Picasso sehen und sterben. Jost Baum

Picasso sehen und sterben - Jost Baum


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mit einem gequälten Lächeln an.

      Wo waren sie diese Nacht zwischen ein Uhr und drei Uhr morgens?

      Warten sie mal … die Salsaband spielte bis Mitternacht, danach haben wir noch etwas getrunken und sind dann zum Boot gegangen.

      Wir?

      Monsieur Heroult, Patrique Bertrand, seine Freundin Monique und ich … Hören Sie, es ist mir peinlich, merken sie das nicht? Sie kicherte nervös.

      Ich bin wie ein Beichtvater, ich kann schweigen wie ein Grab. Arnoult lächelte freundlich.

      Wissen sie, ich bin seit Januar ohne Engagement, meine Ersparnisse neigen sich dem Ende zu. Monsieur Heroult war so nett und hat mir eine Rolle in einer Abendserie für Tele 1 angeboten. Aha, nickte Arnoult gleichmütig.

      Na ja, ich soll eine verheiratete Frau spielen, die mit ihrer Familie aus der Provinz nach Paris zieht. Ihr Mann hat eine gut dotierte Stellung in einem großen Unternehmen gefunden. Die gemeinsame Tochter ist fast erwachsen und geht ihre eigenen Wege. Die Frau ist oft einsam. Ihr Mann ist geschäftlich viel unterwegs und die Tochter weiht sie nicht in ihre kleinen Geheimnisse ein. Die Frau sucht eine neue Identität, dabei lernt sie einen anderen, jüngeren Mann kennen, der ihr zeigt, wie attraktiv sie noch ist …

      Das klingt ja wirklich spannend, erwiderte Arnoult scheinbar interessiert, aber das beantwortet noch lange nicht die Frage, womit sie sich auf dem Boot die Zeit vertrieben haben.

      Es ist so, ich brauche den Job wirklich, seufzte Françoise. Und dann ist man zu Dingen bereit, die man sonst vielleicht nicht machen würde, meinen sie das?

      Ja, danke … so ungefähr. Wissen sie, wir haben Strippoker und Flaschendrehen gespielt. Bevor es ernst wurde, kam die Polizei und hat uns vom Tod Monsieur Bertrands benachrichtigt. Meine Güte, ich schäme mich so, stammelte Françoise.

      Und das soll ich ihnen glauben?

      Aber ja, fragen sie Monique, sie ist in der Küche und hilft beim Kochen, soll ich sie holen?

      Tun sie das. Arnoult nickte und blickte hinter ihr her.

      Eine Figur wie ein junges Mädchen, intelligent, hübsch und keine Arbeit? Er schüttelte den Kopf. Wieder machte sich ein Ziehen auf seiner Stirn bemerkbar. Bitte nicht jetzt, murmelte Arnoult und blickte zu der Schauspielerin hinüber, die an dem Tresen irgendwelche Verhandlungen führte. Françoise Clavine wechselte ein paar Worte mit Patrique Bertrand und wartete einen Augenblick, bis ein Mädchen von Anfang zwanzig, mit schwarzem Bubikopf und einem silbernen Nasenpiercing, aus der Küche kam und ihren weißen Kittel auszog. Zum Vorschein kam ein Minirock samt Top, das den Blick auf einen gepircten Bauchnabel freigab, in dem ein kleiner Straßstein glitzerte. Sie trug Netzstrümpfe und hochhackige Sandaletten, die ihre langen schlanken Beine betonten.

      Hi, ich bin Monique, darf ich mich setzen? Sie nahm im letzten freien Korbsessel am Tisch Platz, schlug ihre Beine übereinander, wobei für einen kurzen Augenblick ihr weißer Slip hervorblitzte, verschränkte die Arme vor ihrer vorwitzigen kleinen Brust und starrte Arnoult herausfordernd an. Womit verdienen sie ihren Lebensunterhalt, Mademoiselle Monique? Arnoult atmete tief durch und räusperte sich.

      Ich bin Kellnerin und Küchenhilfe … aber nicht mehr lange … Patrique und ich wollen heiraten und ein eigenes Lokal aufmachen, verkündete sie stolz.

      Und der hat nichts dagegen, wenn seine Freundin beim Strippoker und Flaschendrehen mitspielt? Langsam aber sicher wurde er müde. Er haßte es, ein Verhör zu führen und gleichzeitig seine Narbe unter Kontrolle zu halten. Das Wundmal war wie eine Polizeisirene. Wenn er nicht aufpasste, spiegelte sich jede noch so kleine Gefühlsregung in der Farbe dieses häßlichen Striemens.

      Ach was, der ist doch kein Kind von Traurigkeit, wir sind jung und noch nicht verheiratet. Andere Mütter haben auch hübsche Söhne und Christophe Heroult, oh làlà, den würde ich nicht von der Bettkante schubsen. Außerdem läßt der immer ordentlich was springen und das kann ich gut gebrauchen. Das heißt, sie waren tatsächlich zu viert auf dem Boot und wollten sich die Zeit ein bißchen miteinander vertreiben, habe ich sie da richtig verstanden?

      Aber ja doch, was ist daran so schlimm? tat Monique erstaunt.

      Nun gut, sie können wieder an ihre Arbeit gehen, entließ sie Arnoult mit einem Schulterzucken und wandte sich stattdessen wieder Françoise Clavine zu. Hm, hm … brummte er.

      Kommissar Arnoult, bevor sie einen schlechten Eindruck von mir bekommen, möchte ich sie im Auftrag von Christophe zu einer Bootstour auf seiner Yacht in die Calanques einladen. Was soll ich da? Arnoult blaffte sie mürrisch an.

      Ich denke, er möchte ihnen ein wenig über seinen Halbbruder und den verschwundenen Picasso erzählen. Christophe würde ungern auf die Präfektur kommen und er hatte den Eindruck, beim letzten Gespräch mit ihm seien sie so kurz angebunden gewesen. Bitte tun sie ihm den Gefallen, mir zuliebe, flehte Françoise fast.

      Na schön, wann soll es losgehen? Arnoult seufzte müde und erschöpft.

      Wenn es ihnen nichts ausmacht, erwarten wir sie morgen gegen elf Uhr am Hafen. Das Schiff heißt Petite Fleur und ist eine weiße vierzig Fuß lange Yacht. Sie liegt dort drüben zwischen dem Zweimaster und diesem doppelstöckigen Kabinenkreuzer. Françoise deutete vage in Richtung der Hafeneinfahrt.

      Ich werde sie schon finden, wenn sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, verabschiedete sich Arnoult, stand auf und ging, ohne sich noch einmal umzublicken, zu seinem Wagen. Er öffnete die Tür, ließ sich ächzend hinter das Lenkrad in den Sitz fallen, tastete nach der Flasche Evian, die er unter dem Beifahrersitz fand und nahm einen tiefen Schluck, bevor er den Strohhut ins Gesicht schob. Jetzt hieß es warten und sich entspannen. Fünf Minuten später verließ Françoise Clavine das Clubhaus. Sie sah trotz ihres Migräneanfalls blendend aus in ihrem knielangen Sommerkleid, der schlanken Figur, den langen Beinen und den Riemchensandalen mit dem halbhohen Absatz. Sie öffnete die Tür des weißen Renault Clio, der etwa zwanzig Meter entfernt im Schatten einer Platane geparkt war, startete den Motor, gab Gas und verließ den Parkplatz in einer Staubwolke. Arnoult stieg aus, ging zu dem Clubhaus und fand wenig später den Hintereingang, den er gesucht hatte. Die schwere Eisentür war unverschlossen und öffnete sich zu einem Lagerraum, in dem Weinkartons, Kisten mit Thunfisch- und Tomatendosen, Säcke mit Zwiebeln und Knoblauchbündel in eisernen Regalen, die die Mauern entlang liefen, gestapelt waren. Die nächste Tür führte ihn in einen Flur, der hinter der Bar lag. Aus der Küche, die links von ihm lag, hörte er, wie Monique mit jemandem lachte und schäkerte. Von dort war nicht zu befürchten, daß man ihn entdeckte. Er wandte sich nach rechts und schlich den Flur entlang.

      Patrique Bertrand war immer noch mit seinen Gläsern beschäftigt und bemerkte ihn nicht, als er lautlos hinter ihn trat.

      Kann es sein, daß sie ihre Freundin auf den Strich schicken? Arnoult flüsterte und stieß ihm gleichzeitig den Zeigefinger wie einen Pistolenlauf in die Rippen. Bertrand zuckte zusammen und ließ das Glas fallen, das in den Ausguß fiel und in tausend kleine Stücke zersprang.

      Kommissar Arnoult, was fällt ihnen ein, sind sie wahnsinnig? Bertrand war wachsbleich und seine Stimme zitterte.

      Oder kann es sein, daß sie sich von Françoise Clavine eine kleine sexuelle Gegenleistung erhofften? Arnoult blieb ungerührt. Bertrand faßte in die Brusttasche seines weißen Hemdes und fingerte eine Packung Gauloise hervor, nahm ein Bic-Feuerzeug vom Tresen, steckte die Zigarette an und nahm einen tiefen Zug, bevor er antwortete.

      Selbst wenn es so wäre, was geht sie das an?

      Da haben sie sicherlich recht, Bertrand, trotzdem haben sie meine Frage noch nicht beantwortet.

      Monique ist ein süßes kleines Ding, das gerne zeigt, was sie hat, zumal, wenn sie ein bißchen Geld dafür bekommt. Hören sie, Monsieur, Heroult ist kein Kind von Traurigkeit und hat ein paar Flaschen Champagner springen lassen. Immer wenn Monique beim Strippoker verloren hat, mußte sie mit einem Kleidungsstück bezahlen, während Heroult und Mademoiselle Clavine sich freigekauft haben.

      Wie waren sie denn an dem Spiel beteiligt? Na, was ein Kellner so macht, füllt die Gläser, mischt die


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