Franziskus aus Rom und Franz von Assisi. Leonardo Boff

Franziskus aus Rom und Franz von Assisi - Leonardo Boff


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Wiederverwenden, Wiederverwerten. Und ich möchte noch ein weiteres „W“ hinzufügen: Wiederaufforsten. Pflanzt Bäume, stellt entwaldete Gebiete in ihrem ursprünglichen Zustand wieder her. Die Bäume vermindern die Treibhausgase, spenden uns Schatten, geben uns Blüten und Früchte. Öffnet euch der Erfahrung, dass weniger mehr sein kann und dass das Glück nicht in Reichtum und einer darauf ausgerichteten Berufskarriere liegt, sondern im Miteinander-Teilen und darin, alle Menschen menschlich zu behandeln.

      Und schließlich, liebe junge Leute, meine Geschwister: Nichts von dem, was uns in Gedanken beschäftigt, wird Wirkung zeigen, wenn wir in unsere Unternehmungen nicht Gott mit einbeziehen. Er ist nicht irgendwo, er ist vielmehr in allen Dingen. Doch vor allem ist er in euren Herzen. In jedem von euch ist eine lebendige Glut und brennt eine heilige Flamme: die geheimnisvolle, liebende Gegenwart Gottes. Sie wird spürbar in der Begeisterung, die so typisch für euer Alter ist. Begeisterung wird auch mit Enthusiasmus übersetzt. Die wörtliche Bedeutung von Enthusiasmus ist: das Göttliche, Gott in sich haben. Es ist der innere Gott, der Gefährte und Freund, der Gott der bedingungslosen Liebe.

      Unsere materialistische und konsumistische Kultur hat diese heilige Flamme mit Asche zugedeckt und droht sie zu ersticken. Entfernt diese Asche, indem ihr euer Herz diesem Gott öffnet. Nehmt euch jeden Tag Zeit, um an ihn zu denken, Zwiesprache mit ihm zu halten, vor ihm zu klagen und zu weinen, eine Bitte an ihn zu richten. Und dann sagt wiederum nichts. Begebt euch nur still in seine Gegenwart. Er kann zu euch sprechen, gute Empfindungen in euch wecken und euch erhellende Einsichten schenken. Lasst niemals von Gott ab, denn er verlässt euch nicht und wird dies niemals tun. Lebt als solche, die sich in seiner Hand geborgen wissen. Und dann werdet ihr unter seinem Schutz stehen, denn er ist der Gute Hirte, der euch auf grüne Weiden führt, damit es euch an nichts fehlt. Er ist Vater und Mutter von unendlicher Zärtlichkeit.

      Indem der Sohn Gottes in Jesus unser Menschsein angenommen hat, hat er auch einen Teil der Erde und der Elemente des Universums angenommen. Sie sind deshalb bereits von Gott durchdrungen und in sein ewiges Sein einbezogen. Nie wieder sind sie Bedrohungen ausgesetzt. Wir hingegen sind dies. Es trösten uns die Worte der Bibel, wo es heißt, dass Gott „der souveräne Liebhaber des Lebens“ ist (Buch der Weisheit, 11,24). Er bleibt für immer das, was er einmal geschaffen hat. Er vergisst keines seiner Geschöpfe, das aus seinem Herzen hervorging. Deshalb vertrauen wir alle darauf, dass er unsere geliebte Mutter Erde beschützen und die Zukunft des Lebens und von euch allen garantieren wird.

      Vertut eure Zeit nicht, denn die Zeit drängt. Diesmal dürfen wir nicht säumen oder einen Irrtum begehen, denn wir laufen Gefahr, dass es kein Zurück mehr und keine Möglichkeiten mehr gibt, die Fehler zu korrigieren. Doch verliert eure Begeisterung und die Freude des Herzens nicht. Das Leben trägt stets den Sieg davon, denn Gott ist lebendig und hat uns seinen Sohn gesandt, der sagte, er sei gekommen, um das Leben, und zwar das Leben in Fülle zu bringen.

      Das ist es, was ich euch aus meinem tiefsten Herzen sagen wollte.

      Zum Schluss möchte ich eine besondere Bitte an euch richten: Betet für den Papst, der meinen Namen trägt, helft ihm, arbeitet mit ihm zusammen. Er wird die Kirche von heute wiederherstellen, so wie ich es zu meiner Zeit versucht habe. Ohne eure Hilfe wird er sich schwach fühlen und große Schwierigkeiten haben. Doch mit eurer Begeisterung und mit eurer Unterstützung in euren verschiedenen Gruppen und Bewegungen wird er die Aufgabe erfüllen, die ihm Jesus anvertraut hat: unserer Kirche ein glaubwürdiges Aussehen zu geben und alle im Glauben und in der Hoffnung zu stärken. Mit euch zusammen wird er genügend Kraft haben, und es wird ihm gelingen.

      Bevor ich mich nun von euch verabschiede, gebe ich euch den Segen, den ich seinerzeit meinem engen Freund, dem Bruder Leo – ich nannte ihn Schaf Gottes – gegeben habe:

       Der Herr segne euch und behüte euch.

       Er zeige euch sein Angesicht und erbarme sich eurer.

       Er wende euch sein Antlitz zu und schenke euch Frieden.

      Pax et Bonum Franziskus

       Poverello und euer kleiner Bruder aus Assisi

      Dass der argentinische Kardinal Jorge Mario Bergoglio, als er zum Papst gewählt wurde, den Namen Franziskus annahm, hat eine tiefe Bedeutung. Denn so wie Franz von Assisi zu seiner Zeit hat auch Papst Franziskus die Aufgabe, die Kirche Christi wiederherzustellen.

      Der heilige Franziskus verspürte den Ruf, den Sinn von Kirche, wie er aus den Evangelien hervorgeht, wieder freizulegen. Er war inmitten imperialer Macht der Päpste, des Prunks der Paläste für Kardinäle und Bischöfe und des allgemeinen Sittenverfalls fast verloren gegangen.

      Die Bekehrung des Franziskus begann damit, dass er in der Kapelle San Damiano auf die Stimme des Gekreuzigten hörte, die ihm sagte: „Franziskus, baue mein Haus wieder auf. Sieh, es liegt in Trümmern.“

      Er fasste das im wörtlichen Sinne auf und machte sich daran, die kleine Kirche Portiunkula wieder aufzubauen, die tatsächlich in Trümmern lag. Diese kleine Kirche gibt es immer noch. Man findet sie heute in Assisi im Inneren einer riesigen Kathedrale. Erst danach begriff Franziskus, dass es um eine geistliche Aufgabe ging, nämlich die Kirche wiederherzustellen, die „Christus mit seinem Blut erlöst hatte“. Nun initiierte er eine Bewegung der Erneuerung jener Kirche, die zu seiner Zeit vom mächtigsten Papst der Geschichte überhaupt, von Innozenz III., geleitet wurde.

      Zunächst lebte er mit den Leprakranken, und zusammen mit einem von ihnen zog er los, um das Evangelium der Einfachheit in einer volkstümlichen Sprache, und nicht auf Lateinisch, zu predigen.

      Es ist gut zu wissen, dass Franziskus niemals Priester wurde, sondern lediglich Laie blieb. Erst gegen Ende seines Lebens, als die Päpste den Laien das Predigen verboten, ließ er sich zum Diakon weihen, und zwar unter der Bedingung, dass er keine Vergütung für dieses Amt bekäme.

      Warum wählte Kardinal Bergoglio den Namen Franziskus? Genau aus demselben Grund, der aus dem jungen, neu bekehrten Franziskus von Assisi den Initiator einer Erneuerungsbewegung der mittelalterlichen Kirche werden ließ.

      Auch Papst Franziskus war sich, wie so viele andere, dessen bewusst, dass die heutige Kirche in Trümmern liegt, weil sie von etlichen Sitten- und Finanzskandalen erschüttert ist. Priester, Bischöfe und sogar Kardinäle sind darin verwickelt und haben das Wertvollste der Kirche aufs Spiel gesetzt: die moralische Überzeugungskraft und die Glaubwürdigkeit.

      Franziskus ist nicht einfach ein Name. Es ist ein Programm für eine arme, einfache, am Evangelium orientierte und von jeglichem Machtapparat befreite Kirche. Franziskus von Assisi hat eine Kirche entstehen lassen, die sich zusammen mit den Geringsten auf den Weg machte. Er schuf die ersten Gemeinschaften von Brüdern, die im Schatten von Bäumen ihr Brevier beteten und damit in den Gesang der Vögel einstimmten. Es war eine ökologische Kirche, die alle Lebewesen mit dem zärtlichen Wort „Brüder und Schwestern“ anredete.

      Dies ist das Modell von Kirche, das auch Franziskus aus Rom inspiriert: eine „arme Kirche für die Armen“, wie er so schön sagte, eine Kirche, die dem Erbe Jesu treu bleiben will. Die Hirten müssen „den Geruch der Schafe“ an sich tragen, wie er es humorvoll in einer Ansprache an die Priester Roms ausdrückte. Das heißt, sie bewegen sich mitten im Volk.

      Er selbst als Papst weiß dies und hat es klar zum Ausdruck gebracht. Ja, er muss Orientierung geben, aber er muss sich auch mitten ins Volk begeben, dessen Weg teilen, auf es hören, seine Weisheit aufnehmen und sich als ein Teil des Volkes Gottes empfinden.

      Franziskus von Assisi war der Kirche der Päpste gegenüber stets gehorsam, doch zugleich ging er seinen eigenen Weg und trug dabei das Evangelium der Armen in seinen Händen und in seinem Herzen.


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