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Aspekt von Modding als ›freiwillige‹ Arbeit des Spielers hinterfragen (die sogenannte Playbour-Diskussion35).
Die Relevanz solcher Ansätze soll hier keineswegs infrage gestellt werden – im Gegenteil. Doch während eine solche Diskussion im Wesentlichen an ähnliche, breiter gefasste kulturkritische Ansätze zu partizipativen Medienkulturen anschließt, fällt auf, dass populäre – man könnte auch sagen: massenkompatible – Variationen von Modding-Praktiken so gut wie keine Rolle spielen. Dabei ist das entscheidende Merkmal von Spielen wie MINECRAFT gerade ihre Öffnung für eine größere, heterogenere Spielerschaft – wobei es gar nicht in erster Linie um eine (vermeintlich) geringere Komplexität dieser Spiele geht, denn auch MINECRAFT tendiert durchaus dazu, Expertenkulturen hervorzubringen.36 Zentral sind vielmehr einerseits der Aspekt der Zugänglichkeit und andererseits vor allem eine Art Umwidmung des Moddings als ›spielerische Form‹. Modding findet bei MINE-CRAFT nicht mehr in einem separaten Editorprogramm statt, sondern in der Spielwelt selbst. Modding bildet gar – so könnte man zuspitzen – das eigentliche Spielprinzip. Um diese Differenzierung zu verdeutlichen, sollen MINECRAFT und andere Spiele, wie die LITTLEBIGPLANET-Reihe, DISNEY INFINITY oder auch GARRY'S MOD,37 d.h. Spiele, die einen Schwerpunkt auf ein Verändern oder Ergänzen – ein Editieren – der Spielwelt legen, im Folgenden als Editor-Games bezeichnet werden.
3. METHODISCHE AUSRICHTUNG(EN)
Die folgenden Überlegungen bilden einen Ausblick und keineswegs ein ausgearbeitetes Theoriedesign. Sie sind vor allem als Beitrag zu den für diesen Band titelgebenden Perspektiven der Game Studies zu verstehen, indem sie eine weitere Facette der massenkulturellen Ausdifferenzierung des Computerspiels aufzeigen und daran anschließend verschiedene (mögliche) theoretische Entwicklungsrichtungen skizzieren.
Vor dem Hintergrund der einleitenden kursorischen Anmerkungen lassen sich – keineswegs trennscharf – (mindestens) drei maßgebliche Forschungsperspektiven auf Editor-Games heuristisch unterschieden:
Erstens eine medienhistorische Perspektive, die die Entstehung von Editor-Games vor dem Hintergrund der Geschichte des Game Moddings nachzeichnet und zudem die bereits benannte Ausdifferenzierung von Expertenkulturen und populären partizipativen Spielpraktiken kritisch hinterfragt.
Zweitens eine medienästhetische Perspektive, die einerseits die von den Spielern gebauten Welten in den Mittelpunkt rückt, andererseits – und vielleicht entscheidender – die ›Programm-Ästhetiken‹ der Editor-Games selbst analysiert, insbesondere die aufgezeigte ›Verschmelzung‹ von Editor und Spielwelt.
Drittens eine medienethnographische oder praxeologische Perspektive, die einzelne Spieler und deren (partizipative) Spielpraktiken sowie Modding- bzw. Editor-Games-Communities in den Blick nimmt.
Alle drei Perspektiven können im Folgenden nur kurz angerissen werden. Zudem wird auf das ›Phänomen MINECRAFT‹ erst wieder am Ende dieses Artikels zurückzukommen sein. So bietet MINECRAFT zwar den wichtigsten Ausgangs- wie Fluchtpunkt dieses Beitrags, demonstriert aber gleichzeitig, dass die Entwicklung analytischer Ansätze zu solchen Spielphänomenen noch ganz am Anfang steht.
3.1 Vom Game Modding zum Editor-Game
»Theoretically speaking, every little alteration made to the program code of any commercial entertainment software can be treated as a mod and therefore it is not easy to determine who made the first mod and what was it like«38 – und so kann im Grunde bereits eines der ersten Computerspiele überhaupt, SPACEWAR! aus dem Jahre 1962, als eine Mod gesehen werden, da das Programm, das vor allem als Demo-Software auf Großrechnern von Universitäten Verbreitung fand, an praktisch jedem Campus begeistert umprogrammiert wurde.39
»While it would be quite a stretch to call the handful of SPACEWAR! hackers on selected research facilities a modding culture, they nevertheless were doing the same thing that modders do today: modifying a game someone else has created to their own personal likings. Furthermore, the pioneering hackers exhibited certain qualities, which would become crucial not only in the development of modding culture, but also in the overall advancement of information technology. These qualities are often summed up as the ›hacker ethic‹.«40
Eine Art »hacker ethic« oder auch »hacker spirit«41 scheint sich dabei bis heute als ein integraler Bestandteil der Modding Culture erhalten zu haben, obwohl – oder vielleicht gerade weil – sich mittlerweile eine rege Zusammenarbeit zwischen Mod-Communities und Herstellern etabliert hat. Dieses im Grunde paradoxe Phänomen eines »popular hackerism«,42 droht dabei einerseits zwar stetig an den gegensätzlichen Interessen von Produzent und Modder/Hacker (kommerzielle vs. freie Software) zu zerbrechen, mag aber anderseits durchaus zur »vexierbildhafte[n] Gestalt«43 des Hackers passen.
Die Geschichte von Mods soll hier (sehr verkürzend) in drei Phasen unterteilt werden: die (in der Regel unautorisierten) Mod-Projekte der 1980er Jahre, die ersten Formen der Zusammenarbeit von Entwicklern und Mod-Communities Mitte der 1990er Jahre und die Entwicklung des Moddings zu einem Business-Modell in den späteren 1990er Jahren.
Lars Bo Jeppesen betitelt die erste Phase des Moddings in den 1980er Jahren mit »when modding was hacking«,44 denn in dieser Zeit waren praktisch sämtliche Mods kommerzieller Spiele unautorisiert und somit in der Regel illegal. Eine entscheidende Veränderung fand Mitte der 1990er Jahre statt. 1993 erschien das Spiel DOOM, das nicht nur den Siegeszug des First-Person-Shooter-Genres einleitete, sondern zugleich eine sehr aktive Mod-Community hervorbrachte. Inspiriert durch die zahlreichen innovativen Mods des Vorgängers WOLFENSTEIN 3D,45 führte das Entwicklerstudio id mit DOOM46 zwei grundlegende Neuerungen ein, die die Mod-Szene nachhaltig prägen sollten.47 Erstens wurden Modifikationen des Originalprogamms von id – mit einigen Einschränkungen, wie der Nutzung einer registrierten Version von DOOM – ausdrücklich erlaubt; zweitens gestaltete sich die Programmstruktur von DOOM im Vergleich zu anderen Titeln Anfang der 1990er Jahre besonders »mod-friendly«.48 Während bei den meisten Titeln, die vor DOOM erschienen, die Modifikation der Media-Dateien eine Löschung von Original-Codes verlangte, wurden bei ids First-Person-Shooter die Grafik- und Sounddateien in einer vom Hauptprogramm bzw. von der Game-Engine separaten Ordnerstruktur abgespeichert. Auf diese Weise wurde die Erstellung wesentlich vereinfacht. Der Erfolg von DOOM kann allerdings nicht ausschließlich auf die Zusammenarbeit von Hersteller und Community zurückgeführt werden, sondern wurde auch maßgeblich von einer anderen historischen Entwicklung Anfang der 1990er Jahre begünstigt – dem kommerziellen Durchbruch des World Wide Web und einer damit einhergehenden deutlichen Vereinfachung der digitalen Distribution von Mods sowie der Vernetzung von Modding-Communities.49
Was in den 1980er Jahren als eine »bottom-up modularization by users«50 begann, wurde Ende der 1990er mit COUNTER-STRIKE51 zu einem Business-Modell. COUNTER-STRIKE ist eine Multiplayer-Mod des First-Person-Shooters HALF-LIFE52 und verändert