Ferienhaus für eine Leiche. Franziska Steinhauer

Ferienhaus für eine Leiche - Franziska Steinhauer


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war ohnehin alles ihre eigene Schuld, dachte er trotzig.

      Sie hatte es ja so gewollt!

      Die Hexe hatte letztlich nur bekommen, was ihr zustand! Dieser Gedanke hatte etwas ungemein Tröstliches und er beschloss, ihn gut festzuhalten.

      Seine Hände zitterten noch zu sehr für das, was nun zu tun war. Er schüttelte sich. Hoffentlich waren ihre Augen geschlossen, wenn er das Kissen von ihrem Gesicht nahm, überlegte er. Die Vorstellung, dass sie ihn womöglich direkt ansehen würde, ließ Wellen der Panik durch seinen Körper schwappen.

      Eine Viertelstunde später rappelte er sich mühsam auf, testete durch sanftes Wippen die Tragfähigkeit seiner Knie.

      Die Zeit würde ihm davonlaufen, wenn er nicht endlich anfing! Er beschloss, mit ihrer unteren Körperhälfte zu beginnen und schlug die Bettdecke zurück. Der beißende Geruch nahm ihm fast den Atem.

      »Das hast du nur aus Gemeinheit getan! Weil du weißt, wie sehr ich das hasse, wenn du dein Bett verdreckst! Warum hast du nicht den Nachttopf benutzt? Weil du lieber zusehen wolltest, wie ich dein Bett neu beziehe, wie ich alles wieder in Ordnung bringen muss!« Er hörte, wie seine Stimme sich entgleist überschlug. Nur ruhig Blut!, versuchte er sich zu beruhigen, sie wird es nie wieder tun. Nie wieder! Es ist vorbei!

      Angewidert warf er die nasse, gelb-braun verfärbte Bettdecke auf den Fußboden. Dann zog er dem leblosen Körper das nasse Nachthemd aus und schleuderte es auf die Bettdecke. Er würde das später waschen. Aus der Kommode nahm er neue Unterwäsche und aus dem Schrank eines ihrer altmodischen Kleider für ›besondere Anlässe‹, schwarz mit Spitze am Dekolleté.

      »Na, so eine letzte Reise ist doch wohl ein besonderer Anlass, findest du nicht?«, fragte er höhnisch und legte das Kleid über den einzigen Stuhl im Raum.

      Er registrierte zufrieden, wie er sich zunehmend erholte. Fast schon gut gelaunt kehrte er zum Bett zurück und meinte zynisch: »Ich hole nur ein feuchtes Tuch. Steh nicht auf, bleib nur ruhig liegen.« Und nach einer Pause, in der er auf ihre angenommene Antwort lauschte, fügte er noch in süßlichem Ton heuchlerisch hinzu: »Aber nein! Das macht mir gar nichts aus. Du bist doch meine Mutter und da ist es ja wohl selbstverständlich, dass ich solche Dinge für dich erledige. Diese Auffassung vertrittst du doch sonst auch immer!« Den letzten Satz schleuderte er über die Schulter in Richtung Bett, während er schon auf dem Weg ins Badezimmer war.

      Als sein Blick zufällig in den Spiegel über dem Waschtisch fiel, fuhr er erschrocken zurück.

      »Um Jahre gealtert. Verdammt noch mal! Wer hätte auch gedacht, dass die Alte noch so kämpfen kann!« Schnell wusch er sich das verschwitzte Gesicht mit Sturzbächen kalten Wassers, bis seine Haut zu brennen begann, brachte dann seine Frisur mit einigen Bürstenstrichen wieder in Ordnung, reinigte vorsichtig seine Unterarme. Nachdenklich betrachtete er die vielen Verletzungen. Er würde sich wohl besser noch eine geeignete Erklärung für die vielen Kratzwunden zurechtlegen. Vielleicht sprach ihn jemand darauf an.

      »Schon besser«, stellte er dann fest. »Schließlich darf man ja auch etwas angegriffen aussehen, wenn die eigene Mutter eine Seniorenreise macht und plötzlich verloren geht.« Er feixte und zwinkerte seinem Spiegelbild zu.

      Dann stieg er langsam wieder zu ihrem Zimmer hinauf.

      Vor ihrer Tür erfasste ihn eine unerwartete Schwäche.

      Er lehnte sich schwer gegen den Türrahmen.

      Was, wenn sie nun doch noch nicht tot gewesen sein sollte? Wie in dieser Kurzgeschichte, die er vor ein paar Wochen im Wartezimmer des Arztes gelesen hatte. Da hatte der Mörder auch nicht lange genug gewürgt und sein Opfer hatte das Ganze überlebt.

      Schließlich hatte er noch keinerlei Erfahrung in diesen Dingen.

      Es war sein erster Mord.

      Eine unerhörte Tat!

      Sein Herz flatterte.

      Würde sie jetzt vielleicht doch wieder ganz lebendig im Bett sitzen und ihn einfach nur etwas heiser für seine Mordabsichten zur Rechenschaft ziehen? Das wäre ein willkommener Anlass für sie, ihn ab sofort noch viel mehr zu schikanieren – wenn eine Steigerung überhaupt noch vorstellbar war! Wieder begann er heftig zu schwitzen, seine Hände zitterten. Eine zweite Chance sich ihrer zu entledigen gäbe es mit Sicherheit nicht. Er zweifelte auch daran, dass er für einen zweiten Versuch je den Mut aufbrächte.

      Er wäre ihr völlig ausgeliefert!

      »Bis dass der Tod uns scheidet«, flüsterte er sich beschwörend zu. »Nein! Es wird nicht mein Tod sein, sondern es ist deiner! Du bist tot, tot, tot! Ich habe in diesem Dasein noch nicht eine Stunde wirklich gelebt! Du wirst mich nicht mehr aufhalten!«

      Unsicher sah er um den Türrahmen auf ihr Bett – und atmete erleichtert auf.

      Sie lag genau so, wie er sie verlassen hatte! Schnell trat er neben die Tote und begann mit sicheren geübten Handgriffen den Körper zu reinigen. Am Rücken war eine wunde, offene Stelle. Ärgerlich grunzte er vor sich hin. Das war nun nicht zu ändern. Blieb nur zu hoffen, dass niemand dieser Wunde besondere Beachtung schenkte, wenn man sie später fand. Er ging davon aus, dass sie dann in einem Zustand sein würde, der es dem Rechtsmediziner kaum erlauben würde, Schlüsse auf alte Verletzungen zu ziehen.

      »Du Hexe! Selbst jetzt, wo du tot bist, jagst du mir noch Angst und Schrecken ein! Dabei bist du ganz allein an allem Schuld! Nur du allein!«, beschimpfte er sie, während er sie sorgfältig abtrocknete. »Mit welchem Recht glauben Mütter eigentlich immer, dass sie über das Leben ihrer Kinder einfach so bestimmen können? Dass sie sich ständig einmischen dürfen? Dass ihre Kinder ihnen auf Ewigkeit hörig sein müssen? Kinder sind doch kein Besitz!«

      

      Gunnar Hilmarström parkte seinen schwarzen Volvo auf der Graszufahrt zu seinem Ferienhaus, das er in den Sommermonaten an Touristen vermietete, um seine Rente aufzubessern, seufzte schicksalsergeben und stieg aus. Jedes Jahr dasselbe, dachte er mürrisch.

      Damit meinte er das Großreine- und Winterfestmachen am Ende der Feriensaison. Lustlos stapfte er um das Auto herum, öffnete brabbelnd den Kofferraum und entnahm ihm einen leistungsstarken Staubsauger, mehrere Schwämme, Putztücher und eine Flasche mit scharfem Reinigungsmittel. Er beugte sich weit hinein, um in den Tiefen des Stauraums nach seinen Gummihandschuhen und dem großen Müllsack zu kramen, wobei sein beachtlicher Leibesumfang und die dadurch im Laufe der Jahre zu kurz gewordenen Arme ihn deutlich behinderten.

      Bei dem ungeschickten Versuch, alles mit einem Mal ins Haus zu bringen fielen erst die Schwämme, dann der Müllsack zu Boden. Gunnar fluchte. Missmutig ließ er die Utensilien auf dem Rasen liegen. Er würde sie eben später holen.

      Vor der klapprigen Holztür stellte er den Staubsauger ab und bückte sich schwerfällig nach dem Fußabtreter, unter den der letzte Mieter hoffentlich den Schlüssel gelegt hatte. Einmal hatte einer ihn aus Versehen im Gepäck mit nach Deutschland genommen und er musste Tage warten, bis der Schlüsselservice ihm einen neuen angefertigt hatte.

      Aber das war Jahre her.

      Seither hatte Gunnar immer einen Reserveschlüssel im Handschuhfach, denn er empfand es als furchtbar entwürdigend, vor der verschlossenen Tür des eigenen Häuschens zu stehen und sich dann durch irgendein ausgehebeltes oder eingedrücktes Kellerfenster zu quetschen wie ein Einbrecher, oder gar Hilfe holen zu müssen.

      Der Schlüssel lag zu seiner Erleichterung tatsächlich unter der Fußmatte.

      Stöhnend hob Gunnar ihn auf.

      »Puh! Vielleicht wäre es doch besser ein bisschen abzunehmen? Doch wenn ich nicht einmal mehr essen darf, was mir schmeckt, wo bleibt dann der Spaß am Leben?«, philosophierte er leise brummelnd. Umständlich schloss er die verzogene Tür auf.

      Der typische Ferienhausgeruch schlug ihm entgegen.

      Gunnar konnte es sich nicht erklären,


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