Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten. Hunter S. Thompson

Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten - Hunter S. Thompson


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Problem, Memo das Geld im Laufe eines Jahres zurückzuzahlen, und ich gebe Dir mein Ehrenwort, dass sie jeden Cent zurückbekommen wird. Ich habe genug gesehen, um mir sicher zu sein, dass ich diesen Job will, und ich werde ihn nicht verlieren, sobald ich einen Wagen besitze und mich eingelebt habe. Es ist einfach eine zu gute Chance, um sie aus Geldmangel sausen zu lassen.

      Bitte antworte schnellstmöglich. [...] Ich habe keine Zeit zu verlieren, und für den Wagen bleibt mir nur eine Woche. Tausend Dank im Voraus, wenn Du das hinkriegst.

      Love, H

      AN ANN FRICK (nicht abgeschickt):

      Pleite, arbeitslos, geknickt – Thompson legt offen, warum sich die »Hunterfigur« niemals einer Autorität beugen würde; wie ein Held aus Der ewige Quell von Ayn Rand würde er sich selbst treu bleiben, was immer die Folgen wären.

      3. März 1959

      22 Mulberry St.

      Middletown, New York

      Liebe Ann,

      vielleicht wirst Du diesen Brief nie zu Gesicht bekommen, fürs Erste jedenfalls sicher nicht. Sollte ich ihn je abschi­cken, wird ein weiterer Brief dabei liegen, der davon handelt, was in der Zwischenzeit passiert ist. Wenn es also soweit ist, dass du das hier liest, wird die Person, die das geschrieben hat, hinter der Maske jener Person verschwunden sein, von der Du zu denken scheinst, dass ich es bin. Ich schreibe Dir diesen Brief, um Dir zu zeigen, dass diese andere Person existiert. Doch ich werde ihn für eine Weile unter Verschluss halten, denn ich will nicht, dass Du diese andere Person jemals zu Gesicht bekommst; höchstens aus der Ferne. Es ist nicht gerade jemand, den ich Dir auf Dauer wünschen würde, doch ich denke, dass Du über ihn Bescheid wissen solltest, und wenn es nur im Rückblick ist.

      Ich werde mich so kurz wie möglich fassen und schnell auf den Punkt kommen, um weder meine Worte noch Deine Zeit zu verschwenden. Diese »andere Person« ist selbstverständlich Hunter S. Thompson, und zwar hier und jetzt, in der Gegenwart. Er ist schon wieder, zum soundsovielten Mal, »ganz unten angekommen«, und wenn er diesmal nicht wieder hochkommt, dann ist dieser Brief, schätze ich, das Todesröcheln. Und wenn er doch wieder hoch­kommt – auch dann wird es dieser Brief wert sein, gelesen zu werden – als grimmige Erinnerung daran, dass der Grabgesang einst schon erklungen war. Anders gesagt: Wenn das hier der endgültige Zusammenbruch sein sollte, möchte ich ihn dokumentiert wissen; und wenn nicht, dann erst recht – als moralischer Schub für die Zukunft.

      Letzte Woche wurde ich gefeuert, und ich bin momentan so hilflos, wie man es nur sein kann. Für die Kündigung wurden mir drei Gründe genannt: 1) die Tatsache, dass ich im Büro eine ganze Nacht in Socken herumlief, 2) die Tatsache, dass ich im Büro einen Süßigkeitenautomaten mit einem gewaltigen Tritt beschädigte, nachdem ich vergeblich zwei Münzen hineingeworfen hatte, und 3) die Tatsache, dass sich einer der regulären Anzeigenkunden des Record persönlich beim Verleger beschwerte, nachdem ich zwei Speisen zurückgehen lassen und den Kunden in seinem eigenen Restaurant wegen der schlechten Qualität des Essens beleidigt hatte.

      »Sie leisten gute Arbeit«, meinten sie zu mir, »und verfügen über einen scharfsinnigen Verstand. Aber wir sind hier nicht in Greenwich Village, und Sie scheinen ein wenig unsozial zu sein, ein wenig neben der Spur. Auch scheinen Sie nicht gerade viel von partnerschaftlichen Verhältnissen zu verstehen. Deshalb können wir es uns einfach nicht erlauben, Leute wie Sie für den Record zu engagieren.«

      Hier hast Du sie also, die Grabinschrift für Hunter Thompson: »Er war ein guter Typ, aber ein wenig neben der Spur.«

      Und hier noch ein Spruch speziell für Dich: »Er hatte recht, absolut recht, wie er sich so ins Zeug legte (in seiner eigenen Art, neben der Spur zu sein), aber jetzt ist er einfach nur ein weiterer Arbeitsloser; einer, der eben doch falsch lag.«

      Wie auch immer, ich hoffe, Du verstehst den Punkt. Ich bin sans salary, egal ob ich richtig lag oder nicht. Natürlich bin ich überzeugt, dass es falsch ist, nur eine Rolle zu spielen oder Betrügereien mitzumachen, und ich habe fest vor, so weiterzuleben, wie ich glaube, dass ich es tun sollte.

      Nur gerade sehen die Dinge ein wenig trostlos aus. Ich habe keine Ahnung, was ich verflucht noch mal machen werde und weiß nicht mal, wo ich überhaupt anfangen soll. Mein Geld reicht noch für zwei Wochen, ich besitze einen schwarzen Jaguar, der Benzin frisst, als wärs ein Kamel auf Rädern, ich habe keine Wohnung und keinerlei Aussicht auf einen Job, bei dem nicht genau das Gleiche wieder passieren würde – spätestens dann, wenn ihnen dämmert, dass ich »ein wenig neben der Spur« bin.

      Es fühlt sich so an, als sei es das Leben selbst, das gerade unter meinen Füßen wegbricht, und ich weiß nicht, ob ich springen, losrennen oder stehenbleiben und runtergehen soll, um meinen Unmut gegen die herabfallenden Trümmer hinauszuschreien – während genau diese mich allmählich begraben.

      Ich weiß, dass ich richtig liege, aber manchmal frage ich mich, wie wichtig es ist, richtig zu liegen – anstatt es vielleicht lieber bequem zu haben. Ich bezweifle, dass sich diese Frage in der Welt von Tallahassee allzu oft stellt, doch es mag der Tag kommen, an dem auch Du darüber wirst nachdenken müssen. Und wenn, dann wirst Du weder der erste noch der letzte Mensch sein, der dies tut, sowenig wie das bei mir der Fall ist. Die Schwierigkeit liegt weniger in der Frage begründet als in dem Menschen, der sie beantworten muss. Es gibt so wenige Menschen, die stark – oder glücklich – genug sind, um in dieser irren Welt das Richtige zu tun, und die dazu fähig wären, fühlen sich meist nicht dazu berufen, es herauszufinden.

      Ich könnte jetzt ewig so weitermachen, aber ich glaube, es ist klar geworden, worum es geht. Die Hunterfigur ist erneut an einer Weggabelung angekommen, und wieder einmal lau­tet die Frage: »Wie geht es von hier aus weiter?« Wir werden es natürlich sehr bald wissen, denn sogar die Hunterfigur braucht etwas zu essen. Etwas wird passiert sein, wenn Du diesen Brief bekommen hast, und es ist mir wichtig, Dich nochmal daran zu erinnern, dass er in einer Phase des absoluten Chaos verfasst worden ist. Jedenfalls fühle ich mich gerade so verloren wie nie zuvor in meinem Leben.

      Auch wenn das bei mir nicht so häufig vorkommt, finde ich, dass Du meine Tiefpunkte genauso kennen solltest wie meine Höhenflüge. Beizeiten ist die unbeschwerte Thomp­son-Fassade sehr anstrengend, und ich brauche jemanden, dem ich offen zeigen kann, wenn ich durcheinander bin und mich verloren fühle. Ich bin auch nur ein Mensch, und ich weiß, dass jeder, der darauf besteht, das Große Spiel nach seinen eigenen Regeln zu spielen, sich damit abfinden muss, gelegentlich Schläge einzustecken. Das kann sich wiederholen, und darum schicke ich Dir diesen Brief erst dann, wenn ich erneut Gefahr laufe, abzustürzen.

      Wenn das beim nächstes Mal irgendeine Wirkung auf Dich haben sollte – was gut sein könnte –, dann möchte ich, dass Du verstehst, was den Absturz ausgelöst hat, warum er unvermeidlich ist, und vor allem: dass es das vorher auch schon einmal gegeben hat.

      Wenn Dir das alles Angst macht, dann, glaube ich, wird der Brief einen mehr als notwendigen Zweck erfüllt haben. Wie ich schon sagte, bin ich ein ganz realer Mensch und kein umherwandernder Tagtraum. Diese Seite meiner Persönlichkeit ist genauso real wie alles andere, und ich finde, das solltest Du wissen. Und ich denke, dass es umgekehrt mindestens genauso wichtig für mich ist zu wissen, was Du über diesen Brief denkst. Schreib mir, wenn Du Zeit hast.

      Love, Hunty

      AN WILLIAM FAULKNER:

      Thompson ist ein aufrichtiger Bewunderer der Romane von Faulkner, besonders von Schall und Wahn. Dieser Brief – den Hunter an Faulkners Privatadresse in Oxford, Mississippi, schickt – bleibt unbeantwortet.

      30. März 1959

      Cuddebackville

      New York

      Sehr geehrter Mr Faulkner,

      ich dachte, es könnte Sie interessieren, was ich heute in der Times gefunden habe und Ihnen anbei mitschicke. Ich musste dabei an ein Statement von Ihnen denken, das ich in irgendeiner Publikation mit dem Titel Schriftsteller bei der Arbeit gelesen habe. Ich habe dieses Buch gerade nicht zur Hand. Ihr Statement drehte sich um


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