Alternativlos. Thomas Kirchner

Alternativlos - Thomas Kirchner


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hat Vermögen. Wer eine Blaue Mauritius oder einen Picasso besitzt, hat Vermögen. All dies sind Vermögenswerte, denen keine Schulden gegenüberstehen. Genauso verhält es sich mit anderem Eigentum wie Aktien, GmbH-Anteilen und dem gezeichneten Kapital von genossenschaftlichen Banken. Lediglich Schuldtitel wie Anleihen, Pfandbriefe, Bankkonten, Sparkassenbriefe oder Festgeld sind Vermögen, denen auch tatsächlich Schulden gegenüberstehen.

      Die Vorstellung, dies träfe bei allen Vermögenswerten zu, sagt uns viel über den Kenntnisstand der Kapitalismuskritiker.

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       Sind Verbriefungen gefährlich?

      Es besteht erstaunlich viel Übereinstimmung in der Ansicht, dass Verbriefungen13 einer der wesentlichen Mechanismen waren, durch den sich die Finanzkrise über Landesgrenzen hinweg und auf verschiedenste Bereiche der Wirtschaft ausdehnen konnte. Die Folge dieser Sicht sind zahlreiche Vorschriften und Gesetze, die Verbriefungen stärker einschränken sollen.

      Doch zunächst zur Funktionsweise von Verbriefungen. Vergibt beispielsweise ein Flugzeugfinanzierer einen Kredit für den Kauf eines Flugzeugs, muss der Finanzierer natürlich über den Kreditbetrag verfügen. Um das nötige Kapital zu erhalten, besorgt sich der Flugzeugfinanzierer, meistens ein Finanzdienstleister, der sich auf dieses Segment spezialisiert hat, selbst einen Kredit beispielsweise von anderen Banken, die über reichlich Kundeneinlagen verfügen, aber selbst nicht die Möglichkeit haben, derart große und komplexe Finanzierungen durchzuführen.

      Oder aber der Finanzierer emittiert eine Anleihe. Nun sind Flugzeugkredite meistens relativ sicherere Kredite mit geringer Ausfallwahrscheinlichkeit, so dass die Margen sehr gering sind. Es lohnt sich also kaum, einen Finanzierer mit eigenen Eigenkapitalanforderungen zwischenzuschalten. Es wäre für alle Beteiligten sinnvoller, wenn der Kredit direkt von den Eigentümern des geliehenen Kapitals vergeben würde. Verbriefungen sind eine einfache Lösung dieses Problems. Der Flugzeugfinanzierer verpackt eine Reihe von Krediten in eine Anleihe14 und verkauft diese, meist mit Hilfe einer Investmentbank, an Anleger. Dieser Vorgang wird als Verbriefung bezeichnet. Die Anleger wissen nun genau, welche Sicherheiten hinter der Anleihe stehen. Hätten sie stattdessen eine Anleihe des Flugzeugfinanzierers erworben, wüssten sie nicht genau, wie ihr Risiko aussieht – schließlich haben sie zusätzlich zum Ausfallrisiko der Flugzeugkredite noch das allgemeine Risiko, dass der Finanzierer in Konkurs geht. Beim Erwerb einer direkt durch Flugzeuge besicherten Anleihe weiß der Anleger hingegen genau, wie das Risiko aussieht.

      Solche Finanzierungen sind meistens billiger, zum einen weil das Risiko für die Anleger besser einzuschätzen ist, zum anderen weil es keine Bank gibt, die eine Marge braucht. Verbriefungen sind inzwischen von allen nur denkbaren Forderungen aufgelegt worden. Verbriefungen von Hypotheken, Kreditkarten, Auto-Leasingverträgen und Studienkrediten sind durch die Finanzkrise weithin bekannt geworden.

      Aber auch andere weniger offensichtliche Anwendungsgebiete existieren. So nahm beispielsweise der Musiker David Bowie in den 90er Jahren einen Kredit über 100 Millionen Dollar in Form von verbrieften Tantiemen auf. Er bot den Inhabern der Anleihe alle seine zukünftigen Lizenzeinnahmen als Sicherheit. Bowie tilgte die Anleihe übrigens pünktlich.

      Der Staat Mexiko verbriefte während der lateinamerikanischen Schuldenkrise seine Öleinnahmen, um billig an Geld zu kommen. Durch diese Sicherheiten konnte Mexiko auf die Anleihen wesentlich niedrigere Zinsen zahlen als auf andere Kredite, die unbesichert waren und deren Gläubiger allein vom guten Willen und der Zahlungsfähigkeit Mexikos abhängig waren. Fluggesellschaften haben nicht nur Flugzeuge und Triebwerke verbrieft, sondern auch Start- und Landerechte und sogar Flugsteige auf Flughäfen.

      Auch die Regierung unter Kanzler Schröder nutzte die Möglichkeit von Verbriefungen aktiv, um russische Staatsschulden loszuwerden. Eine eigene Zweckgesellschaft wurde dazu gegründet: die Aries Vermögensverwaltungs GmbH. Aries emittierte Anleihen in Höhe von fünf Milliarden Euro, die in die Kasse des Bunds flossen. Im Gegenzug trat der Bund alle Zahlungen, die Russland auf diese Schulden leistete, an Aries und damit die Käufer der Anleihen ab.

      Sogar ein Kreditderivat packte der damalige SPD Finanzminister Hans Eichel in diese Verbriefung. Hätte Russland die Zahlungen auf die Schulden eingestellt, wären 80 Prozent der Verluste von den privaten Anleihekäufern getragen worden und der Rest von der KfW. Der Bund schloss also eine Wette auf eine russische Staatspleite ab, die ihm Verluste ersparte.

      Die KfW war überhaupt sehr aktiv in Verbriefungen, und zwar schon lange, bevor sie in der Öffentlichkeit einen schlechten Ruf bekamen. In den Jahren 2000 bis 2006 verbriefte sie Kredite an mittelständische Unternehmen unter dem Namen Promise15 in 17 Transaktionen. Dabei benutzte sie eine eigens in Irland gegründete Zweckgesellschaft, wohlgemerkt mit Wissen und Billigung der Politiker, die in ihrem Aufsichtsrat sitzen. KfW erwarb die Kredite nicht einmal, sondern schloss mit den Banken, die diese Kredite vergeben hatten, einen Vertrag über ein Kreditderivat (CDS) ab. Wohlgemerkt: die KfW ist eine staatliche Bank mit einem Aufsichtsrat, der aus Politikern aller Parteien und Vertretern allerlei anderer gesellschaftlicher Gruppen besteht.

      Verbriefungen reihen sich in ein langes Hin und Her zwischen Banken und Märkten ein. Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gab es viele Anleihen von Schwellenländern, die mehr oder weniger regelmäßig ihre Schulden nicht begleichen konnten. Das Ergebnis waren häufig Verluste bei den Sparern, meist in Europa, die ihr investiertes Geld nie wiedersahen.

      Während der Zeit von Bretton Woods gewann der Keynesianismus die Oberhand und mit ihm der Glaube an die Weisheit der Technokraten. Zu dieser Zeit wurden nur noch wenige Anleihen emittiert. Stattdessen war man davon überzeugt, dass einige wenige Technokraten in Großbanken die Ausfallrisiken von Krediten besser abschätzen können als eine große Zahl von Anlegern, die in Anleihemärkte investieren. Diese Denkweise hat derzeit in Folge Finanzkrise leider wieder Konjunktur.

      Die Ernüchterung kommt jedoch, wenn man die Folgen betrachtet. Denn es hat sich immer wieder gezeigt, dass eine kleine Zahl von Spezialisten keineswegs besser in der Risikoabwägung ist als eine große Zahl von Investoren in Anleihemärkten. In den 70er Jahren nahmen die Staaten Lateinamerikas Kredite bei Banken auf, hauptsächlich bei nordamerikanischen. Dies war eine Neuerung, denn traditionell liehen sich lateinamerikanische Länder Geld durch Anleihen, die von Sparern in Europa erworben wurden. Zahlreiche Zahlungsausfälle dieser Staaten sind aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert dokumentiert. Die Kredite der 70er Jahre notierten in der Leitwährung Dollar. Da amerikanische Banken viele Petrodollar, also Guthaben der erdölfördernden OPEC-Staaten, besaßen, war die Wahl dieser Institute als Kreditgeber naheliegend.

      Lateinamerika hatte hohe Wachstumsraten und die Technokraten der Banken sowie andere Wirtschaftsexperten sahen deshalb keinen Grund, an der Zahlungsfähigkeit der lateinamerikanischen Staaten als Kreditnehmer zu zweifeln. Doch wie so oft kam es anders, als die Experten prognostizierten. Ein Land nach dem anderen musste die Zahlungen einstellen. Die Banken saßen trotz der detaillierten Analysen hochqualifizierter Experten auf gewaltigen faulen Krediten. Manche Großbank musste gerettet werden.

      Um die Kredite aus den Bilanzen der Banken zu bekommen, wurden sogenannte Brady-Bonds emittiert, benannt nach dem damaligen amerikanischen Finanzminister James Brady, ihrem Erfinder. Es waren Anleihen, in denen die Kredite der lateinamerikanischen Staaten mit US-Anleihen kombiniert wurden. Diese Anleihen waren nichts anderes als Verbriefungen und erfüllten ihren Zweck. Die Kredite belasteten nicht mehr die Banken.

      Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre ereignete sich eine weitere Kreditkrise, diesmal durch Hypotheken auf Immobilien hauptsächlich in den Südstaaten der USA. Dort war es nach rund einem Jahrhundert der regionalen Stagnation in den 80er Jahren plötzlich zu einem wahren Bauboom gekommen. Die Südstaaten schienen sich von der wirtschaftlichen Misere, die seit dem Ende des Bürgerkriegs (1861–1865) andauerte, endlich befreit zu haben und firmierten jetzt als Sonnengürtel.16

      Doch Ende der 80er Jahre erklärte der neue Chef der Zentralbank, Paul Volcker, der Inflation den Kampf und erhöhte die Zinsen drastisch. Dazu kam 1986 eine Verschlechterung der steuerlichen Behandlung kommerziell genutzter Immobilien, wodurch ein Crash


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