Was bildet ihr uns ein?. Группа авторов
zuteil wird, genutzt werden. Vor allem weil viel in diesem Bereich investiert wird. Somit kann wirklich etwas bewegt werden, da sich die Qualität der Kindertageseinrichtung direkt auf den Schulerfolg von Kindern auswirkt. Dennoch sollte vorschulische Bildung nicht als Zulieferbetrieb des Schulsystems betrachtet werden. Ein Kindergarten sollte vielmehr als ein geschützter Ort für individuelle Entwicklung und Bildung von Kindern betrachtet werden. Diese Orte müssen für alle Kinder zugänglich sein – eine Aufgabe, die es noch stärker anzugehen gilt.
Derzeit werden viele Gelder zur Verfügung gestellt, um mehr Kindergartenplätze zu schaffen, so dass man dem Rechtsanspruch jedes Kindes auf einen Betreuungsplatz nachkommen kann. Andererseits werden die Gelder aber auch in die Forschung und Ausbildung investiert. Entscheidend wird jedoch sein, welche Projekte, Studien und Programme unterstützt werden und ob diese positive Entwicklungen im Bereich frühkindlicher Bildung anstoßen. Wir können es uns nicht leisten, die freigesetzte Energie verpuffen zu lassen.
Dennoch reichen die Bemühungen in den aufgeführten Bereichen wie der Professionalisierung, der Qualitätsentwicklung und der Entwicklung pädagogischer Konzepte noch nicht aus. Die Frage ist, wie sich die erworbenen Kompetenzen wehrend der Kindergartenzeit in Bezug auf die Bildungsverläufe von Kindern auswirken. Dies kann aber nur im Kontext der Familie und des Schulsystems diskutiert werden. Nur wenn die Anschlussfähigkeit der Systeme gegeben ist, können Bildungsverläufe nachhaltig unterstützt werden. Hierfür müssen die Übergänge aktiv mitgestaltet werden. Ein Kind ist nicht von einem Tag auf den anderen ein Schulkind, bloß weil es im passenden Alter ist. Die Verantwortung hierfür trägt aber nicht allein die Kindertageseinrichtung. Auch die Grundschule als folgende Bildungseinrichtung hat bereits vor, wehrend und nach dem Schuleintritt seinen Anteil daran. Folglich ist es eine gemeinsame Aufgabe von Kindergarten und Schule, das Kind und seine Eltern in der Übergangszeit zu begleiten. Die vorgestellten pädagogischen Konzepte können hierfür eine gutes Hilfsmittel sein. Sie sind wesentlich mehr am Kind orientiert als irgendwelche Schulvorbereitungskurse, die dem Kind bereits vor dem Schuleintritt die Freude am Lernen zunichte machen.
Es bleibt also wichtig, was wir schon in unserer Kindheit hatten: Kinder brauchen Zeit und Vertrauen, um sich zu entwickeln. Dann tun sie es auch.
Von der Förderschule behindert – Ein Plädoyer für die Vielfalt
Laura Hoffmann
Wird über das deutsche Schulsystem diskutiert, spricht man allgemein von einem dreigliedrigen Modell, womit die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium gemeint sind. Bei dieser Aufzählung wird allerdings vergessen, dass viele Schüler diese Schulen nicht besuchen dürfen und auf eine weitere Schulform gehen: die Förderschulen. Dort lernen Schüler mit sogenannten Beeinträchtigungen wie einer Lernschwäche oder einer Seh- oder Körperbehinderung. Diese Schulen sind seit langem fester Bestandteil des deutschen Schulsystems und so muss man korrekterweise von einem viergliedrigen Schulsystem in Deutschland sprechen. In der öffentlichen Debatte jedoch werden diese Schulen oft unterschlagen und gelten als „Ausnahmeschulen“, die als solche nicht Teil des allgemeinen Schulsystems sind.
Die Trennung, die zwischen dem allgemeinen Schulsystem und den Förderschulen vollzogen wird, spiegelt sich auch in der Gesellschaft wider: Die Aufteilung von Kindern und Jugendlichen auf Förderschulen ist nämlich einer der Gründe dafür, dass Menschen mit geistigen, körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen in Deutschland nicht selbstverständlich zu unserem Alltag gehören. Die Frage ist also, wie wir als Gesellschaft mit Unterschiedlichkeit und den daraus resultierenden verschiedenen Bedürfnissen umgehen wollen.
Die Trennung von Schülern verdeutlicht auch, wie Bildung in Deutschland derzeit verstanden wird. Allein die Existenz dieser Schulen zeigt, dass eine Trennung zwischen beeinträchtigten Menschen und den vermeintlich „Normalen“ für sinnvoll gehalten wird. Dabei wird oft argumentiert, dass Schüler mit Beeinträchtigungen auf separaten Schulen besser gefördert werden können. Doch ist das wirklich der Fall?
Gut gemeint ist schlecht gemacht
Schon vor oder wehrend der Grundschulzeit erfolgt die Trennung von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen. Dann wird bei den betroffenen Kindern aufgrund ihrer geistigen, körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen ein sogenannter „sonderpädagogischer Förderbedarf “ diagnostiziert. Mit dieser Diagnose verschwinden sie aus dem Alltag der meisten Menschen.
Derzeit besuchen in Deutschland etwa 400.000 Jungen und Mädchen32 Förderschulen. Sie werden auf die verschiedenen Schultypen wie Förderschulen für Lernbehinderte oder Förderschulen für Körperbehinderte aufgeteilt. Die Lehrer und Sonderpädagogen an diesen Schulen leisten sicherlich gute Arbeit – das steht außer Frage. Dennoch muss hinterfragt werden, ob diese Trennung wirklich im Sinne des Kindes ist und ob die individuelle Förderung nicht an einer gemeinsamen Schule für alle besser erfolgen kann. Denn es sollte nicht das Ziel sein, so vielen Schülern die Möglichkeit zu nehmen, mit allen anderen gemeinsam zu lernen.
Gerade für Kinder ist es nämlich wichtig, die individuellen Bedürfnisse von Menschen als etwas Normales und Alltägliches kennenzulernen und die Unterschiedlichkeit ihrer Mitmenschen als etwas Bereicherndes zu begreifen. Kinder gehen damit viel selbstverständlicher um als Erwachsene, da sie keine Vorstellung davon haben, was „normal“ ist. Die frühe Trennung aber führt dazu, dass Kinder den selbstverständlichen Umgang mit Beeinträchtigungen verlernen. Die Aufteilung auf verschiedene Schulen verdeutlicht ihnen die Unterschiedlichkeit zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. Für die Kinder mit Beeinträchtigung wiederum spiegelt der Besuch einer Förderschule nicht nur eine Bewertung ihrer vermeintlichen Leistung wider, sondern vielmehr gerade die Tatsache, dass sie im Vergleich zu den übrigen Kindern „anders“ sind.
Die Diagnose der sogenannten Lernbehinderung ist dabei besonders problematisch. Sie ist mit Abstand der häufigste Grund, weswegen Kinder auf eine entsprechende Förderschule gehen – etwa 160.000 Schüler besuchen in Deutschland eine Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernbehinderung. Wer genau als lernbehindert gilt, ist schwierig zu definieren. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass Lernbehinderte von ihrem „Lern- und Leistungsvermögen […] von der Altersnorm abweichen und zusätzliche sonderpädagogische Förderung benötigen“33. Allerdings gibt es in der Praxis enorme Abgrenzungsprobleme sowohl zu den „normal“ Lernenden als auch zu anderen Gruppen von Beeinträchtigten wie den sogenannten geistig Behinderten. So trifft das Zitat des Erziehungswissenschaftlers Ulrich Bleidick den Kern des Problems: „Lernbehindert ist, wer eine Schule für Lernbehinderte besucht.“34 Schülern wird eine Lernbehinderung folglich von Außen zugeschrieben. Ohne Förderschulen würde es eine solche Kategorie nicht geben. Diese Kinder sind also ausschließlich am Ort des Lernens, also in der Schule, beeinträchtigt, und das wirkt sich auch auf das Befinden der Kinder aus.
Doch nicht nur das: Die Diagnose des sonderpädagogischen Förderbedarfs ist eine Weichenstellung für das ganze Leben. Das Kind wird auf eine separate Schule gehen, an der es hauptsächlich Menschen treffen wird, die die gleichen Beeinträchtigungen haben. Es wird die Schule nur in seltenen Fellen mit dem Hauptschulabschluss, in der Regel aber ohne Schulabschluss verlassen. Etwa 80 Prozent der Schulabgänger verließen im Jahr 2011 die Förderschule ohne Hauptschulabschluss.35 Nach der Schule arbeiten die meisten in speziellen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, verrichten Hilfsarbeiten oder werden arbeitslos. Insbesondere für sogenannte „geistig Behinderte“ gibt es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kaum Alternativen zur „Werkstatt für Behinderte“.36 Dies führt dazu, dass sich auch nach dem Schulbesuch nur selten Begegnungen zwischen den beiden Gruppen ergeben. Viele Menschen mit Beeinträchtigungen haben kaum die Möglichkeit Kontakte mit Menschen ohne Beeinträchtigungen zu knüpfen. Das heißt auf der anderen Seite aber auch, dass der Umgang mit Beeinträchtigten im Alltag ungewohnt ist. Viele wissen nicht, wie sie sich bei Begegnungen verhalten sollen.
Mit dem Stempel des sonderpädagogischen Förderbedarfs sind diese