Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten. Hunter S. Thompson

Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten - Hunter S. Thompson


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außerdem so viele Mücken, dass ich kaum atmen kann, Frau ist hier und kocht, kein Geld, umherziehender Künstler aus New York lebt auch hier, hat ein Segelboot, Leben ist hier alles in allem nicht übel.

      Ich habe mich mit Negern, Eidechsen und dem Postinspektor angefreundet. Meinem ehemaligen Chef werde ich den Vorstand der Gewerkschaft auf den Hals hetzen. Fabelhafte Sonnenuntergänge. Schreckliches Essen. Rum ist billig. Esse eine Menge Reis und noch mehr Spaghetti, trinke Regenwasser. Wir sind die einzigen Weißen in der spanischsprachigen Neger-Gemeinde von Loíza Aldea. Langweilig wird es nie.

      Was zum Himmel aber soll die »Antwort auf das Leben« sein, von der Du da brabbelst? Schreib das doch mal auf, das würde mir helfen, Dich in solchen Dingen besser zu verstehen. In meinem Fall ist das Leben jedenfalls ein wildes Karussell; langsam fühle ich mich wie ein riesiger ausgehungerter Hase, der inmitten eines Rausches von Habgier und Gewalt von einem Flecken der Erde zum nächsten springt.

      Versuch doch mal einen Freund von mir [aus Eglin] zu kontaktieren, er heißt Banks Shepherd. Ist Kapitän und wird wahrscheinlich über das Warenkaufbüro erreichbar sein. Wenn nicht, schau im Telefonbuch nach: William Banks (oder W.B.) Shepherd. Schwer zu sagen, ob Du ihn mögen wirst – probier’s einfach.

      Seit Dezember keine Zeile von Ann Frick. Sealey hat bis heute nicht auf meine beiden Briefe reagiert, und solange er sich nicht meldet, werde ich es dabei belassen. Weißt Du, was zum Teufel der eigentlich so treibt?

      Mein nächster Brief wird wahrscheinlich aus Spanien kommen, also schreib mir dahin und halte Dich ran. [...]

      Und richte Shirley aus, dass sie sich ruhig dieser »unerschlossenen Energie« widmen soll. Ich hab keine Ahnung, was das bedeutet – aber es klingt beunruhigend.

      Cheers:

      Hunter

      AN DIE NEW YORK TIMES:

      Thompson kann es nicht lassen, auf eine Anzeige in der New York Times zu antworten, in der »Journalisten (2), die nach Fakten graben«, gesucht werden.

      11. September 1960

      c/o Conklin

      107 Thompson St.

      New York City 12

      Z8822, New York Times

      Sehr geehrter z8822:

      Hey, wenn Sie nur wüssten, wie ich nach Fakten grabe. Mann, ich nehm sie so ungefähr schon mit ins Bett; das gibt mir einen Kick wie nur sonst was. Mann, ich bohre mich schon am frühen Morgen in die Negerstraßen hinein und lechze förmlich nach Fakten. Den ganzen Tag über wühle ich mich durch Kaskaden von unsinnigem Gequatsche und bin ganz wild darauf, die reife saftige Frucht, die sich im Innersten all dieses Geschehens befindet, endlich in Händen zu halten.

      Wenn Sie sich das klar machen würden, z8822, dann müssten Sie eigentlich sagen: »Äh – Mann, wann können Sie anfangen?«

      Und ich würde auf meine coole und kluge Art antworten: »Na gut, mein Freund, dann fangen wir doch am besten gleich mal mit den wichtigsten Fakten an: Ich brauche Minimum hundert Dollar die Woche, allein schon für Jack Daniel’s; kriegen Sie das hin?«

      Kann aber auch sein, dass der Setzer bei der Times ein Hipster ist, und was Sie eigentlich sagen wollten, ist: »Journalisten (2), die Fakten auswerten«; oder »Journalisten (2), die Fakten aufbereiten«.

      Egal, in der Anzeige steht »Journalisten (2), die nach Fakten graben«, und das war der einzige Grund, warum ich mich bei Ihnen mal genauer erkundigen wollte.

      Für einen kompetenten Journalisten wie mich gehört es zum Berufsalltag, »nach Fakten zu graben«. Ebenso grabe ich nach Geld, Jack Daniel’s und einem rasanten Job. Wenn Sie der Meinung sind, dass wir ins Geschäft kommen könnten, dann schießen Sie los – per Brief, Telex oder Telefon, und Sie werden von mir all den Kram bekommen, der sonst in einem ordentlichen Lebenslauf drin steht. Lebensläufe lehne ich prinzipiell ab, ich habe seit drei Jahren keinen mehr geschrieben.

      So weit, so gut. Melden Sie sich am besten bis 16. September, denn ich habe ein Jobangebot an der Westküste und muss denen bis dahin Bescheid geben. Wenn ich bis zum Mittag des besagten Datums nichts von Ihnen gehört habe, gehe ich davon aus, dass Sie dieser Brief mehr geärgert hat als angesichts des Charakters der Anzeige zu vermuten gewesen wäre.

      Schicken Sie mir aber bitte auf alle Fälle meine Unterlagen zurück.

      Besten Dank,

      Hunter S. Thompson

      AN SANDY CONKLIN:

      28. Oktober 1960

      San Francisco

      Liebe Prinzessin,

      der heutige Tag ist ein Wendepunkt auf der großen Jagd nach einem Job in San Francisco; es hat sich herausgestellt, dass ich in dieser Stadt vor Januar nichts Vernünftiges bekommen werde. Wenn Du wissen willst, warum das so ist, frag mich das nochmal in Deinem nächsten Brief. Wenn nicht, dann mach Dir einfach nichts weiter draus.

      Am Montag werde ich meinen Daumen Richtung Süden ausstrecken – Carmel, Monterey, Big Sur – und vielleicht schaffe ich es sogar bis nach Los Angeles. Was immer auch passiert, es wird in Ordnung gehen. Ich mach mir darum keine Sorgen, denn ich habe keinerlei Pläne. Ich will es nur bis an die Küste schaffen und jenes Kalifornien sehen, von dem immer alle reden. Ich versuche so weit zu kommen, wie mich jemand mitnimmt, werde am Strand schlafen (Schlafsack) und schlimmstenfalls um Essen betteln. Deine fünfzehn Dollar sind mein Glücksbringer, und Gott allein weiß, wo das alles enden wird; es ist, in dieser elenden Phase von Frustrationen, immerhin ein Aufbruch – was könnte da besser sein.

      Zuletzt habe ich mehr Interviews geführt, als es jeder halbwegs vernünftige Mensch aushalten würde. Und musste dermaßen viel Unsinn über mich ergehen lassen, dass ich spüre, wie das alles meinen Hals wieder hinaufsteigt; ich brauche jetzt einfach ein bisschen frische Luft. Jetzt kann ich auch die Selbstmorde an der Golden Gate Bridge verstehen; ich verstehe die Betrunkenen und die Nutten und die geistlosen Hedonisten, die die Bars und die Wohnungen im traurigen Telegraph Hill bevölkern. Diese Stadt hier ist nur eine Erweiterung von Alcatraz; wer einmal hier gelandet ist, steckt fest und kommt nicht mehr weg; denn die Menschen, die nach San Francisco fliehen, haben entweder nicht den Mut oder nicht die Zeit, noch mal neu anzufangen. Also versuchen sie, aus einer falschen Entscheidung irgendwie das Beste zu machen; und sie stehen das so lange wie möglich durch, indem sie so viel trinken, dass Schmerz und Enttäuschung und Frustration gedämpft werden – und wenn es dann immer noch weh tut, springen sie.

      Ich dagegen werde nur einen kleinen entspannten Ausflug machen. Wenn mir das Geld ausgeht, komme ich wieder zurück und schau mich nach einem Job als Parkwächter um. Sollte sich auch das als unrealistisch erweisen, werde ich durch die Wüste wandern, bis nach Glenwood Springs. Paul ist schon dort und hat vor, in Aspen bis Januar auf dem Bau zu arbeiten. Ich habe so meine Zweifel, dass ich es da länger als eine Woche aushalten würde, aber mal sehen. Mehr dazu nach meiner Rückkehr aus dem Süden.

      Bone & McGarr wollen beide bis 1. Dezember aus der Wohnung ausziehen. Bis dahin müssen wir irgendwas unternehmen. Mir ist klar, dass das meine Sache ist, stell Dich also darauf ein, wieder loszuziehen – in jede mögliche Himmelsrichtung.

      Im Moment sind es nur zwei Dinge, die ich mir wirklich wünsche – Dich und Zeit zum Schreiben. Den Leuten hier tue ich leid; sie können sich nicht vorstellen, was aus mir werden soll, und begreifen erst recht nicht, warum mir das nichts ausmacht. Das ist so traurig, dass es mich schon wieder zum Lachen bringt. Ich komme mir vor wie der Mann mit dem großen Geheimnis. Man sagt mir, dass ich Liebe brauche, und ich lächle still. Man sagt mir, dass ich ein Ziel brauche, und wieder muss ich lächeln. Nie würde ich ihnen verraten, wie glücklich ich bin, weil ich weiß, dass wir beide bald wieder zusammen sein werden – und dann könnten die Leute kein Mitleid mehr mit mir haben und würden sich noch schlechter fühlen als sonst. Wirklich, ich wünsche mir nichts sehnlicher, als mit Dir im Bett zu liegen, so lange, wie wir wollen, ein Dach über unseren Köpfen zu haben,


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