Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten. Hunter S. Thompson

Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten - Hunter S. Thompson


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      Und sicher, ich habe Be-Bop, Bars und weißes Pulver gelesen, und auch all den anderen Mist. Der Typ ist ein Idiot, ein esoterischer Knallkopf und intellektueller Dünnbrettbohrer. Das Dharma-Ding war nicht ganz so schlecht wie Be-Bop, Bars und weißes Pulver, beide sind ja nichts als jämmerliche Aufgüsse von Unterwegs – und, da fängt es schon an, selbst das ist nicht mal ein Roman. Wie es bei den Siamesen heißt: »Im leeren Kopf macht selbst eine Erbse fürchterlichen Krach.« So viel zu Mr K – der aus allem fein raus ist. Großartig für ihn … und all seine Lemminge. Wenn nicht bald jemand diesen Verrückten kalt macht, werden wir alle noch das Label »Die Generation des Dritten Sex« aufgedrückt bekommen.

      Ich scheine gereizt zu sein … und das verbietet sich … denn gereizt zu sein heißt spießig zu sein … und spießig sein heißt einen Knall haben … und auch das verbietet sich. Es ist schwer herauszufinden, was man denn nun eigentlich tun soll … welches Label man sich anheften soll … und wir alle sind dazu verdammt, gelabelt zu sein … denn ohne Gemeinschaft gibt es keine Identität … und Identität ist alles … oder nicht?

      Du kannst mit Deinen Freunden gerne bei mir absteigen, wenn ihr zu Thanksgiving runterkommt. Ich hatte schon seit einer Weile keine richtige Orgie mehr. Es wird großartig werden. Ruf auf jeden Fall an. WA9-XXXX. Jederzeit. Ich arbeite nur zweieinhalb Tage die Woche, und ich bin von ARMUT GEPLAGT. Bring Essen mit.

      Ich will noch nach Boston fahren, ehe ich das Land verlasse, und das wird bald sein, und ich werde selbstverständlich bei Dir unterkommen müssen, aber ich ziehe mir einen Keuschheitsgürtel an und verspreche Dir, keinen Ärger zu machen. Ich weiß noch nicht, wann ich das nötige Geld beisammen habe. Wahrscheinlich nie – dann werde ich eben ohne Geld losziehen. Ah, gut, ich bringe meinen Rucksack mit und meine Schnur mit den Juju-Perlen … und ein paar Oden von Han Shan. Das wird Dich glücklich machen. […]

      Das Leben hier ist ziemlich schräg, und aktuell versuche ich mir einen Job in Europa zu ergattern. Das ist nicht so einfach, doch ich werde es auf jeden Fall tun … und schlimms­tenfalls bei der Botschaft um Gnade winseln, wenn ich keine Arbeit finde.

      Lass von Dir hören.

      Und hüte Dich vor San Francisco.

      Misstrauisch: Hunter

      AN KRAIG JUENGER:

       Bei Juengers Mutter ist Krebs diagnostiziert worden; als sein eigener Vater starb, war Thomp­son vierzehn.

      22. November 1958

      Time & Life Building

      Rockefeller Center

      New York

      Lieber Kraig,

      Dein Brief hat mich erschüttert, und es kommt mir ein bisschen albern vor, wenn ich sage, dass es mir leid tut, die Sache mit Deiner Mutter zu hören; denn solche Floskeln wirken unangemessen und gehören höchstens auf »Beileidskarten«. Aber Du weißt, dass es mir tatsächlich so schrecklich leid tut wie nur sonst was, und ich hoffe, dass es nicht so ernst ist, wie Du offenbar befürchtest. Es ist nicht zu fassen, dass diese Dinge immer denen passieren, die ich besonders mag – ich will es einfach nicht begreifen, warum es nicht die Nichtsnutze als erste erwischt. Hemingway hat wohl recht: »Die Besten sterben genauso wie die Liebenswürdigsten und die Mutigsten. Wenn du zu keinen von diesen gehörst, kannst du gewiss sein, dass auch du sterben wirst – mit dem Unterschied, dass keine Eile geboten ist.«

      Lass mich unbedingt wissen, wie es mit ihr weitergeht, und Du kannst Dich darauf verlassen, dass ich Verständnis dafür habe. Mein Vater ist nicht mehr unter uns, wie Du weißt. Ich möchte nicht enttäuscht klingen, nachdem Du jetzt während der Ferien wohl doch nicht nach New York kommen wirst, aber Du weißt wohl, dass ich eben auch nicht wirklich glücklich darüber bin. So oder so – entscheide nach dem, wie es sich für Dich am besten anfühlt, und lass es mich wissen.

      Hier ist gerade nicht viel los. Ich habe Dir in dem Brief von letzter Woche alles Erzählenswerte geschrieben. Wenn Du ein wenig zur Ruhe gekommen bist, schreib mir. Und lass nicht die Phantasie mit Dir durchgehen. Schon vielen wurde ein Tumor mit einem operativen Eingriff entfernt, ohne dass dieser bösartig gewesen wäre. Also, versuche ruhig zu bleiben. Bis bald. Und ja: Sei nicht voreilig mit Deinen Schlussfolgerungen.

      Love, Hunter

      AN ANN FRICK:

      Während seiner Schichten bei Time feilt Thomp­son an seinem literarischen Stil, indem er Der große Gatsby und In einem andern Land vollständig abtippt und dabei akribisch den Bau der Sätze studiert. Fasziniert davon, dass sich Thompson so intensiv mit amerikanischer Literatur beschäftigt, schrieb ihm Frick einen langen Brief, in dem sie ihn um Empfehlungen für ihre Literaturliste bat. Sie ist diejenige unter seinen Freundinnen, die Hunter einmal heiraten will.

      19. Dezember 1958

      Time & Life Building

      Rockefeller Center

      New York

      Liebe Ann,

      das hier ist eine geliehene Schreibmaschine, und vermutlich mache ich vier Millionen Tippfehler, also nimm’s mir nicht übel und verlier nicht die Geduld.

      Um bei Deinen Fragen zu bleiben:

      … zur letzten Woche: Schöne neue Welt (Huxley), Der große Gatsby (Fitzgerald), In einem andern Land (Hemingway), The Organization Man (Whyte), Alle meine Träume (Jaffe) – letzterer fällt etwas aus der Reihe, doch der wird jedes Mädchen interessieren, das vorhat, nach New York zu kommen und dort zu arbeiten. Und ja, die Fortsetzung meiner Liste folgt keiner Systematik; die erwähnten Bücher sollte niemand verpassen, so sehe ich das, aber ich könnte noch bestimmt hundert weitere nennen, was nicht besonders ergiebig wäre. Es ist jedenfalls phantastisch, dass Du ein bisschen angefixt bist, und ich werde das für zukünftige Briefe im Hinterkopf behalten. Vielleicht ist es uns ja schon gelungen, Deinen Geist aus dem Sumpf zu ziehen!

      Mein Talent zum Tanzen – wie Du es ausgedrückt hast – hat sich in den letzten Jahren nicht weiterentwickelt, einfach weil ich nicht einmal Gelegenheit hatte, auch nur daran zu denken, geschweige denn, es zu tun. Meine vier Jahre in der Tanzschule waren ungefähr so nützlich wie meine zwei Jahre Klavierunterricht, und ich kann gar nicht verstehen, wie eine dermaßen vergeudete Kindheit so viel Spaß machen konnte. Wenn Du nun das Gefühl hast, ich sollte eines von beiden angehen, lade ich Dich – in Vorfreude – dazu ein, mich dabei zu unterstützen. Ich kann Dir versichern, dass ich weder dem Klavierspiel noch der Tanzfläche abgeneigt bin. Ich mache mir nichts daraus, bin aber auch nicht dagegen: eine großartige Haltung für einen Mann in meiner Situation, wie ich finde.

      Hier nun die Punkte auf meiner »Sorgenliste«:

      1. Geld

      2. Geld

      3. Geld

      danach flacht es etwas ab …

      4. die Sorge, dass ich nicht so stark bin, wie ich mir einbilde und mich in Folge dessen auf die idiotische Realität einlasse und mir einrede, meine Schwäche sei ein Zeichen von »Reife«.

      5. die Sorge, dass ich niemals mehr jemandem über den Weg laufen werde, bei dem es so »stimmt«, dass ich mich verlieben könnte, oder vielleicht sollte ich besser sagen: »um zusammen glücklich zu sein«.

      6. die Sorge, dass ich in einem Land mit halbgebildeten Flagellanten (schlag diesen Begriff nach, es wird Dir guttun) lebe, die eine »freie, gleiche, standardisierte, selbstzufriedene und im Zerfall begriffene Gesellschaft« geschaffen haben und alles dafür tun wollen, dass sich nichts daran ändert; dies steht in krassem Widerspruch zu dem, wie ich leben will, ohne dabei meine Selbstachtung zu verlieren.

      7. meine weiteren Sorgen sind unbedeutend und kommen und gehen von Tag zu Tag. Was sind Deine »Sorgen«?

      [...] Lass Dir abschließend gesagt sein, dass Du »nicht gewöhnlich« und sicherlich nicht »glatt«


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