Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten. Hunter S. Thompson
Stunden später kam das Kündigungsschreiben. Ich habe drei Wochen lang immer wieder darüber nachgedacht. Und bin zu dem Schluss gekommen, dass es nur einen Ausweg für mich gibt: auf meinem Arsch sitzen zu bleiben und auf meiner Schreibmaschine zu hämmern, bis sie genügend Sheriffs zusammengetrommelt haben, um mich hier herauszutragen. Ich hoffe also nur, dass Dich dieser Brief vor Deinem Eintritt in die Phase mentaler Verfettung erreicht, damit ich Dich zu dieser lustigen Nummer hier einladen kann. Alles spricht also dafür, dass in den nächsten ein, zwei Monaten für Unterhaltung gesorgt sein wird.
Räumungstermin ist der 27. Oktober, also in sechs Tagen schon, und morgen braue ich wieder Bier, und zwar genug, dass es locker zehn Tage dauern wird, um es abzufüllen, und fünfzehn, um es auszutrinken. Ich habe vor, mich hier in diesem Zimmer zu besaufen, und womöglich sogar noch mit einer weiteren Ladung, ehe sie mich dann endgültig fertigmachen. Denn fest steht, McGarr, sie werden mich fertigmachen, genau so wie sie es mit Dir tun werden – oder vielleicht sollte ich sagen: würden –, und dann machen sie Schluss mit uns, und unser Untergang wird im Zeichen von Notdurft und Unterdrückung stehen. Oder wie Mr Mailer sagt: »Die Scheißer bringen uns um.« Ich glaube aber, dass Mailer seinen Glauben an den Kampf schon verloren hat – den verkommenen Spaß am Verlieren gewissermaßen; das leichte reine Gefühl, wenn es einem absolut scheißegal ist, ob man gewinnt oder verliert. Mailer hat gelernt, sich selbst zu ernst zu nehmen, und jeder, der das tut, ist für die Scheißer ein gefundenes Fressen.
Bei Dir, McGarr, ist es inzwischen genauso, du bist abgestumpfter, wirst allmählich ein Poser, bist viel zu leicht durchschaubar. Irgendwo dahinter, glaube ich, lugt bei Dir der noch ungebändigte Schatten eines echten Menschen hervor. Das hoffe ich zumindest. Wenn Du auch das noch verlierst, ist es vorbei.
Deine Theorien über mein Leben hier habe ich in etwa so erwartet und will deshalb nicht viel Zeit damit verschwenden. Es genügt zu sagen, dass Du richtig liegst – was meine Art von Sadismus angeht, in Big Sur alles einfach nur laufen zu lassen. Das ist wiederum so wahr, dass es mir umso leichter fällt, dies aus meinem System zu eliminieren, und so kann ich mich inzwischen abreagieren, indem ich mich zwei Stunden in den Hügeln herumtreibe, anstatt meine Energie mit der idiotischen Suche nach aufregenden Dingen zu verschwenden, und den Rest des Tages lasse ich in einer ruhigen Gemütsverfassung auf mich zukommen. Wenn mir davon »übel« wird, sei es drum. Begrifflichkeiten wie diese haben ohnehin ihre Bedeutung verloren, außer bei Leuten, die glauben, ein Wort sei ein Faktum.
Wie ich schon in meinem letzten Brief schrieb, war Semonin hier, eine Dokumentation seines Besuchs findest Du beiliegend. Du solltest ihn bald treffen, und zeig ihm doch dieses Foto, mal sehen, was er dazu sagt. Ich schreibe ihm, sobald er in Spanien ist. Derartige Ausflüge können ja die seltsamsten Wendungen nehmen. Deine Ausführungen über Europa lassen das Ganze nun schrecklich öde erscheinen; so öde, dass mein anfängliches Interesse, mit ihm mitzufahren, ziemlich abgekühlt ist. In meinen Augen ist Europa ein überfülltes Museum, ein hübscher alter Schaukasten, der eine Welt von früher zeigt. Den Deutschen, mit ihren gottverdammt billigen kriegerischen Herzen, wünsche ich nur das Beste. Wenn es zum Krieg und zu Bomben und dieser Art von Business kommt, hoffe ich, dass ein paar Deutsche in meiner Nähe sind. Bei den Russen spüre ich Wohlanständigkeit, die Deutschen aber erscheinen mir wie eine Spezies zweibeiniger Haie – clever, effektiv und auf gefährliche Weise dumm.
Jetzt zu den Neuigkeiten – Maxine ist was Schlimmes passiert, sie hatte unzählige Stiche am Kopf. Ich habe sie selbst nicht gesehen, Clancy hat davon erzählt, der übrigens aus seiner Bruchbude in San Francisco rausgeflogen ist. Das ist alles, was mir gerade einfällt. Maxine macht sich Richtung Osten auf, sie sagt, es könnte für immer sein. Weiß der Himmel, was aus ihr wird; besser, ich denke erst gar nicht darüber nach.
Soviel zu unserem Schlagabtausch, McGarr. Ich werde hier bleiben, bis sie mich heraustragen. Sende mir doch ein paar Beschimpfungen, wenn Du dazu kommst. Ich denke gerade darüber nach, nach Hawaii zu segeln und eine Jagdreise nach Vancouver zu unternehmen, dann Mexiko und Südamerika. Chile wäre vielleicht auch nicht ohne, was immer das heißen mag. Mal überlegen. Nicht ohne – was aber dann? Ich schätze, einige von uns finden das noch heraus. Und damit bist Du jetzt entlassen.
Neugierig, HST
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