Neurolinguistisches Programmieren: Gelungene Kommunikation und persönliche Entfaltung. John Seymour
NLP entstand in den frühen siebziger Jahren aus der Zusammenarbeit von John Grinder, zu dieser Zeit Assistenzprofessor der Linguistik an der University of California in Santa Cruz, und Richard Bandler, Student der Psychologie an dieser Universität. Richard Bandler hatte großes Interesse an Psychotherapie. Gemeinsam untersuchten sie drei Spitzentherapeuten: Fritz Perls, den Begründer der Gestalttherapie; Virginia Satir, die außergewöhnliche Familientherapeutin, die in der Lage war, schwierige Familienbeziehungen aufzulösen, die viele andere Therapeuten unlösbar fanden; und Milton Erickson, den weltbekannten Hypnotherapeuten.
Bandler und Grinder hatten nicht die Absicht, eine neue Therapieschule zu begründen, sondern sie wollten die Muster identifizieren, die herausragende Therapeuten benutzen, und diese Muster an andere Menschen weitergeben. Sie gaben sich nicht mit Theorien ab; sie produzierten Modelle erfolgreicher Therapie, die in der Praxis funktionierten und anderen vermittelt werden konnten. Die drei Therapeuten, die sie modellierten, waren sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, aber sie benutzten erstaunlich ähnliche Grundmuster. Bandler und Grinder nahmen diese Muster, verfeinerten sie und bildeten daraus ein elegantes Modell, das anwendbar ist für effektive Kommunikation, persönliche Veränderung, beschleunigtes Lernen und natürlich dazu, größeren Genuss und Freude im Leben zu haben. Sie legten ihre ursprünglichen Entdeckungen in vier Büchern nieder, die zwischen 1975 und 1977 veröffentlicht wurden: The Structure of Magic 1 and 2 [dt.: Metasprache und Psychotherapie. Die Struktur der Magie I, 1981, und Kommunikation und Veränderung. Die Struktur der Magie II, 1982; siehe Anhang] sowie Patterns of the hypnotic techniques of Milton H. Erickson, M. D., vol. 1 and 2 [nicht ins Deutsche übersetzt]. Die NLP-Literatur wuchs seitdem mit zunehmender Geschwindigkeit.
Zur damaligen Zeit lebten John und Richard ganz in der Nähe von Gregory Bateson, dem britischen Anthropologen, der über Kommunikation und Systemtheorie schrieb. Bateson hatte bereits über viele verschiedene Themen veröffentlicht: Biologie, Kybernetik, Anthropologie und Psychotherapie. Er ist wohl am meisten bekannt geworden durch die Entwicklung der Doppelbindungstheorie der Schizophrenie. Sein Beitrag zum NLP war tiefgreifend. Vielleicht wird erst jetzt allmählich klar, wie einflussreich er tatsächlich war.
Ausgehend von diesen ursprünglichen Modellen entwickelte sich NLP in zwei einander ergänzende Richtungen:
• als Verfahren zur Entdeckung der Muster von Glanzleistungen in jedem nur möglichen Bereich;
• als Zusammenstellung der effektiven Möglichkeiten des Denkens und Kommunizierens, die herausragende Menschen nutzen.
Diese Muster und Fertigkeiten können personenunabhängig angewandt und auch wieder in den Prozess der Modellbildung eingebracht werden, um ihn noch wirksamer zu machen. 1977 hielten John und Richard sehr erfolgreiche öffentliche Seminare überall in den USA. NLP wuchs schnell; in den Vereinigten Staaten haben bereits weit über 100.000 Menschen irgendeine Art von NLP-Training absolviert.
Santa Cruz, 1976
Im Frühjahr 1976 trafen sich John und Richard in einem Blockhaus hoch in den Bergen oberhalb von Santa Cruz und trugen die Erkenntnisse und Entdeckungen zusammen, die sie gemacht hatten. Gegen Ende einer sechsunddreißigstündigen Marathonsitzung saßen sie bei einer Flasche kalifornischen Rotweins und fragten sich: „Wie um alles in der Welt sollen wir das bloß nennen?“ Das Ergebnis war „Neurolinguistisches Programmieren“, ein umständlicher Ausdruck, der drei einfache Gedanken enthält:
Der „Neuro“-Teil von NLP meint die fundamentale Idee, dass alles Verhalten sich aus unseren neurologischen Prozessen des Sehens, Hörens, Riechens, Schmeckens, Berührens und Empfindens ableitet. Wir erfahren die Welt durch unsere fünf Sinne; wir geben der Information „Sinn“ oder „Bedeutung“ und handeln dementsprechend. Unsere Neurologie umfasst nicht nur unsere unsichtbaren Gedankenprozesse, sondern auch unsere sichtbaren, physiologischen Reaktionen auf Gedanken und Ereignisse. Das eine reflektiert ganz einfach das andere auf der körperlichen Ebene. Körper und Geist bilden eine untrennbare Einheit, ein menschliches Wesen.
Der „linguistische“ Teil des Namens zeigt an, dass wir Sprache benutzen, um unsere Gedanken und unser Verhalten zu ordnen und um mit anderen zu kommunizieren.
Das „Programmieren“ bezieht sich auf die Wege, die wir wählen können, um unsere Gedanken und Handlungen so zu organisieren, dass sie Ergebnisse erzielen.
NLP handelt von der Struktur der subjektiven Erfahrung des Menschen; wie wir das strukturieren, was wir sehen, hören und fühlen, und wie wir die Außenwelt auf dem Weg durch unsere Sinneskanäle bearbeiten und filtern. Es erforscht weiterhin, wie wir die Welt mit Sprache beschreiben und wie wir uns verhalten – sei es absichtsvoll oder unbeabsichtigt –, um Ergebnisse hervorzubringen.
Landkarten und Filter
Wie auch immer die Außenwelt tatsächlich sein mag – wir nutzen unsere Sinne, um sie zu erforschen und Landkarten davon anzulegen. Die Welt ist eine Unendlichkeit aus möglichen Sinneseindrücken und wir können nur einen sehr kleinen Teil davon wahrnehmen. Der Teil, den wir wahrnehmen können, wird weiter gefiltert: durch unsere persönlichen Erfahrungen, unsere Kultur, unsere Glaubenssätze oder Einstellungen, Werte, Interessen und Annahmen. Jeder Mensch lebt in seiner einzigartigen Welt, die auf seine Sinneseindrücke und individuellen Lebenserfahrungen gegründet ist, und wir handeln auf der Basis dessen, was wir wahrnehmen: Das ist unser Modell der Welt.
Die Welt ist so unermesslich und reich, dass wir sie vereinfachen müssen, um ihr Bedeutung zu verleihen. Landkarten anlegen ist eine gute Analogie für das, was wir tun; so geben wir der Welt Bedeutung. Karten sind selektiv, sie lassen ebenso sehr Information aus, wie sie Information geben, und sie sind von unschätzbarem Wert für die Erforschung eines Gebietes. Die Art der Karte, die man anlegt, hängt davon ab, was man wahrnimmt und was man erreichen will.
Die Landkarte ist nicht das Gebiet, das sie darstellt. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf jene Aspekte der Welt, die uns interessieren, und ignorieren andere. Die Welt ist immer reicher als die Gedanken, die wir über sie haben. Die Filter, die wir unserer Wahrnehmung aufsetzen, bestimmen, in welcher Art von Welt wir leben.
Es gibt eine Geschichte von Picasso, der von einem Fremden angesprochen und gefragt wurde, warum er die Dinge nicht so male, wie sie wirklich seien. Picasso schaute leicht irritiert. „Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen“, entgegnete er.
Der Mann holte eine Fotografie seiner Frau hervor. „Schauen Sie“, sagte er, „so meine ich es. So sieht meine Frau wirklich aus.“
Picasso blickte ihn zweifelnd an. „Sie ist aber sehr klein, nicht wahr? Und ein bisschen sehr dünn und flach?“ …
Ein Künstler, ein Holzfäller und ein Botaniker, die in einem Wald spazieren gehen, machen sehr unterschiedliche Erfahrungen und nehmen sehr unterschiedliche Dinge wahr. Wenn Sie durch die Welt gehen und nach persönlichen Glanzleistungen Ausschau halten, werden Sie Glanzleistungen finden. Wenn Sie durch die Welt gehen und nach Problemen Ausschau halten, werden Sie Probleme finden. Oder wie das arabische Sprichwort es ausdrückt: „Wie ein Stück Brot aussieht, das hängt davon ab, ob du hungrig bist oder nicht.“
Sehr eingeschränkte Einstellungen, Interessen und Wahrnehmungen lassen die Welt verarmen, machen sie vorhersagbar und langweilig. Genau dieselbe Welt kann reich und aufregend sein. Der Unterschied liegt nicht in der Welt selbst, sondern in den Filtern, durch die wir sie wahrnehmen.
Wir haben viele natürliche, nützliche und notwendige Filter. Auch die Sprache ist solch ein Filter. Sie ist eine Landkarte unserer Gedanken und Erfahrungen, die um eine weitere Ebene von der realen Welt entfernt ist. Denken Sie einen Augenblick darüber nach, was das Wort „Schönheit“ für Sie bedeutet. Kein Zweifel, Sie haben viele Erinnerungen und Erfahrungen, innere Bilder, Klänge und Gefühle, die Sie einen Sinn mit diesem Wort verbinden lassen. Entsprechend wird jemand anders andere Erinnerungen und Erfahrungen haben und auf andere Weise über dieses Wort denken. Wer hat recht? – Sie beide, jeder in seiner eigenen Realität. Das Wort ist nicht die Erfahrung, die es beschreibt, aber Menschen kämpfen und sterben manchmal sogar