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Theaterstücken, Filmen, Fernsehserien oder anderen medialen Artefakten entrissen wurden. Ansätze z.B. der Literatur-, Film-, Musik- oder auch der Bildwissenschaften mögen dabei zu recht immer wieder aufgrund ihrer fehlenden Medienspezifik kritisiert worden sein, dennoch haben viele dieser Beiträge hochinteressante Lesarten des Computerspiels hervorgebracht.
Auf der Ebene akademischer Zirkulationslogiken wird eine solche Konzentration auf interaktive Erzählformen, Bild-Interfaces, Soundscapes, Immersion und Involvierung usw. allerdings irgendwann zum Problem, denn das System tendiert dazu, sich gewissermaßen selbst zu stabilisieren. Nicht nur, wenn es um die notwendige akademische Anschlussfähigkeit eines immer noch sehr kleinen Faches wie den Game Studies geht,8 sondern vor allem auch hinsichtlich einer zunehmenden Kanonisierung, bei der gerade ›den üblichen Verdächtigen‹, d.h. narrativ und audiovisuell ›reichhaltigen‹ Spielen,9 besonders häufig akademische Aufmerksamkeit zuteil wird.
Abbildung 3: MINECRAFT
Umso größer ist dann nämlich der ›Schock‹, wenn dieser Reichtum an nicht-ephemeren Elementen auf einmal wegfällt. Die Game Studies scheinen sich in ihrer steten disziplinären Ausdifferenzierung zwar mittlerweile damit abgefunden zu haben, dass die Gaming Culture ein weites Feld ist – problematisch wird es jedoch, wenn dieses weite Feld ein leeres Feld ist. So kann ein Startbildschirm in MINECRAFT10 z.B. wie in Abbildung 3 aussehen: Der Spieler findet sich in einer unbevölkerten, grünen Ebene wieder, deren detailarme, flache Pixelkacheln sich bis zum Horizont erstrecken.
MINECRAFT ist eine Art Open-World-Lego-Baukasten. Im Spiel können Rohstoffe abgebaut (»Mine«) und zu anderen Gegenständen weiterverarbeitet (»Craft«) werden. MINECRAFT ist dabei grundlegend durch einen ›Editoren-Stil‹ geprägt: Es gibt (praktisch) keine konkreten Spielziele, vielmehr verlässt sich das Programm fast ausschließlich auf die Kreativität der Spieler.11 Ein erster Impuls wäre, MINECRAFT, wie die unzähligen SOLITÄR-Varianten, an die Peripherie der Game Studies zu rücken, wirkt das Spiel doch in vielen Punkten geradezu wie ein Gegenentwurf zu aktuellen Tendenzen der Computerspielindustrie. Nicht nur hebt sich die aus großen Würfeln zusammengesetzte ›pixelige‹ Spielwelt deutlich von zeitgenössischen, oftmals geradezu fotorealistischen Spielgrafiken ab. Auch das offene, eher rudimentäre Spielprinzip erscheint in seiner ›Dramaturgie‹ seltsam fremdartig im Vergleich zu (erzählerisch) aufwändig inszenierten Vertretern anderer Spielgenres. Gegen eine solche ›Marginalisierung‹ spricht aber nicht nur der außerordentliche kommerzielle Erfolg des Spiels,12 sondern auch die enorme Wirkung, die das ›Phänomen MINECRAFT‹ mittlerweile innerhalb (und auch außerhalb) der Gaming Culture hat.13
Abbildung 4: THE LAST OF US in MINECRAFT
Zudem sind die Bilder, die MINECRAFT immer wieder aufs Neue in die (massen-)medialen Aufmerksamkeitszentren befördern, normalerweise keine leeren Felder, sondern von Spielern kreierte, beeindruckende bis bizarre Pixelbauprojekte, meist Nachbauten bekannter fiktionaler und non-fiktionaler Welten. Vom Kölner Dom bis zum Raumschiff Enterprise findet sich nahezu jedes mehr oder weniger bekannte Motiv, das stets zwischen einer eindeutigen Wiedererkennbarkeit und der MINECRAFT-typischen blockigen 3D-Pixel-Optik oszilliert. So hat etwa auch THE LAST OF US längst eine populärkulturelle Adelung durch einen entsprechenden MINECRAFT-Nachbau erhalten.
Die Faszination, die MINECRAFT ausmacht, findet sich somit nicht mehr nur ›im Spiel‹, sondern einerseits in kreativen spielerischen Praktiken und andererseits in den Paratexten, denn ebenso wichtig wie das Spiel selbst, sind die zahlreichen Foren und YouTube-Channels, in denen die MINECRAFT-Spieler in Let's Play-Videos ihre Spiel-Erlebnisse und -Ergebnisse präsentieren und kommentieren.
2. PARTIZIPATIVE SPIELKULTUREN
Während viele der (vermeintlich) prägnanten Themenfelder der ›digitalen Revolution‹ – etwa die Frage nach der Authentizität digitaler Bilder oder das vermeintliche ›Verschwinden‹ traditioneller Medien im Universalmedium Computer – mittlerweile eher Debatten mit historischem Wert sind,14 wird ein bestimmter Aspekt der Digitalkulturen nach wie vor viel diskutiert: das Versprechen der ›interaktiven Teilhabe‹ – einer Participatory Culture,15 deren Grundlage neue Technologien bilden, die den Mediennutzer in die Lage versetzen, Medieninhalte zu archivieren, zu annotieren, zu bearbeiten und zu verändern, selbst zu produzieren und in Umlauf zu bringen.16 Natürlich sind partizipative Praktiken lange vor der Entwicklung digitaler Medienkulturen zu beobachten,17 jedoch zeigt sich, dass durch die zunehmende Mediatisierung von Alltag und Kultur18 die Möglichkeiten einer Partizipation in und an Medienangeboten sprunghaft zugenommen haben – sowohl quantitativ wie auch hinsichtlich ihrer kulturellen, sozialen und ökonomischen Bedeutung. Das Versprechen der ›medialen Teilhabe‹ scheint geradezu zum Inbegriff der sogenannten Neuen Medien geworden zu sein.19
Untersuchungen zu partizipativen Praktiken digitaler Medienwelten finden sich in einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Forschungsrichtungen, die in ihrer ganzen Breite an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden können und sollen – von kultur-20 und sozialwissenschaftlichen21 Ansätzen über ökonomische22 und politische23 bis hin zu informatorischen24 sowie pädagogischen25 Perspektiven.
Werden die kleinen und großen Unebenheiten dieser Forschungsrichtungen zunächst einmal hin-, aber auch ernst genommen, stellt die Game Modding-Szene zweifelsohne eine der aktivsten zeitgenössischen partizipativen Medienkulturen dar.26 Dabei erscheinen die Arbeiten zum Game Modding ebenso vielfältig wie die bereits benannten Forschungsströmungen: So gibt es u.a. kulturwissenschaftliche,27 empirisch sozialwissenschaftliche,28 ethnologische,29 pädagogische30 und ökonomische31 Ansätze. Eine große Rolle spielen zudem produktionsästhetische Perspektiven.32
Der vorliegende Aufsatz betritt somit keineswegs spielerisches oder theoretisches Neuland. Was angesichts der Vielfalt der Ansätze jedoch auffällt, ist eine Tendenz, Modding vor allem als subkulturelles Phänomen zu betrachten, als eine Expertenkultur, die sich deutlich vom Gaming Mainstream abhebt.33 Dementsprechend dominieren innerhalb des Forschungsfeldes – analog zu den weiter gefassten Arbeiten zu partizipativen Medienkulturen