Ferienhaus für eine Leiche. Franziska Steinhauer
sicher! Seltsames Paar, findest du nicht?«
»Keine Sorge, Lars«, lachte Lundquist. »Was die Größe angeht, kann dir deine Gitte doch wohl kaum gefährlich werden!« Lars Knyst lachte mit. Seine Freundin war besonders klein und zart, wirkte neben ihm immer zerbrechlich, geradezu winzig.
»Stimmt. Da kann mir nichts passieren!«, räumte er ein, »bei 187 Gesamtzentimetern sind in der Hinsicht überhaupt nur wenig Probleme zu erwarten.« Dann fuhr er fort: »Strenger Vater. Die beiden hatten richtig Angst vor ihm. Hast du gesehen, wie still sie wurden, als ihnen wieder einfiel, dass er hinter uns stand? Hoffentlich bestraft er sie jetzt nicht noch nachträglich.« Knyst war besorgt und klang verärgert.
»Ich denke nicht. Schon deshalb nicht, weil er befürchten muss, dass sie uns bei einem nächsten Besuch davon erzählen.«
»Was wissen wir jetzt, nach diesem Besuch, außer, dass er ein strenger Vater ist und ihre Wohnung nicht bewohnt, sondern wie auf einem Foto aus einem Prospekt wirkt? Die Jungs haben gemerkt, dass es komisch gerochen hat«, begann er mit einer Zusammenfassung.
»Das wird ja dann wohl die Leiche gewesen sein. Das heißt, sie war schon in der Truhe, als die Patterssons eingezogen sind. Oder jemand hat sie, während die Familie einen Ausflug machte, dort versteckt. Aber damit wäre er ein ziemliches Risiko eingegangen. Die Patterssons hätten jederzeit zurückkehren und ihn überraschen können. Und die Stange mit dem Haken war zu dem Zeitpunkt auch schon nicht mehr zu finden.«
»Das hat der Besitzer, Gunnar Hilmarström, gestern auch ausgesagt. Er musste die Klappe von Hand öffnen, weil die Stange nicht zu finden war. Vielleicht hat der, der die Leiche dort oben versteckte, die Stange verschwinden lassen, damit es nicht so ganz einfach war auf den Dachboden zu kommen.«
»Wir werden bei den anderen Befragungen darauf achten müssen. Bernt soll den Kollegen in Deutschland und Italien Bescheid sagen, dass sie danach fragen sollen.«
»Sag ich ihm. Was jetzt?«, fragte Knyst, während sie über die leeren Straßen fuhren.
»Erst essen wir was. Danach fahren wir zurück ins Präsidium und sehen nach, ob Dr. Mohl inzwischen ein bisschen mehr über die Tote verraten kann. Danach flitze ich noch schnell zum Arzt. Vielleicht kennt er ein Zaubermittel gegen meine Übelkeit und die Kopfschmerzen. In der Zwischenzeit soll Bernt in Erfahrung bringen, ob die Patterssons nicht doch eine Verwandte haben, die sie beerben könnten und die seit dem Sommer verschwunden ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Opfer schon länger tot ist, und die beiden wirken nicht, als ob sie mit einer verwesenden Leiche in die Ferien aufbrechen würden, aber sicher ist sicher. In der Besprechung legen wir dann den ›Fahrplan‹ für morgen fest.« Danach lehnte er sich zurück und schloss die Augen.
Er konnte sich auf sein Team verlassen. Sie hatten schon mehrere Fälle in dieser Besetzung gelöst und jeder wusste genau, was er vom anderen erwarten konnte. Bernt würde den Kontakt zum Ausland halten, Britta und Ole telefonierten den einzelnen Familien hinterher, und wenn die Berichte aus der Pathologie und von der Spurensicherung vorlagen, würden sie die erste Richtung ihrer Ermittlungen festlegen. Er seufzte. Vielleicht würde er ja im Alter ruhiger werden, aber im Moment fühlte er sich wie ein wütender Bulle, der kampfbereit mit den Füßen im Sand scharrte und wegen des Stricks um seinen Hals nicht weiterkam.
»Du liebe Güte, Gunnar!«, entrüstete sich Inga. »Das kann doch nun wirklich nicht zu viel verlangt sein! Du sollst doch nur mal überlegen, ob sie der deutschen Frau ähnlich sah oder nicht!«
Doch Gunnar grunzte nur abwehrend.
»Wie kann sich ein erwachsener Mann nur so jämmerlich anstellen! Stell dir nur vor, wie das wäre, wenn wir nicht nur eine Leiche finden, sondern auch noch deren Namen nennen könnten!« Inga war ganz aus dem Häuschen. Das war die mit Abstand aufregendste Angelegenheit, die sie je erlebt hatte. »Denk nur, wir kämen bestimmt in die Zeitung! Auf der ersten Seite würden sie unser Foto bringen und die ganze schreckliche Geschichte dazu: Sicher würden sie auch von deinem Schock schreiben und davon, dass dir jetzt andauernd schlecht ist. Das wäre doch eine große Sache.«
»Mir ist nur andauernd übel, weil du ständig von der Toten sprichst!«, versuchte Gunnar sich zu wehren. »Außerdem solltest du lieber wollen, dass sie den Täter fangen und nicht hoffen, selbst in die Zeitung zu kommen!« Vorwurfsvoll sah er seine Frau an. Wie konnte man nur so sensationslüstern sein?
Er schüttelte angewidert den Kopf.
»Aber vielleicht kriegen sie den Mörder rascher wenn unsere Geschichte in die Zeitung kommt!«, rechtfertigte Inga ihren Vorstoß. »Wenn alle mithelfen den Täter zu fassen, geht’s doch schneller.«
»Inga, wenn es wirklich die Leiche von einer unserer Gastfamilien war, ist der Täter doch wahrscheinlich längst zu Hause. Da wird er wohl kaum von Lesern der Göteborggazette gefasst werden«, wandte Gunnar gereizt ein, doch so einfach ließ sich Inga nicht überzeugen.
»Vernunft hin, Vernunft her – ich finde ja nur, es wäre ganz gut, wenn du sagen könntest, ja, die Tote gehörte zu der Familie aus Deutschland. Du musst doch die Frau erkannt haben! Das würde auch der Polizei nutzlose Recherchen in der falsche Richtung ersparen. Also, überleg doch nochmal …«
Gunnar stand auf, nahm sein Buch vom Tisch und verließ den Raum. Kurz darauf hörte Inga, wie der Schlüssel in der Badezimmertür gedreht wurde.
»Der Zeuge entzieht sich durch Flucht auf die Toilette! Das gibt’s doch gar nicht. Unglaublich!«
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