein schwer zugesetzt, obwohl es keinen wirklich triftigen Grund gab, das Angeln abzusagen. Der Dummejungenstreich war immer noch eine realistische Option, obwohl diese Jungen ihrer Meinung nach schon etwas reifer sein mussten, denn es gehörte viel Geschick und Logistik dazu, Karpfen mit Accessoires in den Flossen in einen Teich zu schmuggeln. Blieb außerdem die Frage, wie sie in den Besitz der Karpfen kamen.

      Im Treppenhaus des Präsidiums in Münster traf sie Charly von der Forensik.

      „Kollegin Amber auf der Suche nach dem Mann ihrer Träume.“

      Fey sah sich um. „Wen meinst du?“

      „Greif zu, dein Traumprinz steht vor dir.“

      „Wie kann man nur so unverbesserlich sein? Allerdings habe ich eine brillante Idee, was du in deinem Labor für mich tun könntest.“

      „Ich wusste, dass du meinem Charme eines Tages erliegen würdest. Ist das Eis also endlich gebrochen?“

      „Charly, wir sind wie Wasser und Feuer. Bau meinetwegen Luftschlösser, aber jetzt hilf mir erst, diese Kronjuwelen zu identifizieren.“

      Fey hielt ihm ein Plastiktütchen mit den Schmuckstücken entgegen.

      „Ab ins Labor, mein Lieber. Und hol dir einen Spezialisten dazu. Ich will wissen, von wann der Schmuck ist, ob er echt ist und wie teuer er war. Noch besser, wo er herkommt und ob er beschädigt ist oder verschlissen und so


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