Picasso sehen und sterben. Jost Baum

Picasso sehen und sterben - Jost Baum


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      Da brauchen wir gar nicht nachzusehen, sagte Heroult mit fester Stimme, den habe ich, seitdem ich ihn bekommen und dort hingehängt habe, nicht mehr angerührt!

      Kommissar Arnoult runzelte die Stirn. Sein Gesicht sah aus wie ein einziges Fragezeichen. Seine Narbe begann heftig zu zucken und er beschloß das Thema zu wechseln.

      Wie ich hörte, ist ihr Vater kürzlich verstorben … mein herzliches Beileid … sind sie der Alleinerbe dieses Anwesens? Meines Erachtens schon, es gibt allerdings noch einen unehelichen Halbbruder, Monsieur Pirez, der zur Beerdigung meines Vaters aus Argentinien angereist ist. Aristide behauptet, daß ihm ein Teil des Erbes meines Vaters zusteht. Ich habe ihm ein Gästezimmer zur Verfügung gestellt. Er darf so lange dort bleiben, bis die Erbstreitigkeiten geschlichtet sind. Ich habe meinen Rechtsanwalt damit beauftragt …, erwiderte Heroult äußerlich gelassen, doch Arnoult spürte, daß ihn dieser Mitkonkurrent um das Erbe nicht kalt ließ.

      Was haben sie bisher beruflich gemacht, Monsieur Heroult? Ich habe für meinen Vater die Geschäfte in Paris geführt. Wir betreiben einen international erfolgreichen Weinhandel. Mein Vater hat klugerweise vor zwanzig Jahren unsere Weinfelder verkauft und sich statt dessen ganz auf den Handel verlegt. Ich selbst habe einen Teil meines Privatvermögens in eine Filmproduktionsgesellschaft investiert, die abendfüllende Serien für verschiedene Sender produziert. Übrigens ein sehr lukratives Geschäft.

      Mademoiselle … wie war doch gleich ihr Name?

      Clavine, ergänzte Heroult.

      Wo treffe ich sie an?

      Françoise hat sich in ihr Hotelzimmer zurückgezogen. Diese schrecklichen Ereignisse haben sie sehr mitgenommen. Wir haben uns für heute abend so gegen acht im Yachtclub zum Essen verabredet.

      Und das Kaninchen in der Casserolle, das Madame Bertrand vorbereitet? Roubaix zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Das ist für Monsieur Pirez und seine Gattin. Heroult bemühte sich, nicht abschätzig zu klingen.

      Gut, Monsieur Heroult, ich will sie nicht länger aufhalten. Trotzdem möchte ich sie bitten, St. Cyr in den nächsten Tagen nicht zu verlassen.

      Stehe ich etwa unter Mordverdacht? lächelte Heroult süffisant.

      Wie so ziemlich jeder hier in der Villa St. Fleurie. Arnoult verabschiedete sich mit einem Kopfnicken.

      Fünf

      Sie haben bestimmt noch etwas vor, Roubaix, lassen sie mich alleine mit den Eheleuten Pirez reden.

      Arnoult, ich denke, daß das alles nichts bringt, was wir hier betreiben. Es gibt eine Serie von Einbrüchen in Villen, die alle hier in der Region Var stattfanden. Es muß Spezialisten geben, die das Terrain erkunden und dann zuschlagen. Hier ist zum ersten Mal ein Mord passiert, vermutlich weil Monsieur Bertrand den oder die Einbrecher überrascht hat. Ich werde in die Präfektur fahren und die Akten mit diesem Einbruch hier vergleichen. Möglicherweise ergibt sich so etwas wie ein Muster.

      Tun sie, was sie nicht lassen können. So gegen 23 Uhr werde ich sie in ihrer Klause besuchen kommen, dann können wir darüber reden, was wir herausgefunden haben.

      Ich werde da sein, knirschte Roubaix, und übrigens viel Erfolg, fügte er mit einem ironischen Grinsen an, bevor er sich abwandte und eilig die Villa verließ.

      Kommissar Arnoult stieg erneut die Treppe zum ersten Stock hinauf, wobei er diesmal eingehend die Ahnengalerie betrachtete, die im matten Licht des Kristallüsters glänzte.

      Jean Phillip Heroult, 1862-1923, war auf einem Messingschild auf einem schweren vergoldeten Rahmen eines Ölgemäldes zu lesen, das einen streng blickenden Herrn im besten Alter mit Backenbart und Nickelbrille zeigte, der einen Jagdanzug trug und eine doppelläufige Flinte in der Hand hielt.

      Der Großvater der zukünftigen Erben des gestohlenen Picassos, grinste Arnoult im Stillen.

      Vom gleichen Kaliber, aber entsprechend älter, war der Gründer des Reichtums, Pierre Auguste Heroult, in Öl auf einem Bild verewigt, das einige Stufen höher hing. Er saß in der Uniform eines napoleonischen Kavallerieoffiziers auf einem Stuhl, dessen Lehne reich verziert war und blickte den Portraitisten durch ein Monokel an, das ihm einen mokanten Gesichtsausdruck verlieh. Zu seinen Füßen lag ein schwarzer Labrador, der einen Fasan verschlang.

      Das ist schon richtig, daß ein argentinischer Bastard nicht in diese Erbfolge paßt, überlegte Arnoult und grinste innerlich, als er an der Tür des Gästezimmers klopfte.

      Es dauerte eine Weile, bis er eine gedämpfte müde Stimme hörte, die in gebrochenem Französisch fragte: Wer ist da? Kommissar Arnoult.

      Einen Augenblick später öffnete sich die Tür und er stand einer Frau von Anfang sechzig gegenüber, die ein mit roten Rosen verziertes Armani-Kleid trug, das ihre stattliche Figur betonte. Ihr wallendes schwarzes Haar war nur von wenigen grauen Strähnen durchzogen. Große goldene Ohrringe betonten das Gesicht einer Aztekin, das streng und herbe wie aus Stein gemeißelt wirkte. Ihre Stimme klang rauh und schleppend wie bei einer mechanischen Puppe, als sie ihn in das Zimmer bat.

      Mein Mann, Professor Pirez, hat gerade geschlafen. Er ist herzkrank und braucht noch ein wenig Zeit, bis er sich angekleidet hat. Setzen sie sich doch bitte. Sie deutete auf einen Korbsessel, der unter dem Fenster stand, das geöffnet war, um den kalten, karg möblierten Raum zu lüften. Arnoult trat an das geöffnete Fenster und sog den Duft von Thymian und Salbei ein, den eine sanfte Brise in das Zimmer wehte, bevor er sich umwandte und mit dem Rücken an die Fensterbrüstung lehnte. Die Einrichtung des Zimmers bestand aus antik gebeizten Weichholzmöbeln, einem Tisch und vier wackeligen Stühlen mit Sitzflächen aus geflochtenem Bast. Die Sorte Möbel, wie man sie in jedem Hypermarché findet. Nichts für die Ewigkeit.

      Setzen sie sich doch, bat eine brüchige Stimme. Professor Pirez stand im Morgenmantel vor ihm und deutete mit einem Stock auf den Sessel. Er selbst ließ sich ächzend auf einen der Bauernstühle nieder und gähnte herzhaft. Pirez war unrasiert und die grauen Stoppeln auf seinem aufgedunsenen Gesicht ließen ihn alt und krank aussehen.

      Was wollen sie von uns wissen, Kommissar Arnoult? Wir haben diesem jungen Inspektor, wie heißt er doch gleich …? Er wandte sich hilfesuchend an seine Frau, die sich an einer Anrichte zu schaffen machte und sich einen Cognac eingoß. Roubaix, murmelte sie, und nahm einen tiefen Schluck aus dem Cognacschwenker.

      … also diesem Roubaix doch alles gesagt, fuhr Aristide Pirez müde und gereizt fort.

      Wo waren sie gestern nacht zwischen ein Uhr und drei Uhr morgens? Arnoult wirkte ungerührt.

      Hah, sie sind lustig, wenn ich meine Herztabletten mit einem Glas Milch zu mir genommen habe, schlafe ich wie ein Murmeltier.

      Wann ist das?

      Na, zum Abendessen, so zwischen zwanzig und einundzwanzig Uhr. Madame Bertrand versorgt uns ausgezeichnet, sie bringt uns die Mahlzeiten und liest uns jeden Wunsch von den Augen ab. Ganz im Gegensatz zu meinem Halbbruder, der sich standhaft weigert, mir meinen Erbanteil auszuzahlen, brüllte Pirez und hieb mit der Faust auf den Tisch. Dabei atmete er so heftig wie ein Blasebalg, und sein Gesicht lief rot an.

      Du sollst dich nicht aufregen, Aristide, sagte Madame Pirez ruhig, nachdem sie an ihrem Cognac genippt hatte.

      Wie kommt es, daß sie mit Heroult verwandt sind? fragte Arnoult freundlich lächelnd.

      Meine Mutter ist eine französische Jüdin, die während des Vichyregimes nach Südfrankreich geflohen ist. Sie hatte ein Verhältnis mit Julian Heroult, meinem Vater, der vor einer Woche verstorben ist. Wir haben uns sofort auf den Weg gemacht, nachdem wir von seinem Tod erfahren haben. Pirez bemühte sich mit bitterer Miene, nicht wieder aus der Haut zu fahren.

      Sind sie offiziell als dessen Sohn anerkannt worden?

      Meine Mutter hat ihre Flucht aus Frankreich mit einem Gemälde von Picasso bezahlt. Dasselbe gute Stück, das gestern nacht gestohlen wurde. Heute ist das Meisterwerk Millionen wert, damals hat sie nur ein paar Franc dafür bekommen. Aber das ist noch nicht alles. Sie mußte mit diesem Weinbauern ins Bett, damit er ihr


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