Currys für Connaisseure. Frank Winter

Currys für Connaisseure - Frank Winter


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Zeit hegte er den Verdacht, dass sie Frau Doktor gegen ihn aufhetzte. Von Thomasinas dauernder Präsenz in seinem Haus wusste Karen nichts. Alberto hatte deshalb, als er ihn danach fragte, in ein Hornissennest gestochen. Ihm wiederum hatte niemand erläutert, womit die junge Dame ihren Lebensunterhalt bestritt, und jetzt noch zu fragen, wäre unpassend gewesen. Im Arbeitszimmer rief er William an, um zu eruieren, welchen neuen Titel Panicker sich erhoffte. Als MSP, Mitglied des schottischen Parlaments, hatte sein Bruder gute Kontakte und würde sich gerne für ihn erkundigen.

      Alberto wälzte wieder das Branchenbuch. Die Firma Robertson, Klempner Peters letzter Arbeitgeber, befand sich wie die Villa Buongiorno in Fountainbridge und so ging er zu Fuß. Sympathisch war der Laden: Regale aus dunklem Holz, ein spiegelblank gewienerter PVC-Boden und ordentlich gereihte Waren. Mister Robertson, ein dickbäuchiger, blasser Schotte Ende vierzig, stand hinter dem langen Tresen und bediente einen Kunden, nach Albertos Einschätzung allzu geflissentlich. Der hat immer noch ein schlechtes Gewissen, dachte er, gut, dann wird er keine Schwierigkeiten machen. Robertson war anderer Meinung. »Sie wünschen!«, blaffte er ihn an, nachdem der Kunde gegangen war und klappte ein Brett im Tresen, das Alberto erst jetzt bemerkte, kraftvoll nach oben.

      Der ließ sich nicht einschüchtern. »Kennen Sie mich noch?«

      »Natürlich, der Mann, der uns aus seinem Haus warf!«

      »Sie müssen mir helfen«, erwiderte Alberto.

      »Ich muss überhaupt nichts!«

      »Okay, Sie können mir helfen. Ich möchte nur eine bescheidene Auskunft.«

      »Sehe ich wie ein Informationsbüro aus?«

      »Bei Ihnen hat Peter früher gearbeitet. Er ist Mitte dreißig und Ire. Man kann ihn gut an seinem Glatzkopf erkennen.«

      »Empfehle Ihnen das Branchenbuch!«

      »Grazie! Als ob ich das nicht längst studiert hätte!«

      »Auf Wiedersehen.«

      »Gut gesagt, denn ich komme auf jeden Fall wieder!«

      Robertson hatte nicht die geringste Vorstellung, auf was er sich einließ. Alberto suchte das Geschäft in den folgenden Stunden wieder und wieder auf. Jedes Mal kaufte er etwas: Dichtungsringe, dann einen Wasserhahngriff, wieder Dichtungsringe. Wie beiläufig erkundigte er sich bei den Angestellten nach dem netten, jungen Mann Peter. Kurz vor Feierabend verließen Robertson die Nerven. Als er Alberto auf das Geschäft zusteuern sah, rannte er in den rückwärtigen Hof. »Gebt ihm alles, was er will! Ich muss in einem vergangenen Leben schreckliche Dinge begangen haben, dass man mich derart heimsucht! Das ist ja wie in Indien!«, konnte man ihn rufen hören. So kam Alberto zu Peter Piries Telefonnummer. Wie eine Trophäe trug er den Zettel vor sich her und war zu Hause so nervös, dass er sich vertippte und wildfremden Menschen die einstudierte Rede aufsagte. »Vermutlich kennen Sie mich nicht mehr. Mein Name ist Alberto Vitiello. Ich führe ein Guest House in der Leamington Terrace in Fountainbridge. So, ja, ich verstehe, Sie sind kein Klempner. Entschuldigen Sie bitte vielmals.« Beim vierten Anlauf klappte es tadellos. Pirie war am Apparat und er erinnerte sich auch an Alberto, hatte er ihm doch damals ein saftiges Trinkgeld in die Hand gedrückt. Das Erfreulichste aber war, dass er bereits am nächsten Tag die Arbeit aufnehmen würde. Vitiello konnte es kaum fassen und selbst Maria war überwältigt. Allerdings kannte sie die Konditionen für den Auftrag nicht …

      Als MacDonald am nächsten Morgen erwachte und das Schlafzimmerfenster öffnete, hatte sich der Gestank etwas verflüchtigt und im Erdgeschoss wurde gehämmert. Keine Frage, wer es war: Miss Armour rückte einer pestidizierten Flugananas zu Leibe! Er ging ins Badezimmer und duschte. Seitdem die Damen bei ihm wohnten, empfand er es als unschicklich, sein Frühstück im Bademantel einzunehmen. Er kleidete sich an und sah wieder in den Garten. Sir Robert, sein fuchsroter Kater, ließ sich seltener denn je blicken. Mit Miss Amour stand er auf Kriegsfuß, spürte, dass sie ihn nicht mochte. MacDonald schritt nach unten. Vor der Küche holte er tief Luft. »Guten Morgen.« Seine Nemesis hockte mit einer Kokosnuss auf dem Boden. »Wie ich sehe, sorgen Sie für Abwechslung auf Ihrem Frühstücksteller.«

      Armour senior nickte heftig. Einem Menschen mit schwächerer Halsmuskulatur wäre der Kopf weggepurzelt. »Eben schnaubten Sie wie ein Wasserbüffel.«

      »Wenn Sie meinen, dass ich … oh, guten Morgen, Miss.« Thommie war ins Zimmer getreten. Ihren Kopf krönte ein Turban und der Rest des Körpers war mit einem T-Shirt bedeckt, das weit oberhalb der Knie endete. Schuhe oder Socken trug sie keine. Angus wusste nicht, wie er diese leichtschürzige Kostümierung ignorieren sollte.

      »Hallo, Mister Mac. Haben Sie gut geschlafen?«

      Er räusperte sich. »Oh ja, danke. Sie hoffentlich auch? Ist Ihnen nicht kalt?«

      Sie schüttelte den Kopf, weitaus reizender als die Frau Mama, und holte sich Cornflakes aus dem Schrank, die sie ohne ein Quentchen Milch fingerspitzig zu sich nahm, stehend, mit Blick in den Garten. Im Gegensatz zum Hausdrachen mochte die junge Frau Sir Robert. Ihre Mutter hob zum finalen Schlag an und spaltete die Kokosnuss in zwei Teile. Kein Wunder, dass sein Kater das Weite suchte. »Es ist geschafft!«

      »Darüber sind wir alle sehr froh, Miss Armour.«

      »Ihre Gesundheit würde von Vitaminen ebenfalls profitieren! Weil wir gerade beim Thema sind: Haben die Waddells sich gemeldet?«

      »Bei mir nicht, äh, ich meine, Sie riefen bislang noch nicht an.« Hohe Zeit für einen Themenwechsel! »Thomasina, wir waren bei Mister Panicker.«

      »Super! Hat er Ihnen helfen können?«

      »Wobei bitteschön?«

      »Er interessiert sich für spirituelle Erleuchtung, hat sogar einen Berater.«

      »Wie interessant! Ich bezog mich jedoch auf das Soßenproblem.«

      »Die Pathia-Soße?«, fragte sie lächelnd. »Stimmt’s?«

      »Äh, durchaus, ja. Leider fand unser Gespräch ein abruptes Ende. Mein Kollege Vitiello setzte sich, seiner Unerfahrenheit mit der indischen Lebenswelt geschuldet, etwas in die Nesseln.«

      Thomasina sah ihn mit offenem Mund an. Ihre Mutter, die länger Umgang mit dem Vielfraß hatte, übersetzte: »Sein kleiner Italiener hat sich blamiert, woraufhin Devasrees Vater die Nase voll hatte und die beiden rauswarf!«

      »Nun ja, das ist etwas drastisch formuliert, Miss Armour. Wir sind nicht als genuine Feinde geschieden.«

      Thomasina nickte. »Er ist ein empfindlicher Mann. Das hatte ich Ihnen ja gesagt.«

      »Kennen Sie den Herrn gut?«

      »Er ist Devasrees Vater.«

      »Wissen Sie etwas über das Malheur mit seinem Sitz im House of Lords?«

      »In Westminster, England?«, fragte Miss Armour lauernd und sehr neugierig.

      »So ist es. Panicker soll ein Sir werden. Nun kommen aber Gerüchte auf, dass Bestechung im Spiel sei.«

      »Muss uns das wundern? Menschen sind von Natur aus neidisch«, sagte Armour senior. »Bestimmt hat jemand dieses Gerücht ausgestreut, um ihm zu schaden.«

      Warum nahm sie den Vater in Schutz, wenn sie von der Tochter nichts hielt?, dachte MacDonald. »Möglich. Man munkelt jedenfalls, dass eine großzügige Spende an die Conservative Party eine Rolle spielte.«

      »Ist doch egal! Man hat seine Pathia-Soße versalzen. Darum geht es.«

      »Herzlichen Dank für den Hinweis, Miss Armour. Das eine lässt sich vom anderen nicht trennen. Möglicherweise steckt derselbe Feind dahinter und …«

      »Sicher nicht!«

      Angus seufzte tief und lang anhaltend.

      »Da haben Sie es wieder!«

      »Bitte?«

      »Ihr Schnauben.«

      »Nächster Schritt?«, fragte Thomasina.

      »Da Mister Panicker die


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