Fremde in der Nacht. Barbara Sichtermann
zu sich nach Hause. Mia, sein Weib, so breit wie hoch und Herz für zwei, macht erstklassiges Käsegebäck.
»Wir brauchen dich, Hahn. Du bist beim Rollenspiel der beste Kunde von der skeptischen Abteilung.«
Ich muss lachen, fahre mir mit dem Zeigefinger in den Kragen, denn ich schwitze immer noch und merke dabei, dass mir die ganze linke Hand wehtut. Da ist Yvonne mit ihrer Rübe draufgeknallt. Ihr Haar hat wie Glaswolle gestochen.
Leo möchte, dass ich bei meiner Versandfirma ein paar Kisten Frankenwein für seine Party ordere. Er hat vorhin die Gästeliste zusammengestellt. Da ist ein Problem aufgetaucht.
»Weißt du, irgendwie ist es absurd, wenn ich Almut nicht einlade. Aber wenn sie kommt, kommst du nicht. Was soll ich machen?«
»Wirf ’ne Münze.«
Ich liebte Almut noch, als ich sie rauswarf, und bin auch jetzt, anderthalb Jahre nach unserer Trennung, nicht mit ihr fertig. Magda weiß das. Sie sagte neulich: »Schade. Ihr wart schönes Paar.« Manchmal denke ich: Hätte Almut nicht diese Augenbrauen gehabt und diesen Blick, wäre da nicht ihre fahrige, aber reizende Art gewesen, mit den Händen zu reden und mit den Fingern Figuren in die Luft zu zeichnen, ich wäre längst von ihr los. Aber natürlich ist das ein dummer Gedanke, denn dann hätte ich mich ja nicht in sie verliebt und sie nicht geheiratet. Sie wollte es nicht wahrhaben, aber sie war es, die unsre Ehe kaputtgemacht hat. Sie hat Ralph Schaufuß in unsere Zweisamkeit eingeschleppt, und mir war’s nun mal nicht gegeben, die Rolle, die sie mir zugedacht hatte, auszufüllen. Ich war guten Willens, ich wollte ihr beweisen, wieviel mir an ihrem Glück gelegen war. Aber was hilft der gute Wille, wenn es kommt, wie’s mit uns kam.
Merkwürdigerweise habe ich den Abend, an dem Ralph Schaufuß dabeisein und alles dann so kommen sollte, wie Almut es sich wünschte, mit einem Gemisch aus Furcht und Spannung erwartet. Wenn er nur, dachte ich, nicht wieder Champagner spendiert. Ich muss das doch als Herablassung empfinden, als eine Geste, die besagen will: Mein armer Hagen, du bist nun mal leider noch ein bisschen spießig, und um dich zu animieren und deine Verkrampfungen zu lockern, habe ich hier ein Tröpfchen mitgebracht, wie es uns allen dreien guttut und wie ihr zwei es euch nicht so oft leisten könnt... Skäl! Ich sprach Almut auf diesen Punkt an und bat sie, Ralph davon abzuhalten, etwas mitzubringen. Sie guckte, als hätte nicht sie, sondern ich eine ausgefallene Vorstellung vom ehelichen Intimleben. Dabei zog sie ihre Brauen zusammen, die so gekräuselt, in ihrer feuchten Teerschwärze, sehr attraktiv wirkten. »Lass ihn doch mitbringen, was er will, Liebling«, sagte sie in völliger Verständnislosigkeit. »Weißt du, zu dritt dauert es eh länger. Und es macht großen Spaß, wenn man zwischendurch eins zwitschert.« Dabei sah sie in offenkundiger Vorfreude erst mich, dann ihre Hände, Knie und Fußspitzen an und kicherte in sich hinein.
Über die Regie des Abends hatten wir gesprochen. Almut und Ralph fanden es fair, mir als dem Dreier-Neuling die Wahl zu lassen: Wollte ich zuerst aktiv oder Zuschauer sein? Es war mir immer als eine Selbstverständlichkeit erschienen, dass ich als Ehemann den Anfang machen müsste. Aber wenn ich mir die Szene vorstellte, wurde ich nicht froh damit. Es konnte doch sein, dass ich versagte. Oder dass ich, mitten im Akt, Ralph zum Teufel wünschte und das herausschrie. Als Zuschauer würde ich mich, so hoffte ich, leichter in der Gewalt behalten. Zur Not konnte ich die Augen schließen. Das schien mir nicht ganz so schmachvoll wie der Zusammenbruch meiner Männlichkeit in Almuts Armen - mit Ralph als verständnissinnigem Beobachter. Sollte das im zweiten Akt passieren, so hatte ich als toleranter Zuschauer schon ein paar Pluspunkte in petto, und die Niederlage wäre nicht so verheerend.
An einem Wintersamstagabend war es dann soweit. Ralph erschien - mit einem Handy in der Brusttasche und mit Champagner! Wir stießen an. Redeten ein bisschen hin und her, ohne den Dreier anzusprechen, zu dem wir ja nun bereit waren. Schließlich nahm Almut mich beiseite - sie schickte mich ins Schlafzimmer; im Sessel vorm Fenster sollte ich warten. Das tat ich. Die beiden legten im Bad ihre Sachen ab und duschten; Ralph telefonierte, während Almut ein Weihnachtslied sang. Als sie eintraten, schwiegen sie immerhin, nur Almut hustete künstlich. Beide trugen Morgenmäntel. Er führte sie an seiner Hand wie eine Braut herein und lächelte dazu. Almut trug noch Schmuck und ihre Armbanduhr, die legte sie jetzt ab. Es gab kein verführerisches Getue ihrerseits, keine Worte oder Gesten, nichts. Ich weiß noch genau, dass die geschäftsmäßig-stille Geste des Uhr-Abnehmens, die sie genauso vollzog, wenn sie nur ins Bett ging, um zu schlafen, mich wirklich rührte. Oha, dachte ich, jetzt geht es los, gleich wird sie nackt und ich werde nicht mit ihr allein sein. Und mein Magen verzog sich erst Richtung Herz, dann Richtung Gedärm und blieb da schmerzend hängen.
Ohne meiner Wenigkeit im Sessel einen Blick zu gönnen, lösten beide ihre Bindegürtel und warfen die Mäntel von sich. Ich roch unser Duschgel und bewunderte verstohlen Ralphs drahtige Figur. Sein Rücken war ziemlich gekrümmt, aber so muskulös, dass die Krümmung nicht störte. Sein Becken war leicht nach hinten gekippt, wie um einer staunenden Welt das gesträubte rostrote Schamhaar vorzuführen, auch den einstweilen noch fromm herabhängenden Schwanz, der aber selbst in diesem Zustand durch seine breite Wurzel bestach. Almut kniete sich augenblicklich auf den Teppich, fing sein Ding mit den Lippen und sog es ein. Ralph legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Er stellte die Füße ein Stück weit auseinander, um einen guten Stand zu haben und gab von gurrendem Lachen untermischte Seufzer von sich. Ich betrachtete seine Schenkel, die einen enormen Umfang hatten. Vor ihm wirkte Almut elfenzart. Sollte ich sie nicht beschützen? In Sicherheit bringen? Es dauerte nicht lange, dann gab ihr Mund einen wundervoll aufragenden Schwanz frei. Er reichte ihr die Hand, um sie emporzuziehen. Dann hob er sie vom Boden hoch und legte sie aufs Bett. Und sich daneben.
Eine Welle von Eifersucht schwappte mir ins Herz. Sie war nicht groß, dafür böse, drängend und ungewohnt. Ich zitterte in meinem Sessel und schwitzte außerdem. Das Paar lag umschlungen da, er deckte sie mit seinem Körper zu. Sie zog seinen Kopf auf ihr Gesicht herab, um mit ihm jene Küsse zu tauschen, die ich seit dem »Crystal« gut kannte. Aber mit seinem Mund an ihrem waren es natürlich andere Küsse. Ralphs Lippen waren üppig, hübsch geschwungen, und einige seiner dickeren Sommersprossen saßen genau auf der Trennlinie von lila Lippenhaut und weißer Gesichtshaut - als hätten sie nicht gewußt, wohin. Ob wohl Almut seine Küsse besser schmeckten als meine, da ja meine Lippen schmal und rosa sind? Und er? Wie dachte er über ihren Mund, über ihre hingebungsvolle Art zu küssen - so als sänke sie dabei in Trance? Was dachte er überhaupt?
Er spricht jetzt zu ihr, flüstert von Lachen und Küssen verzerrte Wörter in ihr Ohr, und als sie darauf dankbar juchzt, wird er lauter. Ich verstehe »dein Mann«, ich verstehe »muss alles sehen«, ich verstehe »Ehemann«, ich verstehe »Angetrauter« und noch einmal »sieht zu« und allerlei obszöne Vokabeln, die beiden einen Heidenspaß machen. Dabei liegt Almut ziemlich regungslos unter dem Muskelmann, und ich weiß wieder nicht, wo ich meine Freude an dieser Szene hemehmen soll. Mein Magen schert noch einmal aus; ich möchte flüchten und richte mich schon auf.
Da haben die beiden genug von ihren Albernheiten und rollen sich ein paarmal umeinander. Ralph richtet sich auf. Er nimmt ihre Hände in seine und breitet ihre zarten Arme über das Laken aus. Dann macht er es mit ihren Beinen ebenso: Er kniet und sieht sich ihre gespreizten Glieder an. Ich gewahre seinen Schwanz, der seine volle Form behalten hat und jetzt auch von ihm, Ralph, der weidlich lächelt, begutachtet wird. Und sie, natürlich, sie starrt auch auf das Wunderding. Er setzt es, noch lächelnd, ohne mit der Hand zu helfen, auf ihren Hügel und tickt und sucht und rutscht. Seine Lippen spitzen sich zu einem »Oooh« und löschen so das Lächeln aus. Sie schließt die Augen, drückt den Hinterkopf ins Kissen Und reckt ihm ihr Kinn entgegen.
Ich sehe mir das an und werde ruhig. Ich denke: So ist das also. Wie normal. Wie unproblematisch. Wie menschlich. Ich lächele sogar vor mich hin. Nein, da ist nichts, wofür man sich schämen muss - weder wenn man zuschaut, noch wenn man es macht. Hat nicht Ralph einen perfekt gerundeten roten Hintern, dessen Backen, wenn er ihn ausholend hebt, ganz leicht auseinanderwogen und dabei verletzlich aussehen, fast kindlich und jedenfalls hübsch. Hat er nicht feine, lange Hände, die liebkosend am Kopf der Frau, an ihrem Ohr, in ihrem Haar zugange sind und die nur Gutes wollen? Warum soll ich dagegen sein,