England's Dreaming [Deutschsprachige Ausgabe]. Jon Savage

England's Dreaming [Deutschsprachige Ausgabe] - Jon  Savage


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er sie verlassen hatte. Er war beeindruckt von Jordans Erscheinung und der Art, wie ein paar Teenager sich mit der Kleidung aus dem Laden stylten. Die Konkurrenz zu Acme Attractions spornte ihn an, und seine New Yorker Eindrücke verstärkten seinen Wunsch, eine Popgruppe zu kreieren, die das Hier und Jetzt einfing. Er hatte sechs Monate Vorsprung, bevor andere damit beginnen würden.

      The Strand hatten regelmäßig unter der Anleitung von Bernard Rhodes geprobt. Sie waren nun soweit, zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zu spielen. »Ich hing mit Steve und seinen Kumpels rum«, sagt Rhodes, »es war ein sehr banaler Spaß, aber ich brachte Steve dazu, etwas auf die Reihe zu kriegen.« Auf einer Party über dem Salter’s Café auf der King’s Road quälte sich die Band irgendwann in diesem Jahr durch drei Nummern – »Scarface«, geschrieben von Warwick Nightingale und seinem Vater, »Can’t Get Enough of Your Love« und »Twisting the Night Away«. »Es war ein Alptraum«, sagt Steve.

      McLaren ging zu den Riverside Studios: »Ich war sehr beeindruckt, dass sie was auf die Reihe gekriegt hatten«, sagt McLaren, aber als er sie die nächsten Wochen beobachtete, hatte er das Gefühl, dass sie bereits am Ende ihrer Möglichkeiten waren. Der Rhythmus war kritisch, und Warwick konnte zwar recht virtuos spielen, aber irgendetwas fehlte. »Sie waren nicht sie selbst. Sie sangen Songs, die nicht wirklich etwas mit ihren Gefühlen zu tun hatten.« Das Problem waren Jones und Nightingale.

      Als Leadsänger war Jones ein wunder Punkt, aber es gab eine emotionale Bindung zwischen ihm und McLaren. Nightingale konnte mit dem Instrument umgehen, aber die CBGB’s-Gruppen hatten den Glauben an musikalisches Können zerstört. »Warwick war nicht der richtige«, sagt Paul Cook. »Wir hatten alle Spaß, und er war einer von diesen ›Fass meine Gitarre nicht an‹-Typen. Wir wollten ihn los werden. Malcolm leitete das in die Wege, aber wir mussten ihn nicht großartig überreden.«

      Heimlich schenkte McLaren Jones Sylvains weiße Les Paul-Gitarre. Im Juni ging Warwick wie immer zur Probe. »Steve spielte hinter meinem Rücken Gitarre. Ich war zu naiv, um davon auszugehen, dass er meine Position in der Gruppe einnehmen wollte. Malcolm war da, und sie sagten einfach nur: ›Du bist nicht mehr in der Band.‹ Das war sehr hart. Ich weinte nicht, aber ich fühlte mich so ausgebrannt, dass ich gar nichts gesagt habe. Ich bin sogar am gleichen Abend mit ihnen einen trinken gegangen. Von ihnen kam gar keine Reaktion.«

      McLaren versuchte vergeblich, einen Musiker aus New York herüberzuholen. »Die Sex Pistols waren laut McLaren angeblich meine Band«, sagt Sylvain. »Die Kids, die da vor seinem Laden rumhingen, würden gerne mit mir spielen, nicht wie JoHansen. Ich glaubte ihm. Aber dann bin ich in New York hängengeblieben. Bob Gruen kam mit einer Japantournee an. Wir würden dreißigtausend Dollar verdienen, mehr Geld, als ich mir jemals erträumt hatte. Malcolm wurde wütend. Ich ging mit David, und er schrieb mir: ›Ich traue David nicht, er ist ein Arsch.‹ Also machte ich einen Fehler.«

      Als nächstes ging es darum, den Lernprozess zu beschleunigen. »Ich hatte schlechte Erfahrungen mit dem NME gemacht«, sagt Nick Kent. »Ich hatte das Gefühl, drei Jahre rumgebracht und jetzt die Obergrenze erreicht zu haben. Also fing ich an, mich fürs Spielen zu interessieren. Ich war nicht annähernd so gut, wie ich dachte, aber ich war gut genug für die Band zu der damaligen Zeit. Ich mochte sie: Wir waren Welten auseinander, aber da ich älter war und ins Speakeasy reinkam, hingen sie wie die Kletten an mir. Ich hatte nie das Gefühl, Mitglied der Band zu sein. Jones Stimme war der von Steve Marriott sehr ähnlich, aber er wusste nicht, was er mit seinen Händen tun sollte, also war die Gitarre ein Requisit. Das war die ursprüngliche Idee, aber nach sechs Monaten spielte Steve tatsächlich. Nach ein paar Wochen kam es mir so vor, als ob niemand eine Richtung hätte, also stellte ich ihnen ein Ultimatum. Ich ging an einem Freitag zu Malcolm und schlug ihm vor, die Gruppe zu übernehmen und den Namen zu ändern. Malcolm dachte darüber nach, und am Samstag rief mich Matlock an und sagte mir, dass es nicht in Frage käme. Es war eine freundschaftliche Trennung: Es war keine verschwendete Zeit. Malcolm war wahrscheinlich einer jener Leute, die niemals Teil einer Gang waren, und er wollte in einer Gang sein, so wie sie eine waren. Man hat eine Gang, und nach sechs Monaten langweilt man sich zu Tode, besonders wenn Musik im Spiel ist. Das ist der Grund, warum es kaum noch Gruppen wie die New York Dolls gibt, die sehr kameradschaftlich eingestellt waren. Malcolm wollte das: Er rief ständig Sylvain an und ließ ihn mit Steve Jones reden.«

      Im Sommer verringerte sich McLarens Vorsprung. Die Idee, eine harte Teenager-Rockband zu gründen, verbreitete sich in den klaustrophobischen Straßen der Hauptstadt. Rock On hatte eine eigene Band, deren Name von einer New Yorker Straßenbande kam: The Count Bishops. Sie spielten den üblichen R&B, aber mit einer besonderen Schärfe, die ihnen ihr Frontmann Mike Spencer gab. »Malcolm suchte nach einem Sänger, um die ultimative Garagenband zu gründen«, sagt Roger Armstrong. »Er sah sich die ganzen Straßenbands an, und Spencer war zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Kandidat.«

      McLarens Vorstellung von dieser Band war nicht völlig ausgereift: Er war noch immer auf Larry Parnes fixiert. Trotz des weiterhin ungelösten Sängerproblems arbeitete McLaren wieder enger mit Westwood zusammen und entwickelte Ideen für SEX. An die Wände kamen Handzettel und Poster der New York Dolls, Television und ihrer »Blank Generation«. Jordan war eine Inspiration, da sie in die Rolle der Domina schlüpfte. »Die Leute hatten Angst reinzukommen«, sagt sie. »Es lag einfach nur an meiner Einstellung. Ich fühlte mich mächtig, und ich sah mächtig aus.«

      Die erste Produktlinie, die ausgedehnt wurde, war das ärmellose T-Shirt mit Slogan, der Artikel, der sich inzwischen am besten verkaufte: bei zwei Pfund pro Stück nicht billig. Ciré und Leder wurden als Materialien benutzt, Reißverschlüsse, Risse und Nieten oder Plastiktaschen eingefügt. Zu den früheren Manifesten kamen neue Entwürfe aus der Pornografie. Es gab einen nackten schwarzen Fußballspieler mit herabhängendem Schwanz, Alex Trocchis leidenschaftliche Lesben-Phantasien oder das beunruhigende Bild eines zwölfjährigen Jungen, der anzüglich eine Zigarette inhaliert. Das Foto hatte man dem Boys Express entnommen, einem kleinen pädophilen Magazin, das mitsamt Kontaktadresse in Essex offen verkauft wurde.

      Ein anderer krasser Entwurf wirkte wie ein graphisches Manifest für die Sex Pistols. Auf diesem Bild posieren zwei Cowboys am Samstagabend vor einer Disco. Beide tragen Cowboyhüte, lange Stiefel, aber keine Hosen. Derjenige mit Lederweste packt den anderen am Kragen seiner verblichenen Levis-Jacke. Auf der Höhe des Pistolenhalfters hängen zwei große, schlaffe Penisse nur um Haaresbreite voneinander entfernt.

Foto

      Gedruckt in Braun auf Pink oder Rot auf Grün, waren diese Bilder einfach und zugleich komplex. McLaren und Westwood wussten, dass es einen riesengroßen Unterschied zwischen einer Pornoheft-Abbildung und einem vergrößerten Siebdruck gab, der öffentlich zur Schau gestellt wird. Der Effekt konnte auf merkwürdige Weise asexuell sein. Die Vergrößerung fetischisierter Bilder war polemisch, ein Kommentar zur üblichen Verwendung der Bilder. Die unverhohlene Sexualität verwandelte sich in eine Abstraktion von Sex. Einer von McLarens und Westwoods brillanten frühen Entwürfen hält dies fest: Sie brachten ein Foto von weiblichen Brüsten auf T-Shirts an. Der Effekt war androgyn und verwirrend – man guckte automatisch zweimal hin.

      Wegen eines T-Shirts gab es Differenzen. Darauf war das Bild der Kapuze zu sehen, die der Vergewaltiger von Cambridge trug, als er damals die Universitätsstadt terrorisierte. Collins war sogar sicher, dass einer ihrer Kunden der Vergewaltiger sei und informierte die Polizei, während McLaren in New York war. Der Entwurf wurde zurückgenommen. Nach seiner Rückkehr fügte McLaren der Kapuze noch einige Musiknoten in Rot hinzu, zusammen mit dem Schriftzug »A Hard Day’s Night«. Darunter stand im Stil der Boulevardpresse: »Brian Epstein – am 27. August 1967 tot aufgefunden, nachdem er an sado-masochistischen Praktiken teilgenommen hatte / Mit S&M fühlte er sich zu Hause.« Das war die dunkle Seite des Klischees eines Managers, das McLaren so viel bedeutete. McLaren hätte in seinem Versuch, Reaktionen hervorzurufen, nur wenige Väter nicht getötet.

      Ende Juli kollidierte McLarens Phantasiewelt mit der Realität. »Es war der Tag, an dem sie gerade die Cowboy-T-Shirts fertig hatten«, sagt Alan Jones. »Ich kaufte eins und das Cambridge-Vergewaltiger-T-Shirt. Ich trug das Cowboyhemd und lief die King’s Road entlang zum


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